ADB:Richter, Christian Friedrich

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Artikel „Richter, Christian Friedrich“ von l. u. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 452–453, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richter,_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 08:05 Uhr UTC)
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Richter: Christian Friedrich R., geboren am 5. October 1676 zu Sorau in der Niederlausitz, wo sein Vater, Sigismund R., gräflich Promnitz’scher Rath und Kanzler war, studirte in Halle Theologie und Medicin. Schon als Student trat er August Hermann Francke nahe und empfing von ihm für seine ganze Lebensrichtung bestimmende Eindrücke. Nach kaum beendeten Studien stellte ihn Francke im J. 1697 als Arzt an dem von ihm gegründeten Waisenhause an; im folgenden Jahre, als sein älterer Bruder, Christian Albrecht R., welcher erst Jurist gewesen war und dann Medicin studirt hatte, die Stelle des Arztes zu übernehmen bereit war, ward unser R. von Francke zum Inspector des Pädagogiums, einer Erziehungsanstalt für Söhne aus besseren Familien, die Francke gleichfalls gegründete hatte, ernannt. Als dann aber sein Bruder und auch ein anderer Arzt schnell hintereinander im J. 1699 an einem bösen Fleckfieber starben, trat R. wieder in seine Stellung als Arzt zurück und zwar nun für die ganze Reihe der Franckischen Stiftungen. Sowohl seine Geschicklichkeit als seine Rechtlichkeit erwarben ihm immer mehr Francke’s volles Vertrauen. Oftmals besprachen sie sich darüber, wie wenig doch vermittelst der üblichen Medicamente namentlich bei schweren Krankheiten auszurichten sei; und R. sann auf neue und kräftigere Heilmittel. Da geschah es, daß im J. 1700 kurz hinter einander dem Waisenhause von einem Doctor Fischer (es ist wahrscheinlich der in der A. D. B. VII, 72 erwähnte Theologe D. Johann Fischer gewesen, der damals in Halle war) mehrere bisher unbekannte Recepte geschenkt und von einem Kranken, Namens Burgstaller, verschiedene Manuscripte über chemische Untersuchungen, in welchen man u. a. eine Anweisung zur Bereitung einer vorzüglichen Arzenei aus Gold finden werde, vermacht wurden. Francke sah hierin eine göttliche Fügung, und auf seinen Wunsch unternahm unser R. es, sich mit der Herstellung dieser Mittel zu befassen. Er wurde aus seiner Stellung als Arzt nun wieder entlassen (diese Stellung erhielt jetzt sein jüngerer Bruder, Christian Siegmund R., welcher früher Advocat gewesen war, dann Medicin studirt hatte und zuletzt als Nachfolger seines Bruders Inspector am Pädagogium gewesen war) und begann seine chemischen Versuche in einem besonders für ihn hergerichteten Laboratorium. Anfangs wollten ihm dieselben nicht gelingen; nach vielen Versuchen und Aufwendung nicht geringer Kosten gelang es, auch jenes besondre Mittel aus Gold herzustellen, welches man essentia dulcis nannte. Diese Goldtinctur und andere neu entdeckte Mittel erwiesen sich von außerordentlicher [453] Wirksamkeit; und so wurde diese Arbeit fortgesetzt und immer mehr ausgedehnt; und immer weiter verbreitete sich der Ruf dieser neuen Arzneien. Es erfolgten Bestellungen von auswärts; neue Laboratorien wurden angelegt, und die „Medicamentenexpedition“, der R. bis zu seinem Tode vorstand, hat dem Waisenhause dann auch bald eine ganz bedeutende Geldeinnahme gebracht. R. ward auch schriftstellerisch für diese Sache thätig; so gab er im J. 1705 heraus: „Kurzer und deutlicher Unterricht von dem Leibe und natürlichen Leben des Menschen nebst einem selectu medicamentorum zu einer kleinen Haus-, Reise- und Feldapotheke“, ein Werk, welches hernach immer wieder aufgelegt wurde und noch im J. 1791 in 17. Auflage unter etwas verändertem Titel („Die höchst nöthige Erkenntniß des Menschen sonderlich nach dem Leibe und natürlichen Leben“) erschien. Schon vorher hatte er über die essentia dulcis einen „Ausführlichen Bericht“ und „Merkwürdige Exempel“ der durch sie geschehenen Kuren veröffentlicht. Außer diese Schriften verfaßte er auch erbauliche Tractate und dichtete namentlich geistliche Lieder. Während seine Medicamente ihr Ansehen allmählich verloren haben, sind eine ganze Anzahl seiner geistlichen Lieder noch heute wohlbekannt und mehrere dürfen zu dem festen Bestand aller evangelischen Gesangbücher in Deutschland gezählt werden. Sie zeichnen sich durch eine eigenthümliche Verbindung tief christlichen, nicht immer leicht verständlichen Inhaltes mit einer durch eigenthümlich lebhafte Versmaße ansprechenden und gefälligen Form aus und nehmen unter den Liedern des älteren Pietismus eine hervorragende Stellung ein. Sie erschienen größtentheils zuerst im Freylinghausen’schen Gesangbuche von 1704; eine Anzahl auch nach Richter’s Tode im zweiten Theile dieses Gesangbuches 1714. Zu den noch heute allgemein verbreiteten gehören die Lieder: „Es glänzet der Christen inwendiges Leben“, „Hier legt mein Sinn sich vor dir nieder“, „Hüter, wird die Nacht der Sünden“, „O Liebe, die den Himmel hat zerrissen“ u. a. Nach seinem Tode erschienen seine erbaulichen Abhandlungen und seine sämmtlichen Poesien unter dem Titel: „Chr. Fr. Richter’s erbauliche Betrachtungen vom Ursprung und Adel der Seelen“ u. s. f., Halle 1718, 2. Auflage 1760. Er starb am 5. Octbr. 1711, wenn die obige Angabe über seinen Geburtstag richtig ist, gerade an dem Tage, an dem er 35 Jahre alt ward. „Er war ein wahrhafter Gottesgelehrter und ein gesegneter Arzt“, sagte Freylinghausen von ihm in der Predigt, die er bei seinem Begräbnisse hielt. – Leiter des Medicamenteninstitutes wurde nach seinem Tode sein schon genannter Bruder Christian Sigmund, der ihm auch schon während seines Lebens hülfreich zur Seite gestanden hatte, und nach diesem dessen Schwiegersohn David Samuel v. Madai (s. A. D. B. XX, 28). Ein Sohn und ein Enkel von Madai standen dem Institute dann bis zum J. 1851 vor; seitdem ist es mit der Apotheke der Francke’schen Stiftungen vereinigt.

Jöcher III, Sp. 2085. – Rotermund zum Jöcher VI, Sp. 2059. – Wetzel, Hymnopoeographia II, 330 ff. – Die Stiftungen August Hermann Francke’s in Halle. Festschrift u. s. f., S. 233–39, Halle 1863. – Bode, Quellennachweis, S. 133. – Goedeke, Grundriß, 2. Aufl. III, S. 204. – Koch, Geschichte des Kirchenliedes u. s. f., 3. Aufl., Bd. IV, S. 354. Die von Koch genannten Richter’schen Funebralia, Halle 1713, und ein populärer Auszug aus denselben, Berlin 1865, waren dem Verfasser dieses Artikels leider nicht zugänglich.