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ADB:Körner, Theodor

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Artikel „Körner, Theodor“ von Fritz Jonas in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 714–721, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%B6rner,_Theodor&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 14:52 Uhr UTC)
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Band 16 (1882), S. 714–721 (Quelle).
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Körner: Karl Theodor K., Dichter, geb. zu Dresden den 23. September 1791, Sohn Christian Gottfried Körner’s und der Frau Maria K. geb. Stock (s. o.). In den ersten Lebensjahren war er schwächlich, doch stärkte sich sein Körper durch turnerische Uebungen und häufigen Aufenthalt in freier Luft. Seine geistige Ausbildung durfte nicht übereilt werden und er lernte manches später als andere Kinder. Aber schon früh zeigten sich bei ihm als charakteristische Züge: „ein weiches Herz, Festigkeit des Willens, treue Anhänglichkeit an diejenigen, die seine Liebe gewonnen hatten, und eine leicht aufzuregende Phantasie.“ Weniger leicht war es, für das eigentliche Lernen seine Aufmerksamkeit zu fesseln, zumal im sprachlichen Unterricht, wohingegen er zur Geschichte, Naturkunde und Mathematik größere Neigung und Begabung zeigte. Geschickt mit Hand, Auge und Ohr übte er sich gern in feinen Drechslerarbeiten, im Zeichnen und in der Musik. Vor Allem aber zog ihn schon seit den frühesten Jahren ein herrschender Trieb zur Dichtkunst. Schiller und Goethe, die nahen Freunde des Vaters, waren natürlich auch die Lieblingsdichter im elterlichen Hause, und Schiller’s Balladen waren wol die ersten Gedichte, die der Knabe las. Mächtig wirkten sie auf sein empfängliches Gemüth ein und sein musikalisches Ohr faßte auch den Klang und den Tonfall der Schiller’schen Sprache früh auf und verlor ihn nie wieder, so daß noch später dem Dichter die Recensenten seiner Dichtungen ein „Schillern“ in der Sprache zum Vorwurfe machten. Nur kurze Zeit hindurch besuchte er die Kreuzschule in Dresden. Hauptsächlich wurde er durch treffliche Privatlehrer unterrichtet. Als solche sind bekannt: Küttner, der 1802 nach Yverdun zu Pestalozzi reiste, Dippold, der später als Historiker bekannt geworden, Fischer, ein Mathematiker, der nachmals einem Rufe als Professor an die sächsische Ritterakademie folgte, und „als Lehrer des Christenthums“ Roller, der spätere Pfarrer in Lausa, über dessen pädagogische Methode Kügelgen in den „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ ergötzliche Mittheilungen gegeben hat. – In der Mitte des 17. Lebensjahres verließ K. das elterliche Haus und bezog die Bergakademie in Freiberg, um sich zu dem frei von ihm gewählten Berufe eines Bergmannes vorzubereiten. Lockte den phantasievollen jungen Dichter anfangs zu diesem Berufe mehr die eigenthümliche Poesie des Bergmannslebens, wie sie ihm vielleicht durch Novalis erschlossen war, so erfuhr er bald, daß der praktische Dienst für ihn minder anziehend sei und weniger ideal, als er sich gedacht. Dagegen übten die bergmännischen Hilfswissenschaften, wie Mineralogie und Chemie einen immer wachsenden Reiz auf ihn aus, um so mehr, da der Bergrath Werner und der Professor Lampadius sich des geistesfrischen, begabten Studenten mit besonderer Freundlichkeit annahmen. Auch gewann er unter den Studirenden Freunde, die durch ihren Eifer und ihre Bildung günstig auf seine Entwickelung einwirkten. So verlebte er in Freiberg zwei glückliche Jahre vom [715] 10. Juni 1808 bis zum 28. Juni 1810. Auch blieb er während dieser Zeit in engster Verbindung mit dem elterlichen Hause. Zwischen ihm und den Eltern, der einzigen Schwester Emma und der Tante Dora Stock ward ein reger Briefwechsel geführt, und die Nähe Freibergs bei Dresden ermöglichte es dem jungen K., zu den kleinen häuslichen Festen seiner Familie fast allemal hinüber zu reisen. Auch andere kleine Ferienreisen unterbrachen den Aufenthalt in Freiberg, und besonderen Genuß gewährte eine Studienreise in die Oberlausitz und die schlesischen Gebirge vom 12. August bis zum 22. September 1809. Der Graf v. Geßler, ehemaliger preußischer Gesandter in Dresden, mit dem Körner’s Vater in vieljähriger, freundschaftlicher Verbindung stand, lebte damals in Schlesien. Er und der preußische Oberbergrath v. Charpentier gaben dem jungen Mineralogen vollständige Auskunft über die für sein Studium besonders merkwürdigen Gegenstände und verschafften ihm zugleich alle Erleichterung, um sie mit Nutzen zu betrachten. Eingeführt von dem Grafen v. Geßler wurde er von dem Grafen zu Stolberg in Peterswalde und von dem Minister Grafen Reden in Buchwald mit Wohlwollen aufgenommen; die großen und reizenden Naturscenen wirkten mächtig auf sein empfängliches Gemüth, und er rechnete seinen Aufenthalt in Schlesien zu den glücklichsten Tagen seines Lebens. Seine Gefühle darüber hat er in einigen Gedichten ausgesprochen.

