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ADB:Rieger, Philipp Friedrich

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Artikel „Rieger, Philipp Friedrich“ von Eugen Schneider in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 546–548, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rieger,_Philipp_Friedrich&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 22:43 Uhr UTC)
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Rieger: Philipp Friedrich R., als Sohn des nachmaligen Superintendenten Georg Konrad R. am 1. Oktober 1722 zu Stuttgart geboren, zeigte in seiner Jugend so treffliche Anlagen, daß er dem Vater zu Höherem als zu kirchlichen Stellen berufen schien. Nach kurzem Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen trat der 18jährige R. als Auditeur in dem preußischen Kürassierregiment von Rochow ein und galt bald für so geschäftstüchtig, daß ihm, wie er erzählt, im 2. schlesischen Krieg die wichtigsten Sachen anvertraut wurden. Vor Ausbruch des 7jährigen Krieges kam er nach Württemberg zurück und erhielt auf Fürsprache des einflußreichen Oberhofpredigers Fischer, dessen Tochter er ehelichte, eine Stelle als Hauptmann und Regimentsquartiermeister beim württembergischen Kreisdragonerregiment. Als 1756 Herzog Ludwig Eugen, ein Bruder des regierenden Herzogs, in französischen Diensten den Zug gegen Minorka [547] mitmachte, begleitet ihn R. als Adjutant und erwarb sich den Ruf eines trefflichen Soldaten. Kaum zurückgekehrt, fand er den Herzog Karl Eugen von Württemberg in einer sehr mißlichen Lage: ein mit Frankreich abgeschlossener Subsidienvertrag legte diesem die Verpflichtung auf, 6000 Mann in das Feld zu stellen, während kaum 2000 vorhanden waren. R., der sich durch seine Gewandtheit und Unterhaltungsgabe, wie sein stattliches Aeußere dem Herzog schon empfohlen hatte, verpflichtete sich, die fehlenden Truppen zu ergänzen und erhielt dazu unbeschränkte Vollmacht. Jetzt ging im ganzen Lande eine Jagd los auf alles, was über 18 Jahre alt war; aus den Betten und von den Kirchthüren weg schleppte man die Leute zusammen. Kein Wunder, daß vor dem Ausmarsch die Hälfte davonlief und daß, nachdem wieder fast alles gesammelt und nach Böhmen und Schlesien geführt war, das Heer namentlich durch Ausreißerei bis zum dritten Theil vermindert wurde. 1758 galt es, aufs neue die verabredete Anzahl Soldaten zu liefern, diesmal befahl R. die „Aushauser“ einzuziehen, die das Ihrige verthan haben oder bei denen Gefahr vorhanden sei, daß sie Verschwender werden; natürlich lief bei dieser Maßregel landesväterlicher Milde, wie sie R. nannte, viel Ungerechtigkeit mit unter. Noch in demselben Jahr wurde gar ein Subsidienvertrag auf 12 000 Mann abgeschlossen, ein Beweis, wie weit der Kreis der „Aushauser“ gezogen wurde. Es ist fast unglaublich, was R. in kurzer Zeit zu Stande brachte: gegen 20 neue Truppentheile wurden theils aufgestellt, theils wenigstens verstärkt, das Verpflegungswesen wurde neu geordnet. Und das alles, während nie Geld in der Kriegskasse war und mit den gewaltsamsten Mitteln erst beschafft werden mußte. R. war am 5. December 1757, nachdem er auch seine Stellung als Sachwalter des Herzogs Ludwig Eugen aufgegeben, zum Major und geheimen Kriegsrath ernannt worden, am 9. August 1758 mit dem Titel als Oberstlieutnant, dem 1760 der Rang eines Obersten folgte. Er stand an der Spitze der gesammten Militärverwaltung, machte sich aber auch durch Besorgung aller möglichen sonstigen Geschäfte, durch Förderung des Baues von Ludwigsburg, durch Dienste bei des Herzogs Liebeshändeln diesem unentbehrlich. So beherrschte er bald das Land und den Fürsten. Herrschsucht und Stolz waren überhaupt das Treibende in seinem Wesen; die Freude seines Herzogs an äußerer, besonders soldatischer Pracht war auch die seine. Deshalb stellte er sich jenem unbedingt zur Verfügung und lenkte ihn dadurch seinerseits. Aber bei aller Rücksichtslosigkeit und Strenge, mit der er verfuhr, bewahrte er sich doch den Ruf eines unbestechlichen Mannes und gab sich Mühe, das Gehässige vieler Maßregeln nicht auf den Landesherrn fallen zu lassen; für seine Officiere sorgte er manchmal in warmer