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ADB:Nasse, Christian Friedrich

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Artikel „Nasse, Christian Friedrich“ von Hermann Nasse in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 265–270, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nasse,_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 8. November 2024, 14:33 Uhr UTC)
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Nasse: Christian Friedrich N. war in Bielefeld am 18. April 1778 geboren als Sohn eines Kreisphysicus, dessen Vater ebenfalls ein sehr angesehener Arzt war. Er verlor seine Eltern in früher Jugend. Von seinem Vormund für den Kaufmannsstand bestimmt, verließ er mit 14 Jahren das Gymnasium und genoß zuerst weiteren Unterricht in dem Erziehungsinstitut für junge Kaufleute zu Hamburg. Hier erwarb er sich Kenntniß der neueren Sprachen und musikalische Fertigkeit auf mehreren Instrumenten. Seiner Neigung entsprach indessen keinswegs die über ihn getroffene Bestimmung, vielmehr war schon früh sein Wunsch auf das Studium der Medicin gerichtet. Erst im Jahr 1794 war es ihm vergönnt seiner Neigung zu folgen und Hamburg mit Berlin zu vertauschen, wo er in dem grauen Kloster unter Leitung des Professor Wolff mit fast unglaublicher Schnelligkeit die Maturität erlangte, so daß er, nachdem er schon als Primaner anatomische Vorlesungen besucht hatte, zu Ostern 1796 die Universitätsstudien zu Halle beginnen konnte. Daselbst trat er in einen Kreis ausgezeichneter junger Männer, unter denen sich Friedrich von Raumer und [266] Achim von Arnim befanden, die seine nächsten Freunde wurden. Bald zog er die Aufmerksamkeit seines Lehrers, Joh. Christ. Reil’s auf sich, an den er sich eng anschloß. Diesem Manne, für den er stets die größte Dankbarkeit und Verehrung bewahrte, verdankte er im wesentlichen die wissenschaftliche Richtung, die er während seines Lebens verfolgte. Am 2. Januar 1801 ward er nach Einreichung einer auf eigener Untersuchung fußenden Dissertation (de neuritide) promovirt, worauf er in Berlin das Staatsexamen zurücklegte. Nach einer Reise durch das westliche Deutschland ließ er sich in Bielefeld als praktischer Arzt nieder, indem er es für eine Pflicht der Dankbarkeit hielt, eine alte Tante bis zu deren Tode zu pflegen. Im J. 1805 verheirathete er sich mit Henriette Weber. Zugleich mit Dr. Wilmans übernahm er darauf die Leitung des städtischen Armenhospitals. – Sein Lehrer Reil, der seine Fähigkeit zum akademischen Lehramt erkannt hatte, schlug ihn schon im J. 1810 zu einem Lehrstuhl an der Universität Berlin vor, indessen entsprach das Lehrfach nicht seiner Neigung und seinen Studien. Da es ihm in der kleinen Stadt sowohl an den nöthigen wissenschaftlichen Hülfsmitteln als auch an geistigem Verkehr fehlte, und die Landpraxis ihm zu viel Zeit raubte, so verließ er im Frühling 1814 mit seiner Familie die Heimath, begab sich zunächst nach Göttingen, wo er die dortige Bibliothek benutzte und mit Himly verkehrte, dann nach Leipzig und Dresden. In ersterer Stadt hatte er Umgang mit dem Physiker Gilbert und in letzterer befreundete er sich mit C. G. Carus, mit dem er vielfache Interessen theilte. – Im Winter 1815–16 traf ihn in Weimar der Ruf als Director der medicinischen Klinik in Halle. Es war dies noch eine Nachwirkung Reil’s, der ihn zu seinem Nachfolger empfohlen hatte. Durch verschiedene Arbeiten und durch Herausgabe des fünften Bandes der Reil’schen Fieberlehre hatte er inzwischen seine wissenschaftliche Befähigung an den Tag gelegt. Im Frühling 1819 folgte er dem Rufe nach Bonn auf den gleichen Lehrstuhl. In dieser Stellung verblieb er bis zu seinem Tode, ununterbrochen sich der Ausbildung junger Aerzte widmend und durch consultative Praxis sehr beschäftigt. Nicht bloß Inländer sondern auch Ausländer in großer Zahl suchten seinen ärztlichen Rath. Unter ihnen fanden sich viele Gemüths- und Geisteskranke. Aus dieser Praxis entwickelte sich später ein Privatinstitut, welches er gemeinsam mit seinem zweitältesten Sohne leitete.