Ueberhaupt trat seit dieser Zeit sein Hang und sein Beruf zur Dichtkunst immer entschiedener zu Tage. Schon im J. 1810 gab er unter dem Titel „Knospen“ eine kleine Sammlung lyrischer Gedichte bei Göschen heraus. Auch sah der Vater mit Genugthuung, wie trotz aller jugendlichen Ausgelassenheit sich in dem Charakter des Sohnes allmählich mehr Ernst und Tiefe bemerkbar machten und mit Eifer trat er für einen Plan des Sohnes ein, ein Taschenbuch für Christen zu begründen, in dem historische Aufsätze über die Zeiten religiöser Begeisterung, geistliche Sonette und Lieder und poetische Ergreifungen einzelner Stellen der Bibel vereinigt und mit Kupferstichen geschmückt werden sollten. Die Verwirklichung des Planes scheiterte leider an der Schwierigkeit einen geeigneten Redacteur für das Ganze zu gewinnen, nachdem Schleiermacher wegen Mangels an Zeit sich nicht dazu hatte bereit finden wollen.

Inzwischen hatte Theodor Ende Juni 1810 Freiberg verlassen. Es war der Plan gewesen, er solle nunmehr die neue Universität in Berlin besuchen. Doch endigten die Vorlesungen in Freiberg zu spät, als daß Theodor für dieses Sommerhalbjahr noch hätte eine Universität beziehen können, und inzwischen verschob er den Plan nach Berlin zu gehen, um vorher wenigstens ein Semester hindurch noch in Leipzig, der Heimathsstadt seines Vaters, zu studiren, wo noch mehrere Freunde und Verwandte der Eltern wohnten. Nachdem er den Juli mit den Eltern in Karlsbad verlebt hatte, siedelte er Anfang August nach Leipzig über. Im Herbst verbrachte er noch einige genußreiche Wochen in Löbichau, dem Schlosse der Herzogin Dorothea von Kurland, seiner Pathe, wo er im Verein mit anderen Gästen der Herzogin eine Art poetischer Abendzeitung, „Die Theeblätter“, zusammenstellte, die nur handschriftlich erschienen und allein für die dortige Gesellschaft bestimmt waren. Am 8. October ließ er sich unter die Zahl der Leipziger Studenten aufnehmen. Schon im September war er in eine ästhetische Gesellschaft „Makaria“ als Mitglied eingetreten, und schon von Freiberg her hatte er Beziehungen zu Leipziger Studenten, die ihn in die Landsmannschaft der Thüringer einführten. Er fand das Studentenleben in Leipzig in einer schweren Krisis, die Leidenschaften hoch erregt. Die Landsmannschaften lagen im Streit mit einer Gesellschaft adliger Studenten, die Sulphuria oder Schwefelbande getauft wurde. K. betheiligte sich an den Streitigkeiten und mußte nach einem Duell, um einer [716] drohenden langen Untersuchungshaft und harten Strafe zu entgehen, am 23. März 1811 heimlich aus Leipzig entfliehen. Der nachträglichen Relegation entging er freilich nicht, doch konnte er einstweilen in Berlin, wohin er sich begeben hatte, immatriculirt werden und seine Studien beginnen. Kaum aber hatten die Vorlesungen angefangen, als er an einem Wechselfieber erkrankte, auf ärztliches Anrathen die Studien abbrach und, sobald die Krankheit es gestattete, nach Dresden zurückkehrte, von wo er im Juli wiederum mit den Eltern nach Karlsbad reiste. Bald war er völlig wiederhergestellt, aber das Semester war verflossen und für die Zukunft schien es nach der nunmehr ausgesprochenen Leipziger Relegation Körner’s zweifelhaft, ob ihn auch nur eine der anderen deutschen Universitäten aufnehmen werde. Dazu kam, daß er aus seinen früheren Studien durch das flotte Studentenleben in Leipzig und durch die