Weise und auch dem Herzog gegenüber führte er nicht selten eine offene Sprache. Als dieser im Mai 1759 sein Heer auf 16 000 Mann vermehrt hatte, stellte ihm R. eindringlich vor, daß es bei dem völligen Mangel an Geld bald zur Zahlungseinstellung kommen müsse, und schlug, um des Herzogs Ehre zu retten, vor, daß der Aufwand allmählich vermindert werde. Des Herzogs Antwort lautete, daß er gewöhnt sein, nichts so Wichtiges zu unternehmen, ohne sich über die Ausführbarkeit vergewissert zu haben; er werde schon für Geld sorgen. Damit beginnt der Kampf Rieger’s mit dem neuen Günstling des Herzogs, dem gewissenlosen Grafen Montmartin. Diesem war es 1758 gelungen, württembergischer Staatsminister zu werden. Der Herzog, der immer Verschwörungen seiner Diener fürchtete, hatte R. verboten, mit Montmartin zu verkehren oder gar ihm über das Militärwesen Eröffnungen zu machen. Wenige Wochen nach Rieger’s Vorstellung wegen des Geldmangels trat Montmartin auf R. zu und sagte ihm, daß der Herzog ihn angewiesen habe, sich des Militärwesens anzunehmen; bald hörte R. zufällig, daß die Verwaltung der Kriegskasse ihm abgenommen und [548] dem Grafen übertragen sei. Schwer gekränkt, bat er den Herzog um Aufklärung und reichte, als diese nicht sogleich erfolgte, am 15. Juli 1759 seinen Abschied ein. Durch ein anerkennendes Schreiben des Herzogs und eine Art Ehrenerklärung, die ihm dieser ausstellte, ließ sich R. gerne zum Bleiben bewegen, um so mehr als Montmartin mit der Kriegskasse auch die schwierige Aufgabe übernommen hatte, diese zu füllen. Sobald aber der Krieg seinem Ende nahte, mußte auch der Minister auf Verminderung des Heeres dringen. Jetzt behauptete R. mit Rücksicht auf die große Vorliebe des Herzogs für das Militär und aus Haß gegen Montmartin, daß noch genug Geld vorhanden sei. Der letztere fürchtete, Rieger’s Einfluß könnte den seinigen wieder übersteigen; er holte zum letzten Schlage aus und spielte im November 1762 dem Herzog einen gefälschten Brief in die Hände, nach dem R. des geheimen Einverständnisses mit den heranrückenden Preußen schuldig schien. Wüthend mißhandelte der Herzog den Angeschuldigten auf der Parade und ließ ihn ohne Verhör auf den Asperg abführen, von wo aus er bald nach dem Hohentwiel in ein dumpfes Gefängnis gebracht wurde. Nach und nach erhielt er hier einige Erleichterungen, wurde aber erst am 27. December 1766 entlassen, nachdem er sich während der Gefangenschaft viel mit der Bibel beschäftigt und Kirchenlieder gedichtet hatte. Zunächst lebte er still in Stuttgart mit dem Titel eines dänischen Obersten, und wandte sich dann an seinen alten Gönner, Herzog Ludwig Eugen, nach Wasserloos. Allmählich bekam auch Herzog Karl wieder andere Gedanken über ihn; 1775 trafen sie durch Vermittlung der Herzogin Franziska auf der Solitude zusammen. R. wurde wieder in seine Ehren eingesetzt; bald erhielt er den Auftrag, Vorkehrungen für den Umzug der Karlsakademie von der Solitude nach Stuttgart zu treffen, 1776 wurde er Commandant des Asperg, wo er auch Schubart zu bewachen hatte, und starb dort, nachdem er noch zum Generalmajor ernannt worden war, am 15. Mai 1782 an einem Schlaganfall, den er sich durch seinen Aerger über die unartige Antwort eines Soldaten zugezogen. Seit der Hohentwieler Zeit trug er eine eifrige Frömmigkeit zur Schau. Schon in den Tagen des Glanzes und der Gewaltthätigkeit hatte er sich immer als vom besonderen Segen Gottes begleitet gerühmt, sein Leiden wie seine Erlösung nahm er aus seiner Hand hin; daß aber die Frömmigkeit nicht wirkliche Herzenssache geworden, beweist sein Benehmen gegen die Gefangenen, die er unter sich hatte, und seine Soldaten. Der jähe Wechsel in Rieger’s Geschick hat Schiller zu der dichterisch ausgeschmückten Erzählung „Spiel des Schicksals“ veranlaßt; auf den Tod dieses seines Pathen hat derselbe im Auftrag der württembergischen Generalität ein überschwängliches Gedicht geliefert.

Acten von der Hand Riegers. – Pfaff in Württemb. Jahrbüchern 1857, 199.[WS 1] – Sophronizon 1824, 2. 5. – Gegel, Beleuchtung einer Regierungsepoche des gegenwärtigen Regenten Württembergs, 1789.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. 2. Heft