N. war ein Mann von ungewöhnlicher vielseitiger Begabung, eine genial, poetisch angelegte Natur. Ein idealer Zug, mit einem Offenbarungsglauben verwachsen, ging durch sein ganzes Leben; das Gemeine verabscheuend besaß er auch einen Widerwillen gegen alles Triviale. Ein körperliches in dem Gelehrtenstande häufiges Leiden disponirte ihn zu einer reizbaren Stimmung, gegen die er fortwährend zu kämpfen hatte. Redlich arbeitete er, wie hinterlassene Aufzeichnungen beweisen, an seiner ethischen Vervollkommnung. – Bis zur Begeisterung empfänglich für jedes Schöne in jeder Kunst besaß er ein seltenes selbst die Künstler überraschendes Verständniß für die Kunstschöpfungen. Ganz besonders trat dies in der Musik hervor. Beethoven und alte Kirchenmusik verschafften ihm den größten irdischen Genuß. Nicht minder ausgeprägt war sein Sinn für die Schönheiten der Natur, die er alle, sowohl die großen wie die kleinsten, poetisch aufzufassen wußte. – Sein weiches Gemüth offenbarte sich nicht bloß seiner Familie und seinen Freunden gegenüber, sondern auch aller leidenden Menschheit. Stets war er bereit den Dürftigen zu helfen und sich an wohlthätigen Anstalten zu betheiligen. Bei jedem Menschen setzte er das Beste voraus und kannte keinen Argwohn. Kein Wunder, daß daher seine Güte und Freigebigkeit oft misbraucht wurden. Mit lebhafter Phantasie und rascher Auffassungsgabe verband er ein eminentes Gedächtniß. – Was ihm an freier [267] Zeit nach Erfüllung seiner Berufspflichten übrig blieb und er nicht der Familie widmete, in deren Kreise er sich am glücklichsten fühlte und in welchem er sich dem Genuß der Natur, der Kunst und dem Vorlesen poetischer Werke hingab, verwandte er zu schriftstellerischer Arbeit und zum Studium der Litteratur. Nicht bloß was von seinem Fach im Inlande und Auslande werthvolles erschienen war, las er, nein auch in den Naturwissenschaften, in der Philosophie, in der schönen Litteratur entging ihm keine nur irgend bedeutende Leistung. So erwarb er sich einen Reichthum von Kenntnissen, der einen jeden, welcher mit ihm verkehrte, in Erstaunen versetzen mußte. – Wenn er einerseits das Concrete stets unter einem allgemeinen Gesichtspunkte auffaßte, so wußte er andererseits jedem Gegenstande, der sein Interesse erweckte, eine unbeobachtet gebliebene Seite abzugewinnen und an manchen praktische Vorschläge zu knüpfen. So konnte es nicht fehlen, daß ein Gespräch mit ihm belehrend und anregend wirkte. – Gespräche über Politik vermied er so viel als möglich, nicht weil es ihm an Interesse mangelte, sondern weil er sie für unerquicklich und leicht zum Streit führend hielt. Er war durch und durch deutsch gesinnt, dabei aber auch ein guter Preuße. Sorgenvoll hatte er den unglücklichen Ausgang des Krieges im J. 1806 vorhergesehen und den wärmsten Antheil an der Neugestaltung Preußens genommen, ohne sich jedoch dem Tugendbunde unmittelbar anzuschließen. Wie so viele andere Männer, die über die Befreiung Deutschlands von der französischen Herrschaft frohlockt hatten, wurde auch er tief betrübt, als die Hoffnung auf eine constitutionelle Verfassung nicht in Erfüllung ging, und schwer vermochte er bittere Worte gegen die reactionäre Richtung der Regierung privatim und öffentlich zurückzuhalten. Obgleich seine liberale Gesinnung, in der er mit E. M. Arndt übereinstimmte, ihn zu der Zeit der Demagogenverfolgung nach oben hin unbeliebt machen mußte, so wurden ihm jedoch noch vor dem Jahre 1830 Auszeichnungen für seine Verdienste nicht vorenthalten. Er erlebte noch das Jahr 1848 und freute sich innig über die Freiheiten, welche es dem Volke brachte. Hoffnungsvoll sah er von da an der politischen Zukunft Deutschlands entgegen.