Krankheit im Sommer 1811 herausgerissen war und bei erhöhter poetischer Schaffenslust den Eifer zu wissenschaftlicher Arbeit mehr und mehr verlor. Nicht ohne Sorge sah der Vater in die Zukunft, wenn ihn auch der väterliche Stolz auf des Sohnes Talente und das Vertrauen zu seiner guten Natur nie völlig verließ. Zunächst entschied er sich dafür den Sohn nach Wien reisen zu lassen, wohin er ihm Empfehlungen an W. v. Humboldt und Friedrich Schlegel mitgeben konnte. Er hoffte, Theodor würde dort zu wissenschaftlicher Arbeit angeregt werden und in der Großstadt wenigstens nicht wieder in das wilde studentische Leben hineingerathen. Diese Hoffnungen betrogen den Vater auch nach keiner Richtung. Die Freunde nahmen sich gern und herzlich des talentvollen, lebensfrischen Jünglings an, Theodor fühlte sich bei ihnen wohl und fand in der großen Stadt auch außerdem vielseitige Anregung, und die harmlos fröhliche Leichtlebigkeit der Wiener ließ ihn in der fremden Stadt bald heimisch werden. In Kurzem sehnte er sich gar nicht mehr in das Studentenleben zurück, wünschte, in Wien wenigstens den nächsten Winter hindurch noch bleiben zu dürfen, und zeigte sich willig, des Vaters treuen Mahnungen Folge zu geben, und über seinem Hange zur Dichtkunst ein Berufsstudium nicht zu vergessen. Der Vater war sich wohl bewußt, daß ein kluger Pädagoge nicht immer allgemeinen Ideen, am wenigsten den hergebrachten, folgen müsse, sondern schlug eigene auf den individuellen Charakter des Sohnes berechnete Wege ein. Der innere Beruf des Sohnes zur Dichtkunst war weder zu verkennen noch zu unterdrücken. Es galt nur denselben davor zu bewahren, die Sicherstellung seiner äußeren Existenz von der Einträglichkeit seiner poetischen Produkte abhängig machen zu müssen. Deshalb rieth ihm der Vater, entweder seine naturwissenschaftlichen Studien fortzusetzen oder auch die Geschichte zu studiren. Der Sohn entschied sich für das letztere und war auch nach W. v. Humboldts Zeugniß wirklich nicht müßig und trieb eifrig Geschichte, freilich leider fast immer nur zu dem bestimmten Zwecke, um Stoffe zu dichterischen Compositionen zu suchen. „Es ist aber natürlich“, fügt Humboldt hinzu, „daß nur ein gleichsam uneigennütziges, frei durch das Interesse am Gegenstande geleitetes Studium den wahren inneren Gehalt geben kann.“ Ein Großes aber hatte der Vater immerhin durch die Freiheit, die er dem Sohne ließ, erreicht: die unbedingte Liebe und das völlige Vertrauen des Sohnes, der aus aufrichtigem Herzen dem Vater am Weihnachtstage 1811 schrieb: „Wir wissen und bewahren es treu, wie es unter uns steht. Du hast aus dem Sohne Dir den Freund gemacht und kindliche Liebe ist zu männlichem Vertrauen gereift.“ Und zugleich reifte in dem Sohne der Ernst; jetzt dachte er anders als ein Jahr vorher in Leipzig und des Vaterlandes Noth ergriff ihn in innerster Seele. Die Furcht vor Excessen, falls er die Universität Göttingen beziehen sollte, schreibt er am 6. Januar 1812, sei ungegründet. „Zwar werde ich das, was ich glaube und fühle, gern zu jeder [717] Stunde auch mit dem Blute besiegeln, dazu hast Du mich erzogen, und mein Wort, Vater, lieber auf dem Schilde als ohne ihn, aber Studentengeschichten habe ich satt, und wegen solcher Spielereien will ich mein gutes Leben nicht wieder in die Schanze schlagen. – So mein Plan für die Zukunft. – Er könnte nur durch den Krieg mit Preußen geändert werden, wo ich, wenn die Sache je ein insurrectionsartiges Ansehen erhielte, meine deutsche Abkunft zeigen und meine Pflicht erfüllen müßte. Man spricht so viel von Aufopferung für die Freiheit und bleibt doch hinter dem Ofen. Ich weiß wohl, daß ich der Sache den Ausschlag nicht geben würde, aber wenn jeder so denkt, so muß das Ganze untergehen.