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ADB:Samson, Hermann

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Artikel „Samson, Hermann“ von Heinrich Diederichs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 312–315, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Samson,_Hermann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 21:15 Uhr UTC)
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Samson: Hermann S., der um die evangelische Landeskirche hochverdiente livländische Superintendent und Rigasche Oberpastor, war zu Riga am 4. März 1579 geboren. Sein Vater, Naeman S., der aus Geldern stammte, hatte als tapferer Kriegsmann im Heere des Königs von Frankreich in den inneren Kämpfen dieses Landes mitgefochten, war dann nach Riga gekommen und hier 1568 Bürgerhauptmann und Befehlshaber der städtischen Miliz geworden. Seiner Ehe mit Anna Böker entstammte als dritter Sohn unser Hermann. Kaum vier Jahre alt verlor er seinen Vater und wurde von der Mutter für den Kaufmannsstand bestimmt. Doch seine früh schon hervortretende glänzende Begabung ließ bald über seinen Beruf zum Studium keinen Zweifel und in kurzer Zeit machte er die Domschule seiner Vaterstadt durch. Die Jesuiten, welche auf begabte Jünglinge stets ihr Augenmerk richteten, suchten ihn in ihr Collegium in Riga zu ziehen, aber vergeblich. Sie haben ihn dann, heißt es, mit Gewalt nach ihrem Alumnat in Braunsberg bringen wollen, er entfloh ihnen aber unterwegs, kehrte nach Riga zurück und begab sich bald darauf, 1599, nach Rostock, um Theologie zu studiren. Unter Lubinus trieb er hier besonders eifrig das Griechische und Lateinische. Schon 1600 begab er sich nach Wittenberg, wo fast gleichzeitig mit ihm der später so berühmte Axel Oxenstierna immatriculirt wurde; die Bekanntschaft mit ihm ist später von Bedeutung für Samson’s Leben geworden. Mit dem größten Eifer hörte S. Hunnius, Geßner und Leonhard Hütter und in der Philosophie Martini und erwarb sich eine gründliche theologische Bildung und dialektische Schlagfertigkeit, auch die classischen Studien vernachlässigte er nicht. Die heil. Schrift, die Kirchenväter und Luther’s Schriften waren vorzugsweise Gegenstand seines Studiums, daneben beschäftigte er sich viel mit der Logik und nahm häufig an den Disputationen theil. Im Hinblick auf seinen spätern Beruf in der Heimath arbeitete er Chemnitz’ Examen Concilii Tridentini so sorgfältig durch, daß er nachmals dieses gewaltige Werk fast auswendig kannte, auch Bellarmin’s großem polemischem Buche gegen die Protestanten widmete er ein gründliches Studium. Bei seinen Lehrern erfreute er sich lebhafter Anerkennung; es zeugt von der Beachtung, welche man ihm in Wittenberg schenkte, daß er an dem 66. Todestage Luther’s die Feierrede im Namen der Universität hielt und daß er nach dem Tode Geßner’s an dessen Stelle eine Zeitlang die Predigten in der Schloßkirche zu halten aufgefordert wurde. Kein Zweifel, daß es ihm in Wittenberg, wo er auch schon einige Schriften hatte drucken lassen, wenn er gewollt, bald gelungen wäre, eine angesehene Stellung zu erlangen. Aber die Heimath rief ihn zurück und er folgte sofort diesem Rufe. Livland durchlebte damals die schwere Zeit der katholischen Gegenreformation [313] (s. den Art. Schenking). Zeitweilig durch den Einfall Karl’s IX. von Schweden zurückgedrängt, erneuerten sich die Katholisirungsbestrebungen nach dem für Schweden unglücklichen Ausgang des Unternehmens in verstärktem Maße. An Riga, damals wie später die Metropole des baltischen Landes, hing der Fortbestand der evangelischen Kirche in Livland. Die sogenannten Kalenderunruhen von 1584–89, eine