Was nun seine Thätigkeit als Lehrer, als Arzt und als Arbeiter in der Wissenschaft anbelangt, so dürfte in ersterer Beziehung es gerechtfertigt sein, die Art und Weise, wie er seine Schüler zu tüchtigen praktischen Aerzten heranzubilden verstand, etwas näher zu beleuchten, da sein Verfahren sich wesentlich von dem unterschied, wie es in Frankreich und in England und zum Theil auch noch in Deutschland üblich ist. Nicht darin bestand sein Unterricht, daß er Vorträge über die einzelnen Krankheitsfälle der Klinik hielt, sondern daß er die Studirenden zu eigener Thätigkeit anleitete. Er forderte zunächst von den Klinicisten eine genaue Untersuchung der denselben zuertheilten Kranken. Schon in der propädeutischen Klinik, die er zuerst in das Leben gerufen hat, wurde der junge Mediciner in der Beobachtung und Untersuchung geübt, namentlich in dem Gebrauch des Stethoskops, das in keiner deutschen Klinik früher als in der Bonner zur Anwendung gekommen war. Ein jeder Practicant hatte von dem ihm überwiesenen, in der Klinik liegenden Kranken eine ausführliche Krankheitsgeschichte mit Begründung der Diagnose und mit motivirtem Kurplan auszuarbeiten, ebenso eine Krankheitsgeschichte mit Sectionsbefund von jedem außerhalb des Hospitals gestorbenen Kranken. An die Vorlesung der Berichte schloß sich dann eine belehrende Debatte, an der sich jeder der Practicanten betheiligen konnte. – Unter Aufsicht des Directors und der Assistenten führten die älteren Klinicisten die Behandlung der Kranken des ihnen überwiesenen Bezirks der Stadt und des städtischen Weichbildes so selbständig als irgend möglich. Dafür wurde aber auch von ihnen eine sorgfältige Ueberwachung der Patienten gefordert und jede Vernachlässigung [268] auf das Allerstrengste gerügt. Dabei wurden sie angehalten in jedem Falle über die vorhandene Krankheit nachzulesen, und erhielten dazu die erforderlichen Bücher aus der klinischen Bibliothek und aus der reichhaltigen des Directors. Bei diesem konnten sie sich überhaupt zu jeder Stunde Rath holen. – So wurden die jungen Männer zu gewissenhaften Aerzten herangebildet. Sie wurden gelehrt, den Kranken nicht bloß als ein Object der Wissenschaft, sondern als einen der Hülfe bedürftigen Mitmenschen anzusehen. N. hielt es für seine Pflicht, ihnen die ethische Seite des ärztlichen Standes recht an das Herz zu legen. Und seine Mühe ward durch die große Anhänglichkeit der Schüler, welche auch die schärfste Rüge als wohlgemeint erkannten, belohnt. Sie sahen in ihm nicht bloß den Lehrer, sondern auch den väterlichen Freund, der für jeden einzelnen eine persönliche Theilnahme besaß. – Auch in der Wissenschaft bemühte sich N., die jungen Männer zu eigenen Arbeiten anzuregen, sei es zur Zusammenstellung des schon Bekannten, sei es zur selbständigen Forschung. Letzteres war besonders da der Fall, wo er wissenschaftlichen Eifer und Talent erkannte. Unter seinen auf diesen Weg geführten Schülern bezeugten der berühmte Physiologe Johannes Müller und der geniale Chirurge Dieffenbach wiederholt ihre Dankbarkeit für den ihnen gegebenen Impuls zu wissenschaftlichen Arbeiten.