“ In demselben Briefe hatte er auch dem Vater seinen Plan für die nächste Zeit in Wien und seine Meinung über seinen Beruf offen dargelegt: „Uebrigens habe ich eigentlich die Idee, diesen Winter das Wiener Theater und meine Muße zu dem Beginnen meiner dramatischen Laufbahn zu benutzen. Geradezu, ich überzeuge mich alle Tage mehr, daß eigentlich Poesie das sei, wozu mich Gott in die Welt geworfen. Mein ganzes Geschichtsstudium habe ich blos der Poesie wegen gewählt, weil sie mit ihm in der höchsten Vereinigung steht, und ohne ihr gründliches Studium die andere nicht zur Blüthe gelangen kann.“ Als er dieses schrieb, beschäftigte er sich bereits mit dem Plan zu einem Trauerspiel „Conradin“, das über seinen Beruf und sein Talent entscheiden sollte, aber unausgeführt geblieben ist. Auch hatte er bereits gegen Weihnachten 1811 zwei kleine Lustspiele vollendet „Die Braut“ und „Der grüne Domino“ und am 22. December auf Wunsch des Musikers Steinacker eine Oper „Das Fischermädchen“ in sieben Stunden zusammengeschrieben. In schneller Folge entstanden die übrigen dramatischen Dichtungen. Am 8. Januar 1812 war schon wieder ein kleines Stück in geregelten Knittelversen fertig geworden, „Der Nachtwächter“, dessen Stoff er einem eigenen Erlebnisse in Leipzig entnahm. Ende Januar folgte das dreiactige Drama „Toni“ nach der Novelle „Die Verlobten“ von Heinrich v. Kleist, und Mitte Februar „Die Sühne“. Von den ersten Tagen des März bis Anfang Juni fesselte ihn das Studium der Geschichte des Zriny, und noch im Laufe des Juni arbeitete er das Drama völlig aus. Unmittelbar daran schlossen sich die Vorarbeiten zu seiner „Rosamunde“, welche bis Mitte November vollendet wurden, obwol er inzwischen im September auch noch die „Hedwig“ dichtete, deren Stoff große Aehnlichkeit hat mit einem Plane Schiller’s für einen zweiten Theil der Räuber (Goedeke, Schiller’s sämmtl. Schriften XV. 1, 337). In die Wende der Jahre 1812 und 1813 fallen ferner noch die „Gouvernante“ und „Der Vetter aus Bremen“ und im Februar 1813 bearbeitete er in wenigen Tagen seinen „Joseph Heyderich“, einen patriotischen Stoff, den ihm die interessante Bekanntschaft mit Riedler eingebracht hatte. Rechnet man die Zeit und Kraft hinzu, welche K. zwischendurch auf noch einige Operntexte und auf eine Zahl von Stoffen verwandte, die er später verwarf oder liegen ließ, und bedenkt man den Zeitaufwand und die Aufregung, welche mit den Aufführungen seiner Dramen in Wien verknüpft war, wo sie alle mit Beifall aufgenommen wurden, so staunt man über die Fülle seiner Productionen. Selbstverständlich sind diese Werke des etwa 20jährigen Jünglings nicht von der Tiefe und Reife der Gedanken, daß sie den Dramen eines Goethe und Schiller an die Seite gesetzt werden dürften, aber sie verrathen nicht nur eine große Formgewandtheit, sondern zeugen auch nach Goethe’s Ausspruch „von einem entschiedenen Talente, das aus einer glücklichen Jugendfülle mit Leichtigkeit und Freiheit sehr gute und angenehme Sachen hervorbringt“.

