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ADB:Rieger, Magdalena Sibylle

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Artikel „Rieger, Magdalene Sibylle“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 545–546, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rieger,_Magdalena_Sibylle&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:59 Uhr UTC)
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Band 28 (1889), S. 545–546 (Quelle).
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Rieger: Magdalene Sibylle R., gekrönte Dichterin, geboren in Maulbronn (Württemberg) am 29. December 1707, gestorben in Stuttgart am 31. December 1786. Sie war die Tochter des damaligen Klosterpräceptors Philipp Heinrich Weißensee und der Maria Dorothea geb. Schreiber. Das schwächliche zartgebaute Kind, das von der Geburt an eine Neigung zu Kopfweh hatte, welche Zeitlebens währte, und dessen Gesundheit in frühester Jugend durch die Unruhe und das Elend der Franzoseneinfälle in ihrem Heimathlande einen heftigen Stoß erlitten, war geistig reich beanlagt, lernte leicht, trieb gern Musik und Poesie, besaß auch ein weitgehendes Interesse für die classischen Wissenschaften; nach dem frühen Tode ihrer zwei Brüder wurde sie von ihrem Vater wie ein Sohn unterrichtet und sie entsprach völlig der auf sie verwendeten Sorgfalt, ohne daß sie aber je die widerwärtigen Eigenschaften einer gelehrten Frau angenommen hätte. Noch nicht 16 Jahre alt, heirathete sie am 31. August 1723 in Blaubeuren, wo ihre Eltern seit März 1708 waren, den Vogt Immanuel Rieger (Bruder von Konrad Georg, s. d. Art.), einen tüchtigen frommen Mann. 1730 kam ihr Mann nach Calw, 1731 als Amtsvogt nach Stuttgart, wohin ihr Vater als Prälat von Hirsau und Consistorialrath versetzt worden war; auch ihre Schwester Maria Dorothea, seit 1729 mit Stiftsdiakonus Christoph Friedrich Stockmaier verheirathet, traf sie dort wieder. Ihre Kränklichkeit hatte sich nicht verloren, die Badeaufenthalte in Wildbad und Teinach hatten keine Wirkung, ihre oft beinahe unerträglichen Schmerzen suchte sie im Gebet, im Lesen von dichterischen Werken und in eigenen Gedichten, wozu sie eine natürliche Anlage trieb, zu vergessen. So kam sie mit dem Hofrath Dr. D. Wilh. Triller, dessen poetische Betrachtungen sie entzückten und von dessen ärztlicher Kunst sie Linderung ihrer Leiden hoffte, 1742 in einen poetischen Briefwechsel, welcher dazu führte, daß sie ihrem Gönner, auf dessen Wunsch, eine größere Anzahl ihrer Dichtungen zusandte, welche er ohne ihr Wissen herausgab unter dem Titel: „Frauen M. S. Riegerin Versuch einiger geistlichen und moralischen Gedichte“ 1743. Dieselben erregten durch die Kraft der Sprache und durch den Schwung, der in manchen hervortrat, Aufsehen und brachten der bescheidenen Frau hohes [546] Lob. Die Universität Göttingen krönte sie kraft des ihr von Kaiser Karl VI. verliehenen Privilegiums durch den damaligen Prorector Johann Andreas Segner zur kaiserlichen Dichterin (28. Mai 1743), und die deutsche Gesellschaft in Göttingen erwählte sie am 1. Juni 1743 zu ihrem Mitgliede. Die durch das Lob ebenso überraschte als erfreute Dichterin fuhr in ihren poetischen Versuchen fort, blieb aber stets in der ihrem Talente angemessenen und von ihr selbst richtig erkannten und eingehaltenen Schranke. Ihr „Saitenspiel blieb Gott allein geweiht“, der ernste religiöse Ton, der stark pietistisch angehaucht ist, aber durchaus nichts süßliches enthält, klingt auch aus ihren anderen Dichtungen stets sehr deutlich hervor: es waren dies Gelegenheitsgedichte an Freunde und Bekannte, auch an fürstliche Personen, gern correspondirte sie auch in Versen mit ihren Freunden, deren Zahl in und außer Württemberg sehr groß war (z. B. mit C. K. L. v. Pfeil, s. A. D. B. XXV, 646); 1743 überreichte sie ihrem Manne, welcher ihre dichterische Gabe sehr liebte und förderte, einen poetischen Lebenslauf, welcher die Hauptquelle für die Kenntniß ihrer Schicksale ist. Freilich steckt viel gereimte Prosa in diesen Gedichten, hervorragendes hat R. in keiner Weise geleistet; ihre besten Gedichte sind die zuerst erschienenen 67 andächtigen Sonntagsübungen, Gedichte auf die sonn- und festtäglichen Perikopen des Kirchenjahres; unter diesen finden sich einige recht schwungvolle, die jetzt noch Werth und Geltung haben; sonst bewegt sie sich meistens in dem steifen Gewande der damaligen Sprache, erbaulich oder moralisirend. Die humoristische Ader ist ihr doch nicht ganz fremd, wie ihre Verherrlichung des Kaffees beweist. – Harte Schicksale trafen sie in der zweiten Hälfte ihres Lebens. 1740 wurde ihr Vater, welchen man für betheiligt an der von Herzog Alexander geplanten Restauration des Katholicismus in Württemberg hielt, nach Denkendorf versetzt, 1758 wurde ihr Mann, der seinen Schwiegervater zu dessen Geburtstag besucht hatte, dort von einem Schlaganfall betroffen, der ihm nach zwei Tagen (8. Februar) das Leben raubte (s. Denkmal der Liebe ihrem Ehemann aufgerichtet von M. S. R. 1758). Von ihren 8 Kindern waren 3 Söhne in zartem Alter gestorben, 1763 starb ihr Schwiegersohn, 1767 starb ihr Vater hochbetagt, 1770 starb Dekan Burk von Kirchheim, mit welchem sie in den letzten Jahren viel verkehrt, besonders auch über religiöse Dinge correspondirt hatte. Die Nachrichten über ihren Lebensabend sind außerordentlich dürftig, es ist auch nicht bekannt, ob sie fortfuhr zu dichten, jedenfalls wurden keine Gedichte von ihr weiter herausgegeben, die Zeitströmung war eine andere geworden. Am letzten Tag des Jahres 1786 starb sie. Ihr Bild zeigt ein schmales, nicht unangenehmes Gesicht mit hoher Stirne, klaren Augen, starker Nase und freundlichem Munde. – Eine 2. Sammlung „Geistlicher und moralischer, auch zufällig vermischter Gedichte“ erschien 1746.

Glöckler, Schwäbische Frauen, Stuttgart 1865.