Was N. als Arzt auszeichnete, war der Blick, mit welchem er den oft dunkelen Grund der Krankheiten auffand. Seine Behandlung war wesentlich auf Beseitigung des Grundleidens gerichtet. In Anwendung von Medicamenten war er höchst einfach, und jedes complicirte Recept, wie solche damals viel in Gebrauch waren, erregte in ihm den Verdacht von Ungründlichkeit. Seine den ganzen Menschen umfassende Beurtheilung trug dazu bei, ihn ganz besonders zu einem Arzte psychisch Gestörter zu qualificiren, bei deren Behandlung er in zweckmäßiger Weise die psychische mit der somatischen verband. – Ein jeder Kranker fühlte sich durch die warme Theilnahme gestärkt; solche, welche sich dazu eigneten, führte N. auch wohl in sein Haus ein. So kam es, daß manche der Genesenen mit ihm in andauernder freundschaftlicher Verbindung verblieben.

In seiner Stellung als Mann der Wissenschaft gründete er seine Anschauung überall auf Physiologie. Das körperliche Leben faßte er auf als eine auf einer specifischen Thätigkeit beruhende Entwickelung. Um das Wesen des kranken Lebens zu erkennen hielt er das Studium des normalen für das erste Erforderniß. Außer der physikalischen und chemischen Untersuchung während des Lebens und der anatomischen der Leiche benutzte er zur Lösung der schwierigen Aufgabe auch das Experiment an Thieren. Am Krankenbett betrachtete er als Aufgabe des Arztes die Aufsuchung des Zusammenhanges der gesammten pathologischen Erscheinungen. Als maßgebend für die Behandlung sah er den Zustand der Reizbarkeit und der Energie, den Kräftezustand des ganzen Körpers und des leidenden Organs an. – Diese physiologische Richtung hielt ihn fern von jeder leeren Speculation, wie er denn zu keiner Zeit ein Anhänger der Naturphilosophie war, und bewahrte ihn vor jeder Einseitigkeit, wie namentlich vor dem lange Zeit hindurch weit verbreiteten Brownianismus. Mit dem größten Eifer widmete er sich dagegen der Lectüre der medicinischen Werke der Franzosen und Engländer, deren exacte Beobachtung, pathologisch-anatomische Auffassung der Krankheiten und einfache auf Empirie gegründete Behandlungsweise ganz seiner Richtung entsprachen. – Unter den philosophischen Schriften waren es die von Herbart, welche ihn in späterer Zeit beschäftigten, und namentlich verwandte er auf dessen Psychologie ein eingehendes Studium. – So war es möglich, daß obgleich die Nachtseite in der Natur und im Seelenleben, überhaupt das Wunderbare ihn in hohem Grade anzog, sich doch in seinen wissenschaftlichen Arbeiten nichts davon entdecksn läßt. – Man kann N. seiner ganzen Stellung [269] nach als einen Vorläufer der neuen wissenschaftlichen rationellen Medicin betrachten, nur darf man dabei nicht übersehen, auf welcher niedrigen Stufe der Entwickelung sich damals noch die Physiologie, die physiologische und pathologische Chemie befanden, und daß die mikroskopische Anatomie noch nicht geschaffen war. Die Physiologie konnte noch keinen Anspruch machen auf den Namen einer exacten Wissenschaft, sie war wesentlich bloß eine beschreibende, in der das Experiment erst anfing ihren Charakter zu ändern, und die wichtigen wissenschaftlichen Principien dieses Jahrhunderts, das der Erhaltung der Kraft und der Umsetzung einer Kraft in eine andere waren noch nicht ausgesprochen.

Was nun insbesondere seine Leistungen in der Lehre von den Geisteskrankheiten oder, um seinen eigenen, seinen Standpunkt bezeichnenden, Ausdruck zu gebrauchen, von den psychischen Störungen anbelangt, so leitete er, sich zum Dualismus bekennend, dieselben von dem Erkranken des Körpers insofern ab, als dies die Seele in ihrer Thätigkeit, zu welcher sie des Körpers, vor allem des Gehirns als eines Werkzeuges bedarf, beeinträchtigt. Die Beziehungen des körperlichen Leidens zu den geistigen Störungen aufzusuchen betrachtete er als Aufgabe des psychischen Arztes. Zugleich war er bestrebt, die einzelnen Formen des Irreseins festzustellen. In Betreff seiner Behandlung derselben ist es unnöthig in das Einzelne einzugehen, da die Grundsätze, welche er nach dem Vorgange von Pinel vertheidigte, jetzt die fast allgemein angenommenen sind. Daß sie zur Geltung gekommen sind, daran hat N. keinen geringen Antheil.