Der Lieblingsplan des Vaters, daß Theodor zu Goethe nach Weimar gehe, auf den Goethe sehr freundlich und lebhaft einging, wurde durch Körner’s feste [718] Anstellung als Hoftheaterdichter am Burgtheater in Wien gekreuzt, welche er am 9. Januar 1813 annahm. Der Contract wurde vom 1. Januar ab auf drei Jahre geschlossen. K. verpflichtete sich gegen ein Jahrgehalt von 1500 Gulden W. W. jährlich zwei große Stücke, die einen Theaterabend ausfüllen und zwei kleine Nachspiele einzuliefern und die sogenannten Bearbeitungen zu übernehmen.

Schon seit dem Sommer des vorigen Jahres war er mit der Schauspielerin Antonie Adamberger verlobt, die er in freudigster Bewegung seinen beglückten Eltern im August 1812 bei ihrem Besuche in Wien zuführte. Froh und dankerfüllten Herzens schrieb er an seinem Geburtstag 1812, dem letzten, den er erlebt hat, an den Vater: „Ich fordere den auf, der glücklicher sich rühmen darf.“ Nun, nach der unverhofften Anstellung, durfte er auch hoffen, bald seine Braut als Gattin heimzuführen, und eine freundliche Zukunft schien sich ihm zu eröffnen. Dennoch setzte er all dies Glück und sein reiches Leben freudig aufs Spiel, als es galt für Deutschland die Freiheit zu erringen und sich und seiner Kunst das Vaterland zu erkämpfen. Nicht nur der Tonfall Schiller’scher Dichtungen klang ihm im Ohre wieder, des großen Dichters hehre Idealgestalten waren seine Führer geworden, und jetzt galt es ihm, im eigenen Leben das große Beispiel Max Piccolomini’s zu befolgen und der heiligsten Pflicht bis in den Tod getreu zu sein. Aeußerlich betrachtet, war er als geborener Sachse und als österreichischer Hofbeamte nicht genöthigt, schon jetzt sich zum Kriegsdienst zu stellen; ihn konnte die Welt nicht tadeln, wenn er in seinem Amte in Wien verblieb, bis sein König, der Stein, auf den er gestellt, ihn zu den Fahnen rufen würde; ja er konnte voraussetzen, daß er, so lange Sachsen mit Napoleon verbunden blieb, als Ueberläufer verschrieen werden würde, wie ja wirklich sein Name später unter den Namen der 171 „jungen Burschen“ stand, welche der hochlöbliche Rath zu Dresden in den Dresdener Anzeigen vom 18. August 1813 bei Androhung der gesetzlichen Strafen öffentlich zur Erfüllung ihrer Militärpflicht aufrief, d. h. zum Kriegsdienst unter Napoleons Führung gegen Preußen und Deutschland. Aber er folgte dem inneren Rufe der Pflicht, so schwarze Todesahnungen ihn umgrausten, so schwer ihm der Abschied von Wien und seiner Braut fiel und so schwer er „die süße Empfindung hingab, die ihm in der Ueberzeugung lebte, den Eltern keine Unruhe, der Mutter keine Angst zu bereiten“. Sein Brief vom 10. März 1813 an den Vater, in dem er seinen Entschluß ausspricht, Soldat zu werden und das in Wien gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinzuwerfen, um, sei’s auch mit seinem Blute, sich ein Vaterland zu erkämpfen, ist eins der schönsten und rühmlichsten Zeugnisse deutscher Begeisterung aus den Befreiungskriegen.

