ADB:Roller, David Samuel
Wilhelm v. Kügelgen’s „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ bekannt geworden, der darin seinem Lehrer ein schönes Denkmal gesetzt hat.
Roller: David Samuel R., ein eigenartiger sächsischer Pfarrer, geboren am 25. December 1779 zu Heynitz bei Meißen, † am 26. August 1850 zu Lausa bei Dresden. Sein Wesen und Wirken ist auch weiteren Kreisen besonders durch das BuchR. ist ein Pfarrerssohn, das achte von neun Kindern. Trotz aller Armuth der Eltern verlebte er auf dem ländlichen Pfarrhofe eine glückliche Jugend. Nach dem frühen Tode des Vaters (1784) zog die Mutter, nachdem sie vorübergehend in dem Städtchen Nossen sich aufgehalten hatte, in ein kleines Bauernhäuschen des Dorfes Söbrigen bei Pillnitz an der Elbe. Im Sommer hütete ihr jüngster Sohn David die eine Kuh, die sie hatten, lernte Fischen und das Beschneiden der Weinstöcke, das bis in sein hohes Alter eine angenehme Beschäftigung für ihn war. Der Pfarrer des Nachbardorfes ließ dann den begabten Knaben zusammen mit seinen zwei Knaben unterrichten, sodaß er das Maturitätsexamen ablegen konnte. Ein Graf v. Hohenthal ermöglichte ihm das Studium der Theologie auf der Universität Leipzig. Nur unter den allergrößten Entbehrungen, die ihm seine Armuth auferlegte, vollendete es R. Fünf Jahre lang war er dann Hauslehrer in der Familie v. Heynitz, der er auch viel verdankte und zeigte hier schon sein erzieherisches Geschick und seinen praktischen Lebensverstand. 1804 errichtete er in Dresden ein Erziehungsinstitut für Knaben. Seine Anstalt erlangte einen gewissen Ruf. Eigenthümlich war seine Weise des Unterrichtes. Um Aufmerken, Pünktlichkeit, Ordnung, Gehorsam zu lehren und zugleich körperliche Uebung zu gewähren, versah er seine Zöglinge mit Gewehren und ließ sie militärisch ausbilden. Theodor Körner war einer seiner Zöglinge, dessen Dichtergabe R. frühzeitig erkannte. Beim Abschied ließ er sich von ihm in die Hand geloben, seine Gaben nie gegen das Christenthum gebrauchen zu wollen. 1807 ward er Pfarrer zu Döbernitz, und 1811 wurde er in die Gemeinde Lausa, einem kleinen, hinter ausgedehnten Kiefernwaldungen liegenden Dörflein in der Nähe Dresdens, berufen. Hier blieb er bis zu seinem Tode im J. 1850. Fast alle seine Geschwister hatte er immer um sich. Erst in seinem 67. Lebensjahre verheirathete er sich. In langen Friedensjahren wie in den bösen Kriegsjahren 1809–1813 ist er seiner Gemeinde ein Mann des Segens geworden, dessen Name noch heute dort in Ehren gehalten wird. Im Schatten seiner Kirche liegt er begraben. Oberhofprediger D. Harleß in Dresden hielt ihm die Grabrede.
Er war, wie Kügelgen schreibt, „ein Mann von sonderbarem Außenwerk und oft verkanntem inneren Werte – doch ein Edelstein von reinstem Wasser“ (S. 282); wir würden sagen ein „Original“, doch im edlen Sinne des Wortes. Ein persönlich frommer Mann mit einem Herzen voll Liebe, ein strenger Lutheraner, ein volksthümlicher Prediger, auch dichterisch begabt, ein treuer Seelsorger, ein feinsinniger Liturg, dabei durchaus praktisch in den Dingen dieser Welt – das war er, kurz, ein Wohlthäter seiner Gemeinde. Er verstand sich trefflich auf die Obstzucht, pflanzte unzählige Bäume, wo nur Raum da war, und gab jedem seiner Confirmanden einen Obstbaum mit; er schrieb selbst ein Schriftchen „von den schädlichen Obstraupen und den sichersten Mitteln, sie zu vertilgen“; er wußte ganz besonders Bescheid um den Weinbau, pflanzte [450] auch da überall Stöcklinge an und war der wohlfeile Winzer in seinem Dorfe und andern Dörfern; er hielt „Kindergottesdienste“, schrieb auch darüber ein Buch „Kinderkirche“ und erließ eine Aufforderung an die Stadträthe, „Kindergottesdienste“ einzurichten – und das in einer Zeit, wo noch niemand sonst daran dachte. Er pflegte in seiner Erziehungsmethode schon damals das, was später sich an den Namen „Fröbel“ knüpft und empfahl es öffentlich in seiner „Spielschule“; er war unter den Stiftern der „sächsischen Bibelgesellschaft“, die in Dresden am 10. August 1814 gegründet wurde; er half der „Heidenmission“, die sich 1821 in Dresden Freunde gewann, mit einen Weg bahnen; er erweckte Liebe und Verständniß für das „Diakonissenwesen“ und das Dresdener „Diakonissenhaus“. Vor allem aber wurde er bekannt und verehrt und verdächtigt durch seine Heilmittel gegen die Epilepsie. Es war dies ein Pulver aus der Asche von Elsterknochen bereitet. Die Vögel mußten aber in den „heiligen Zwölfnächten“ geschossen sein. Man wandte sich an ihn aus England, Rußland, Frankreich und Nordamerika. In einem Jahre schrieb er gegen tausend solche „Pulverbriefe“, wie er sie nannte und erhielt jährlich an 200–300 Elstern aus allen Ländern zugeschickt. Von 6000 Kranken, die sich an ihn in 22 Jahren wandten, sind bestimmt – wie er schreibt – 2000 genesen. Er hielt streng darauf, daß er nicht einen Pfennig Geld, auch kein Geschenk dafür annahm; er wollte nur aus dienender Liebe helfen. Sein Mittel gegen diese Krankheit besitzt jetzt das Dresdener Diakonissenhaus.
Schriften: „Spielschule zur Bildung der fünf Sinne für kleine Kinder.“ Ohne Namen des Verfassers erschienen. Dresden 1806. Mit 1 Kupfertafel. „Christliches Gesangbuch oder Sammlung von 784 meist alten Kernliedern der evangelischen Kirche, nach den Festzeiten und der Heilsordnung eingetheilt. Nebst Gebeten und einer Nachricht von den Verfassern.“ Leipzig 1830 (12 Lieder darin von R. selbst gedichtet). Die anderen kleinen Schriften über das „Angeln“, über „Vertilgung der Raupen“, das „Wetterbüchlein“ und die „Kinderkirche“ konnte ich nicht erlangen.
- Mg. A. Blüher, David Samuel Roller’s Leben und Wirken. Dresden 1852. – (Wilh. v. Kügelgen), Jugenderinnerungen eines alten Mannes. 15. Aufl. Berlin 1892, S. 282 ff., 418 ff. – A. H. Rühle, David Samuel Roller, Lebensbild eines sächsischen Pfarrers. Leipzig 1878.