Ein so reger Geist wie der seinige fühlte sich getrieben seine Erfahrungen und Anschauungen zu veröffentlichen. Zahlreich sind die von ihm erschienenen Aufsätze, Abhandlungen und selbständigen Schriften, vielfältig der Stoff, den er in denselben behandelte. Theils betrafen sie Gegenstände der Physiologie, pathologischen Anatomie, Pathologie und Therapie so wie der Psychiatrie, theils Gegenstände anderer Gebiete der Medicin, namentlich der Hygiene, ferner die Stellung der Aerzte im Staate, die er in einer größeren Schrift besprach. – Die Anfänge seiner schriftstellerischen Thätigkeit finden sich in dem Archive von Reil und in den von Reil und Hofbauer veröffentlichten Beiträgen. In dem Jahre 1815 trat er in die Redaction des zugleich mit Horn und Wagner herausgegebenen Archivs für medicinische Erfahrung. In der späteren Zeit lieferte er kleinere praktische Aufsätze in das Correspondenzblatt für die Aerzte Rheinlands und Westfalens, das er mit seinem Schüler H. Albers gründete, so wie einzelne größere Abhandlungen mehr physiologischen Inhalts in die mit seinem ältesten Sohne publicirten Beiträge zur Physiologie und Pathologie. – Unter den früheren Arbeiten zog seine Abhandlung über den Einfluß des arteriellen Blutes auf die Verrichtungen des menschlichen Körpers (über die Blausucht) besonders die Aufmerksamkeit auf sich, so wie später unter den kleinen selbständigen Schriften die über die Unterscheidung des Scheintodes von dem wirklichen Tode durch Untersuchung der Wärme des Magens (1841). Für die Studirenden verfaßte er „Anleitung zur Untersuchung der Kranken“ und Handbücher der speciellen Pathologie und Therapie, sowie der allgemeinen Therapie. – Die ersten Arbeiten über psychische Krankheiten fallen schon in die Jahre vor seiner Anstellung in Halle. Darauf gründete er 1818 die Zeitschrift für psychische Aerzte. Eine Zeit lang betheiligte er sich an der Herausgabe des Archivs für thierischen Magnetismus mit Eschenmeyer und Kieser, zog sich aber schon 1822 davon zurück, indem er die Mängel der theoretischen Auffassung und die zahlreichen Täuschungen bei der Beobachtung erkannte. Die Zeitschrift für psychische Aerzte erschien vom Jahre 1823 an auch unter dem Titel „Jahrbücher für Anthropologie“. Als dieselben eingegangen, verband er sich mit seinem Freunde Max Jacobi zur Herausgabe der Zeitschrift für Heilung und Beurtheilung [270] krankhafter Seelenstörungen. Auch später fuhr er noch fort mit Veröffentlichung von Arbeiten in diesem Fache, unter denen die über Behandlung der Irren durch Nichtärzte und über das bloß psychologische Verfahren in gerichtlicher Untersuchung abnorm psychischer Zustände zu nennen sind. Seine letzte Arbeit, welche die Therapie des Branntweinmißbrauchs betraf, wurde erst nach seinem Tode von seinem Sohne Werner fertig gestellt.

N. starb am 18. April 1851 in Marburg während eines Besuches bei seinem ältesten Sohne nach kurzem Krankenlager. Er hatte stets durch ein Hämorrhoidalleiden bedingte Beschwerden schmerzhafter Art ausgestanden, in den letzten Lebensjahren viel an Athmungsbeschwerden gelitten, aber bis zu seiner Abreise nach Marburg hatte er seine klinische Lehrthätigkeit fortgesetzt und seinen ärztlichen Beruf erfüllt und war ununterbrochen wissenschaftlich beschäftigt gewesen. Selbst auf seinem Sterbebette hörte er mit diesem nicht auf. – Er hinterließ eine mit ihm eng verbundene Ehegattin, vier Söhne, drei verheirathete Töchter und eine große Zahl von Enkeln.

Seine Leiche wurde nach Bonn übergeführt, um daselbst in dem Familienbegräbniß beigesetzt zu werden.