Noch schwankte er wenige Tage, ob er, wie er am meisten wünschte, den preußischen Fahnen folgen solle, oder ob er nach dem wohlgemeinten Rath seiner Wiener Freunde und Freundinnen lieber den Ausbruch des Krieges in Oesterreich abwarte, wo er bei der Gunst, deren ihn der Erzherzog Karl schon früher in einer Audienz versichert hatte, Aussicht hatte in die Suite desselben aufgenommen zu werden. Ein Schauspiel, das sich ihm in einer Wiener Kaserne darbot, ließ ihn schnell seine Entscheidung treffen: „Ein unglücklicher Soldat mußte Spießruthen laufen. Solche Abscheulichkeit in unserm Vaterlande, in unsern Zeiten erleben zu müssen! Mich überläuft’s noch eiskalt, mir war zu Muthe wie dem Marquis Posa, als er mit dem Fuße an verbrannte menschliche Gebeine stieß. Ich machte auf der Stelle kehrt, und kehrt für immer dem Regiment des Stockes, aus dem uns kein grüner Lorbeer erblühen wird. Auf Wiedersehen unter den preußischen Fahnen.“

Begeistert und begeisternd sang er von jetzt ab in schneller Folge die herrlichen, muthigen Kriegslieder, die der Vater später gesammelt und unter dem [719] Titel „Leier und Schwert“ herausgegeben hat. Sie bleiben das schönste, dauernde Denkmal des jungen Dichters und Helden und sind das Bedeutendste, das er gedichtet. Bald wurden seine Lieder beim Corps der Lützower, in das er eintrat, gesungen und fehlten in Kurzem in dem Ranzen keines Kriegers.

Am 15. März riß er sich von der Braut und den zahlreichen Freunden in Wien mit blutendem Herzen, aber entschlossenem Sinne los und folgte – seiner Pflicht. Mit freudiger Begeisterung eilte er nach Breslau, dem allgemeinen Sammelplatz der kriegsmuthigen Jugend und begrüßte jubelnd den preußischen Grenzadler als der Deutschen Hort:

„Das freie Roß gehorcht dem Sclavenzügel,
Den Glanz der Raute seh ich welk verbleichen,
Der Löwe krümmt sich unter fremden Streichen:
Du nur erhebst mit neuem Muth die Flügel.“

Er trat in das Lützower Jägercorps, „die schwarze Schaar, ein Wallenstein’sches Lager in einer erhöhten Potenz. Zusammengeschneit aus aller Herren Ländern, sind wir, das ist wahr –, allein Rohheit und Gemeinheit sind gebändigt durch die heilige Weihe unseres Berufes. – Wie müssen wir Gott danken, daß er uns eine so große, herrliche Zeit miterleben ließ. Alles geht mit so freiem, stolzem Muthe dem großen Kampfe für’s Vaterland entgegen. Alles drängt sich zuerst für die heilige Sache bluten zu können. Es ist nur ein Wille, nur ein Wunsch in der ganzen Nation, und das abgenutzte: Sieg oder Tod, bekommt eine neue, heilige Bedeutung.“

Zunächst zog Lützow’s Corps auf Dresden zu und K. selbst als Marschcommissar mit dem Major v. Petersdorf den Anderen voraus. Unterwegs schrieb er einen Aufruf an die Sachsen und ließ ihn als Flugblatt ausgehen. Am 6. April traf er in Dresden ein: „Nun eilte ich zu meinen Eltern und große Freude sah ich und viele Thränen. Mein Vater war durchaus zufrieden mit mir, die anderen weinten.“ Hier im Vaterhause traf K. mit Goethe und Arndt zusammen, der bei dem Vater K., „dem bravsten Manne der Stadt“, im Quartier lag. Der Vater war stolz auf den Sohn und ganz seines Sinnes. Er schrieb damals, da er selbst, der 56jährige, nicht mehr an der Seite des Sohnes in den Krieg ziehen konnte, eine patriotische kleine Schrift „Deutschlands Hoffnungen“, um die Begeisterung in der Jugend zu schüren, und lebendig regte sich in seinem Hause das deutsche Vaterlandsgefühl, das lange hatte zurückgehalten werden müssen. Ungläubig nur hörte Goethe den hoffnungsseligen Reden Körner’s und Arndt’s zu. Hier entfuhr ihm jenes kleinmüthige Wort: „Schüttelt nur an Euren Ketten, der Mann ist Euch zu groß, – Ihr werdet sie nicht zerbrechen.“ Körner’s, denen in der Erinnerung an den Sohn der deutsche Patriotismus bis zu ihrem Tode das eigentliche Lebenselement blieb, konnten dieses Wort Goethe nie vergeben noch vergessen und scheinen nach dieser Zeit nicht wieder in Verkehr mit ihm getreten zu sein.