demokratische Bewegung der Gemeinde gegen die ausschließliche Herrschaft des Rathes und zugleich eine eifrig protestantische Opposition wider dessen Nachgiebigkeit gegen die Forderungen des polnischen Königs und der Jesuiten, hatten durch das Eingreifen der polnischen Regierung mit einem völligen Siege des Rathes geendet. Die herrschende Partei, mit der Bürgerschaft tief verfeindet und auf die polnischen Machthaber sich stützend, an ihrer Spitze der zweideutige, habsüchtige Bürgermeister N. Ecke, brachten es nur zu einer matten und schwächlichen Defensive gegen das immer rücksichtslosere Vordringen der Jesuiten, die sehr wohl erkannten, daß mit der Unterwerfung Rigas der Sieg der katholischen Kirche in Livland entschieden sei. In diese Verhältnisse nun trat S. ein, als er im Anfange des Sommers 1608 nach Riga zurückkehrte. Er war entschlossen den Kampf mit den Todfeinden seines Glaubens und der alten Rechte seiner Vatetstadt rücksichtslos aufzunehmen. Die erste Predigt, welche er nach seiner Heimkehr am Tage Johannes des Täufers (24. Juni) in der Petrikirche vor dichtgedrängter Zuhörerschaft hielt, war wie ein Signalruf zum Kampfe; ihr Thema, „daß der Glaube, welchen die Lutheraner haben, der uralte katholische Glaub sey, hinwieder der Jesuiten und Bäbstlichen Glaub ein Spannewever Glaub sey“, war ein offener Angriff auf die gefürchteten Väter und daß S. sie nachher ohne Scheu drucken ließ, konnte den Unwillen der Feinde nur vermehren. Die Jesuiten erstaunten über die Kühnheit des jugendlichen Gegners um so mehr, je stärker sie gegen die bisher in Riga ihnen gegenüber herrschende Schwäche und Halbheit abstach. In der Bürgerschaft und auch im Rathe erhob sich durch Samson’s Auftreten das protestantische Bewußtsein in alter Kraft, man fühlte es, Riga hatte wieder einen berufenen Vorkämpfer und Vertheidiger des evangelischen Glaubens. S. wurde sogleich in das geistliche Ministerium der Stadt aufgenommen und zum Inspector der städtischen Schulen ernannt. 1611 wurde er Oberpastor am Dom und 1616 Oberpastor zu St. Peter und damit das Haupt der Rigaschen Geistlichkeit. Nichts in Kirche, Schule oder öffentlichen Angelegenheiten geschah fortan ohne seinen Rath und sein Mitwissen. Die Bürger drängten sich zu seinen Predigten. Durch seine große Gelehrsamkeit und seine energische Persönlichkeit erwarb er sich in kurzer Zeit eine solche Autorität, daß sich ihm alles fügte. Als Inspector der Schulen arbeitete er vor allem dem Bestreben der Jesuiten, Kinder der Bürger und des Adels in ihre Schulen zu ziehen, erfolgreich entgegen, stellte die zum Theil verfallene Schulzucht wieder her und sorgte durch Beispiel und Mahnung für eine gute classisch-evangelische Bildung der Jugend. Da er ein ausgezeichneter Kenner des Griechischen und Lateinischen war, ertheilte er auch selbst Unterricht und die gesammte jüngere Generation Rigas verehrte ihn als ihren Lehrer und Bildner. Jedoch seine eigentliche Pflicht sah er darin, überall dem Eindringen und den Angriffen der Jesuiten entgegenzutreten. Und er war ganz der Mann, dessen die schwere Zeit bedurfte. Die Jesuiten wendeten alle Mittel an, ihn gefügig zu machen, sie erwiesen ihm mannichfache Freundlichkeit, sie suchten ihn durch große Versprechungen und Anerbietungen zu gewinnen und versuchten zuletzt, ihn durch heftige Drohungen einzuschüchtern. Es war alles vergeblich. Sie forderten ihn mehrmals zu öffentlichen Disputationen heraus, um ihn da in die Enge zu treiben. Er aber war mit ihrer Art der Polemik und ihren gewöhnlichen Argumenten völlig vertraut und durch seine Schlagfertigkeit, seine [314] Gewandtheit im Disputiren und seine