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ADB:Schertel, Josef

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Artikel „Schertel, Joseph“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 130–131, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schertel,_Josef&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 02:17 Uhr UTC)
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Schertel: Joseph S., Landschaftsmaler, geboren am 10. Januar 1810 in Augsburg, Sohn eines königlich bairischen Oberzollinspectors, studirte, erst für den Staatsdienst bestimmt, am Gymnasium zu Augsburg und Würzburg, bis ihn der seinen artistischen Wünschen wenig geneigte Vater zu einem Lithographen „in die Lehre“ gab. Im J. 1830 ging S. nach München und begann unter nicht allzugünstigen persönlichen Verhältnissen die Landschaftsmalerei. Bei einem Ausfluge nach dem Chiemsee wurde S. mit Daniel Fohr bekannt, welcher ihn an Christian Morgenstern empfahl, der weiteren Einfluß auf S. übte und sich in innigster Weise als wahrer Freund bewährte, ohne dessen künstlerische Individualität zu beherrschen. S. war kein Bahnbrecher, arbeitete auch nicht leicht und mühelos, dem entsprechend bewegte sich sein gleichmäßiges Leben fern von hervortretenden Ereignissen, in engen Grenzen; aber was er schuf, trug den Stempel innigster Tüchtigkeit und Gediegenheit. Er haßte den Schein und das Flunkern in der Kunst, wie im Leben. Die große Welt kannte er wenig. Trotz seiner vielen Studienfahrten kam er doch nur zweimal über die heimathlichen Grenzen: einmal in das Zillerthal (1860), dessen Natur ihm schon zu ferne lag und einandermal später über Lermoos bis an den Fernstein, wo ihn die liebliche Sigmundsburg zu einem Bildchen begeisterte. Dagegen kannte er seine altbairische Heimath ebenso genau wie der fröhliche Maler-Poet Friedrich Lentner. „Das Hochgebirge imponirte ihm wohl durch das Gewaltige seiner Erscheinung, aber er fühlte sich von ihm nicht sympathisch angezogen. Ihm sprach zum Herzen das hügelige, fluß- und seereiche Vorland mit seinen weichen Linien, mit seinen schattigen Wäldern und Thalgründen; deshalb verweilte er mit innigstem Behagen in den Gegenden von Landsberg, Bayerdießen, Trostberg und Wasserburg. Selbst bei seinen Partien aus dem Hochlande stellt er das Element des Lieblichen und Anmuthigen in den Vordergrund, so in jenen Bildern von Partenkirchen, Grainau, Barmsee, Fernstein und Obersee.“ Nur in seinem „Simsee“ erfaßte S. das Großartige in der Erscheinung dieser einsamen, langgestreckten, melancholischen Voralpenwasserfläche. So lebte der Künstler glücklich im Schaffen und seiner 1856 mit Frl. Emma Zeitler geschlossenen Ehe; aber schon 1857 kamen asthmatische Beklemmungen, welchen 1863 ein bedenkliches Blutbrechen folgte. Trotz vieler Verstimmungen und Leiden arbeitete S. in schmerzfreien Tagen rastlos fort, sobald es seine gebrochenen Kräfte nur halbweg gestatteten und zwar mit solcher Gluth, daß nichts das innerliche Siechthum ahnen ließ, welchem der Künstler am 8. März 1869 erlag. Eines seiner vorzüglichsten Bilder war die 1852 gemalte „Gegend von Trostberg“, wo die Sonne so golden hinter den Baumstämmen sinkt (durch den Münchener Kunstverein angekauft, gelangte durch das Loos in den Besitz des 1888 verstorbenen [131] Dichters und Prof. Dr. Friedrich Beck und aus dessen Nachlaß an den Bankkassier Herrn Desiderius Beck), dann 1853 eine „Partie bei Seeon mit dem Wendelstein“ (vgl. Julius Große in Nr. 182 Abendblatt der „Neuen Münchener Zeitung“ vom 31. Juli 1856) und die gleichzeitigen Bilder mit Motiven vom „Staffelsee“, der „Simsee“ und die Erinnerungen „Aus dem Allgäu“ (1858), aus der „Gegend von Partenkirchen“ und am „Walchensee“ – eine der schönsten und mit feinstem Takt für Farben und Formen ausgeführten Landschaften jener Zeit. „Obschon der Künstler auf Alles, womit man sonst Effect zu machen pflegt, verzichtet hat und die Landschaft in jenem gedämpften Lichte zeigt, in welchem unter dem Einfluß der Nachmittagshitze das Grün des Waldes und des Sees, wie das Blau des Himmels fast zum farblosen Grau erblaßt, und obschon er durch diese Beleuchtung auch die Berge so ferne gerückt, daß sie einen großartigen Eindruck nicht mehr zu machen vermögen, wußte er dennoch in das Ganze einen seltenen Zauber zu legen, von dem sich zwar sagen läßt, daß er in den zart empfundenen Farbennuancen, wohlberechneten Contrasten und schön geschwungenen Linien seinen Grund hat, der aber übrigens mit Worten nicht wiederzugeben ist. Jedenfalls bildet die ungemeine Wahrheit, welche das Bild in Conception und Ausführung behandelt, nicht den geringsten unter den dabei mitwirkenden Factoren.“ (Vgl. Nr. 175 „Bayer. Ztg.“ vom 28. Juni 1865.) Und solche Künstler zählte man damals zu den Vertretern der „naturalistischen Richtung“! – Schertel’s Originalzeichnungen, Studienblätter, Oelskizzen und Oelgemälde wurden schon am 20. Mai 1869 (mit dem artistischen Nachlaß des Landschafters August Geist) eiligst versteigert. – Seine einzige Tochter Charlotte heirathete 1870 den Maler Carl Ernst Morgenstern, starb aber schon am 19. April 1880 zu Aibling; sein Sohn bildete seine Stimme aus und wurde Sänger in Berlin.

Vgl. Regnet in Lützow’s Zeitschrift 1869, IV, 161 und dessen Münchener Künstler-Bilder, Leipzig 1871,II, 172–180. – Kunstvereins-Bericht für 1869, S. 51. – Seubert 1879, III, 234.