Die treue Schwester Emma, die in Bewunderung zu dem geliebten einzigen Bruder aufschaute, zeichnete damals das bekannte Bild Theodors, das durch den Kupferstich weit verbreitet ist. Aber schon nach wenigen Tagen verließ der junge Krieger das Elternhaus. Eine Woche war er in Leipzig und quartierte sich bei seinem Freunde Kunze ein. Diesem übergab er hier elf Lieder und dichtete am 24. April das zwölfte, „Lützow’s wilde Jagd“, hinzu. Kunze sollte sie baldmöglichst unter dem Titel „Zwölf freie deutsche Lieder“ herausgeben, konnte aber erst nach der Schlacht bei Leipzig sich dieses Auftrages entledigen. K. zog am nächsten Tage weiter, nachdem er noch in Leipzig vom Oberjäger zum Offizier befördert war. Die Lützower Schaar, welche ihr Major über Dessau, Zerbst, [720] Havelberg führte, kam zunächst wenig mit dem Feinde zusammen und wurde auch, ihrem eigentlichen Zwecke zuwider, zur Deckung von Uebergängen und Brückenköpfen angewandt. An den großen Schlachten bei Großgörschen und Bautzen waren die Lützower nicht betheiligt, und unmuthig schrieb K. am 15. Mai: „Vor ein paar Tagen eine elende Affaire, das ist alles, was ich bis jetzt erlebt habe.“ Aber bald schien sich ihm eine Gelegenheit zu bieten, die Kräfte zu regen. Auf seine Bitte durfte er am 29. Mai dem Major v. Lützow als Adjutant folgen, als dieser mit vier Schwadronen seiner Reiterei einen kühnen Streifzug nach Thüringen unternahm. Der Zug ging von Stendal über Halberstadt, Eisleben, Buttstedt, Schleiz nach Plauen mitten durch die Feinde hindurch. Hier erfuhr Lützow, daß am 4. Juni ein Waffenstillstand geschlossen sei und zog sich auf Leipzig zurück. Noch ehe sie dorthin gelangten, wurden sie von den Franzosen verrätherischer Weise bei Kitzen überfallen und K. durch zwei Säbelhiebe verwundet. Er rettete sich in das Dickicht eines Gehölzes und schlief vor Ermattung ein. Am anderen Morgen fanden ihn zwei Bauern und brachten ihn nach Groß-Zschocher, wo er wie bald darauf in Leipzig, ungeachtet beide Orte von Franzosen besetzt waren, durch die Hilfe von Freunden verpflegt wurde, bis er nach fünf Tagen in kleinen Tagereisen es wagen durfte nach Karlsbad zu flüchten. Hier nahm sich Elisa v. d. Recke, die Schwester der Herzogin Dorothea von Kurland, auf das Gütigste seiner an. Nach 14 Tagen konnte er über Schlesien nach Berlin reisen und von dort völlig geheilt und neu ausgerüstet um die Mitte des Augusts, noch vor Ablauf des Waffenstillstands, wieder zum Corps abreisen, das jetzt oberhalb Hamburgs auf dem rechten Elbufer stand. Fast täglich schlugen sich hier die Lützower seit dem 17. Am 25. August unternahm Lützow einen Streifzug nach Rosenberg zu, und es gelang, am nächsten Morgen einen feindlichen Zug mit Munition und Lebensmitteln aufzuheben. Kurz vorher hatte K., der wieder als Adjutant den Major begleitet hatte, sein letztes Gedicht „Das Schwertlied“ in sein Taschenbuch geschrieben. Bald darauf begann auf der Straße von Gadebusch nach Schwerin das Gefecht. Die Franzosen flüchteten in ein nahes Gehölz. Bei ihrer Verfolgung ward K. durch einen Schuß in den Unterleib tödlich getroffen. Bewußtlos ward er von den Waffenbrüdern mitten im Kugelregen vom Kampfplatz getragen und einem Wundarzt übergeben; aber schon war menschliche Hilfe umsonst. Kaum waren die Franzosen verdrängt und der Sieg errungen, so galt es, die wenigen Gefallenen und zumal den allgeliebten nun todten K. zur Erde zu bestatten. Man führte die Leichen eine Strecke Weges mit sich, weil sich von neuem französische Truppen im Walde zeigten. Erst bei dem Dorfe Wöbbelin unweit der Stadt Ludwigslust wurde K. unter einer Eiche mit allen kriegerischen Ehren und mit besonderen Zeichen der Achtung und Liebe von seinen tiefgerührten Waffenbrüdern begraben. Seine Eltern erfuhren die gewisse Nachricht seines Todes erst im November. Die Leipziger Anzeigen vom 9. November enthalten eine Todesanzeige seitens der Eltern. Später bot der Großherzog von Mecklenburg dem Vater an, Theodor’s Leichnam auf dem Kirchhofe zu Ludwigslust beisetzen zu lassen. Der Vater lehnte dieses Anerbieten dankend ab, hatte aber die Freude, daß ihm das Grundstück mit der Eiche und der Grabstätte des Sohnes gegen geringen Erbzins überlassen wurde. Dort errichtete er dem Sohne ein Denkmal, das nach der Zeichnung des Dresdener Hofbildhauers Thormeyer in der Berliner Eisengießerei gegossen wurde. Es besteht aus einem Opferaltar in antiker Form. Leier und Schwert mit einem Eichenkranz geschmückt stehen auf dem Altar. An den Seiten stehen passende Inschriften. An derselben Stätte wurden später die Leichen der Schwester, des Vaters, der Tante Dora und der Mutter gebettet. – Neuerdings ist auf Anregung [721] des Dr. Peschel Theodor Körner in Dresden nach Hähnel’s Entwurf ein schönes Denkmal gesetzt und in seinem Geburtshause ebenfalls durch Dr. Peschel’s Bemühungen ein „Körner-Museum“ begründet, das heißt eine Sammlung von Reliquien jeder Art aus der Familie Körner und ihrer Zeit.