scharfe Logik ihnen vollkommen gewachsen. So ging er denn auch aus allen diesen Wortgefechten siegreich hervor; selbst als einmal der Rector des Collegiums und der geübteste Dialektiker aus ihrer Mitte mit ihm fünf Stunden lang disputirten, behielt er zuletzt den Sieg. Auch in umfassenden Streitschriften von rücksichtsloser Derbheit zog er gegen sie zu Felde und wies ihre dreisten Angriffe auf die Person Luther’s und die lutherische Lehre mit Nachdruck und Schärfe zurück. Durch sein kraftvolles Dazwischentreten wurde auch die schon eingeleitete Conversion manches adeligen Jünglings vereitelt, kurz überall trat er den Jesuiten hindernd in den Weg. Kein Wunder, daß in demselben Maße wie sein Ansehen in der Stadt und im Lande fortwährend wuchs, sich auch der Haß und Grimm seiner Gegner von Jahr zu Jahr steigerte; mit Recht sahen sie in ihm ihren und der Katholisirung des Landes gefährlichsten Feind. Die Jesuiten erhoben daher heftige Anklagen gegen ihn bei dem ihnen ganz ergebenen Könige Sigismund III. und setzten einen königlichen Befehl durch, der S. nach Warschau citirte; ging er dorthin, so war es sicher vorauszusehen, daß er nicht wieder nach Riga zurückkehren würde. Da erklärte die Stadt durch ihren Syndicus Johann Ulrich in Warschau, Riga werde eher sein Blut in Strömen vergießen, ehe es seinen Oberhirten verlasse. So wurde denn durchgesetzt, daß eine königliche Commission nach Riga kam, vor der die erhobenen Anklagen leicht widerlegt werden konnten. Durch seine Kämpfe mit den Jesuiten, durch seine Schriften und Predigten war S. nicht bloß in Livland, sondern auch in ganz Norddeutschland bekannt geworden. Er erhielt Berufungen nach Rostock als Professor und Pastor, nach Hamburg und nach Danzig. Doch er lehnte alle ab und blieb standhaft in Riga, weil er es für seine Pflicht hielt, im schweren Kampfe auszuharren. Die Jesuiten ruhten nicht, sie erhoben immer neue Anklagen gegen ihn, hetzten die polnischen Magnaten gegen ihn auf und begannen gegen die Stadt immer neue Processe, deren Zahl zuletzt sich auf 400 belief. S. wurde trotzdem nicht muthlos und verzagt, er war bereit alles über sich ergehen zu lassen, nur nicht zu weichen. Ohne Rücksicht auf die eigene schwierige Lage ermahnte er an der Spitze der Rigaschen Geistlichkeit 1620 die Stadt Dorpat zum standhaften Eintreten für ihren von den Jesuiten und den polnischen Machthabern bedrängten Pastor. Als die Stadt und er kaum noch auf die Dauer sich gegen die überlegene Macht der Gegner halten zu können schienen, da kam die Rettung von außen. Gustav Adolf begann seinen Siegeszug gegen Polen, im August 1621 rückte er vor Riga und nach einem Monate tapferer Vertheidigung mußte die Stadt sich ihm ergeben; sie huldigte ihrem Befreier am 25. September. Die Huldigungspredigt hielt S. am selben Tage vor dem Könige in der Petrikirche; er war diesem nicht unbekannt, sein ehemaliger Studiengenosse Axel Oxenstierna hatte die Aufmerksamkeit des Herrschers auf S. gelenkt. So wurde er denn von Gustav Adolf im J. 1622 zum Superintendenten von ganz Livland ernannt und wenn einer, war er der rechte Mann dazu, die ganz zerstörte Landeskirche wieder herzustellen. Ueber 20 Jahre hat er an diesem Werk gearbeitet. In dieser Zeit hat er 70 Prediger berufen und ordinirt, feste kirchliche Ordnungen im Lande geschaffen, Synoden abgehalten und für die Besserung der Einkünfte seiner Pastoren kräftig gesorgt. Als Anerkennung seiner großen Verdienste wurde ihm 1638 von der schwedischen Regierung das Gut Festen in Livland geschenkt und 1640 wurde ihm der erbliche schwedische Adel mit dem Zusatz: von Himmelstjerna verliehen; er ist der Stammvater des noch heute in Livland blühenden Adelsgeschlechts dieses Namens geworden. Die unermüdliche Thätigkeit des kraftvollen Mannes war durch seine kirchlichen Aemter nicht erschöpft. 