Sein Andenken lebte unter den Lützowern treulichst fort, und er lebt und wird fortleben im deutschen Volke als eine Idealgesalt und als Vertreter aller der begeisterten jugendlichen Freiheitskämpfer der Jahre 1813, 1814, 1815. Auf ihn hat Immermann treffend das Wort angewendet, das Wallenstein von Max Piccolomini sagt:

„Sein Leben
Liegt faltenlos und leuchtend ausgebreitet“.

Von seinen Werken erschienen unzählige Ausgaben. Die erste Gesammtausgabe gab im Auftrage der Mutter Streckfuß im J. 1835 heraus. Sie ist seitdem oft neu aufgelegt worden. Wichtig sind außer dieser und den ersten Ausgaben noch die Ausgabe von Wolff (Theodor Körner’s Werke in vollständigster Sammlung, 4 Theile, Berlin, G. Mertens) und die von Förster im Hempel’schen Verlage.

Vgl. des Vaters Biographie vom Jahre 1814. Wolff, Theodor Körner’s Leben und Briefwechsel (Theil 4 der Ausgabe der Körner’schen Werke). Förster vor seiner Ausgabe und in der Deutschen Pandora, Bd. I, Stuttgart 1840. Zarncke, Th. Körner’s Relegation aus Leipzig. Beilage zur Augsburger Allgem. Zeitung 1882 Nr. 249 u. 250. Jonas, Chr. Gottfr. Körner. Biogr. Nachr. über ihn u. sein Haus, Berlin 1881. Ferner ungedruckte Briefe im Körnermuseum.