1631 gründete der Rath in Riga unter dem Namen eines Gymnasiums [315] eine Akademie zur höheren Ausbildung der Jugend. S. wurde die Professur der Theologie übertragen und er hat auch dieses Amt bis zu seinem Tode mit großem Eifer verwaltet. Seine gründliche Gelehrsamkeit und seine reiche Bibliothek kamen seinen Schülern sehr zu gute und eine namhafte Schaar von Geistlichen verdankt ihm ihre Ausbildung. Er hat, worauf man damals viel Gewicht legte, eine große Anzahl theologischer und philosophischer Disputationen verfaßt und unter seinem Vorsitze vertheidigen lassen. Dazu war er eifriger Prediger und auch als Schriftsteller thätig. Die Zeitgenossen bewunderten an seinen Predigten große Beredtsamkeit; doch ist er mehr ein Prediger des Verstandes, als des Herzens. Seinen streng lutherischen Standpunkt machte er auch auf der Kanzel rückhaltlos geltend; er hielt ebenso scharfe und bittere Controverspredigten gegen die Calvinisten, wie er die Jesuiten bekämpfte. Gegen die Letzteren setzte er auch unter schwedischer Herrschaft seine Polemik unermüdet fort und wie groß der Haß und die Erbitterung, die er dadurch bei ihnen hervorrief, gewesen, beweist die 1641 gegen ihn veröffentlichte Schmähschrift des Wilnaschen Jesuiten Hermes Cyrenius: „Antichristus Rigensis sive H. Samsonius“. Auch durch die Redaction des Rigaschen Gesangbuches von 1631 erwarb er sich ein nicht geringes Verdienst; durch seinen Amtsnachfolger in Riga, Johannes Breverus, erweitert, ist es in Livland bis 1782 im Gebrauch gewesen und hat wegen seiner Trefflichkeit auch über die Grenzen des Landes hinaus Verbreitung gefunden. S. war ein thatkräftiger, eisenfester Charakter, eine scharf ausgeprägte Natur, der jedes vermittelnde Element abging. Daher wurde ihm vielfach Stolz, Herrschsucht und Starrsinn vorgeworfen, es waren das eben die Schattenseiten jener heroischen Eigenschaften, die allein ihn befähigten, in den schweren Kämpfen jener Tage aufrecht zu stehen. Er war ganz ein Kind seiner harten, glaubensfesten Zeit, deren geistiger Beschränktheit auch er in Kometen- und besonders Hexenpredigten seinen Tribut abtrug. Sein noch erhaltenes Bildniß zeigt scharfe, kräftige Gesichtszüge; er sieht mehr wie ein Kriegsmann als wie ein Geistlicher aus. In seiner äußeren Erscheinung war S. würdevoll und ehrfurchtgebietend. Sein Familienleben war ein sehr glückliches; aus der mit Helene Hartmann 1609 geschlossenen Ehe erwuchsen ihm acht Kinder, darunter drei Söhne. An der Schwelle des Greisenalters rief ihn der Tod ab. Er starb nach kurzem, schwerem Leiden mit derselben Festigkeit und Klarheit, wie er gelebt. „Gott wird für seine Kirche sorgen“, antwortete er den seinen Heimgang beklagenden Freunden. Am 16. December 1643 beschloß er sein Leben und wurde zehn Tage nachher aufs feierlichste neben dem Altare der Petrikirche bestattet. Sein Tod versetzte Riga und das ganze Land in tiefe Trauer; man klagte um ihn, als um den Lehrer und Vater des Glaubens und pries ihn als den Elias Livlands. S., dem Vorkämpfer des Protestantismus, dem Reorganisator der Landeskirche ist ein unvergängliches Gedächtniß in der Geschichte Livlands gesichert.

Joh. Breverus, Memoria Samsoniana im Anhange von Orationum in Rigensi Athenaeo habitarum Pars I, Francofurti 1655. – Chr. A. Berkholz, Hermann Samson, eine kirchenhistorische Skizze, Riga 1856. – Ein vollständiges Verzeichniß der Schriften Samson’s gibt das Schriftstellerlexikon von Recke u. Napiersky IV, 22–31.