ADB:Scheuchzer, Johannes

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Artikel „Scheuchzer, Johannes“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 708–710, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scheuchzer,_Johannes&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 06:25 Uhr UTC)
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Scheuchzer *): Johannes S., Arzt und Naturforscher in Zürich; geb. 1684, † am 8. März 1738. Jüngerer Bruder des bekannten Johann Jacob S. (s. den folgenden Artikel), theilte S. die Neigungen und Anlagen desselben und entwickelte sich, da er schon in seinem vierten Lebensjahre den Vater verlor, unter dem Einfluß des Beispiels des um zwölf Jahre älteren Bruders. [709] Bis zum 18. oder 19. Jahre in Zürich bleibend, betheiligte er sich an dessen Arbeiten und Reisen, war u. a. 1702 als Studierender der Medicin Begleiter desselben und als Respondent bei dem ersten Erscheinen des Οὐρεσιφοίτης genannt. Von 1703 an begann er eine selbständige, sehr wechselvolle Laufbahn, in der er sich indessen durch keine Hemmnisse noch Enttäuschungen in fortgesetzter wissenschaftlicher Arbeit entmuthigen ließ. Zuerst Militär in holländischem Dienst (1703), wurde er um diese Zeit mit dem Grafen Marsigli von Bologna bekannt, der die Schweiz, die Niederlande und England bereiste, begleitete denselben als Secretär nach Italien, machte 1704 naturhistorische Beobachtungen in Bologna, schrieb 1705 für die Denkschriften des von Marsigli gegründeten Institutes (Akademie) von Bologna eine Abhandlung über die Schichtung der Gebirge, begab sich dann aber zur Fortsetzung medicinischer Studien nach Basel, wo er sich am 20. Januar 1706 den Doctorhut der Medicin erwarb mit einer Dissertatio de usu historia naturalis (nicht „matheseos“, wie von den Meisten angegeben wird) in medicina. S. blieb dabei mit Bologna in Verbindung, sandte 1707 dem Institute eine Abhandlung über die Heilquelle von Pfävers (Commentariolus de thermis Fabariensibus), bemühte sich aber vergeblich, von 1707–1713, um Berufung zu einer dortigen Professur. Dagegen wurde er 1708 Mitglied des Institutes, sowie auch der Kaiserlichen Societas Naturae Curiosorum, bei welcher er den Namen Philippus II. führte. Er hatte jetzt seine erste größere Arbeit, die Einleitung zu einer Botanik der schweizerischen Gramineen („Agrostographiae helveticae prodromus“, fol. Tiguri 1708) veröffentlicht. Nach Zürich heimgekommen, in lebhaftem wissenschaftlichem Verkehr mit Gelehrten des In- und Auslandes, begleitete er seinen Bruder bei dessen Reise von 1709, sandte einen Bericht darüber an die Pariser Akademie, schrieb eine Abhandlung über die Entstehung der Gebirge (Schediasma de montium origine), betrieb aber daneben, zum bürgerlichen Fortkommen, auch kaufmännische Geschäfte. 1710 wieder in Holland, diesmal als Militärarzt, war er 1712 wieder zu Hause, wo mittlerweile sein Bruder ihm die Medulla Physices gewidmet hatte. Während des jetzt in der Schweiz ausbrechenden Toggenburger Krieges standen beide S. als Aerzte bei den Züricher Truppen im Felde, der ältere an der Reuß, Dr. Johannes dagegen vor Wyl im Thurgau, wo er neben glücklichster Behandlung der zahlreichen Kranken, durch Verwendung seiner mathematischen Kenntnisse bei Befestigungsarbeiten sich verdient machte. Wieder vergingen ihm Jahre in vergeblichen Bemühungen, um eine mathematische oder naturwissenschaftliche Professur in Basel (1716–1719), in Padua (1713–1719) oder um eine Geschichtsprofessur in Zürich (1720), während er 1719 den Grundriß seines beabsichtigten botanischen Werkes („Operis agrostographici idea“ 8°, Tiguri) und noch im gleichen Jahre das Werk selbst („Agrostographia sive graminum, juncorum, cyperoidum eisque affinium historiae“,Tig.) veröffentlichte. Das Werk fand zwar großes Lob; Linné gab den Brüdern S. zu Ehren einer Familie der Juncagineen den Namen Scheuchzeria; Haller veranstaltete 1775 eine neue, vermehrte Ausgabe der Agrostograhia (4° Tig.) und noch heute wird der Werth von Scheuchzer’s Leistungen anerkannt. Aber der Wunsch nach einer festen äußeren Lebensstellung erfüllte sich für S. erst 1723 (nicht 1733, wie Duvau schreibt), als ihn im Juni dieses Jahres der Züricher Große Rath zum Landschreiber der Grafschaft Baden (an der Limmat) für die Jahre 1724–1734 ernannte. Im Juni 1724 zog S. nach Baden, sein Amt dort anzutreten. Seine Amtsdauer war nahezu abgelaufen, als im Juni 1733 der Hinschied seines Bruders erfolgte, und nun berief ihn Zürich zu dessen Nachfolge, wie es Scheuchzer’s Verdienst gemäß war. Als Oberstadtarzt, Mitglied des Chorherrenstiftes (canonicus) und Professor der Physik am Carolinum (die Professur der Mathematik wurde von [710] letzterer wieder getrennt und an Johannes Geßner (A. D. B. IX, 103) übertragen) wirkte S. nun während der kurzen Dauer von fünf Jahren, die ihm noch vergönnt blieben. Im J. 1707 hatte er über die, auch von seinem Bruder oft besuchte und gerühmte Heilquelle von Pfävers geschrieben; eine der ersten Bemühungen des neuen Canonicus galt nun einer werthvollen historischen Arbeit über dasselbe Pfävers. Zähe Bestrebungen der Abtei Pfävers, gegenüber den acht regierenden eidgenössischen Orten in der Grafschaft Sargans gewisse Hoheitsrechte zur Geltung zu bringen, hatten langwierige Streitigkeiten zwischen beiden Theilen hervorgerufen. Eine Conferenz von Abgeordneten der Orte fand im September 1734 im Kloster selbst statt und beschloß eine gründliche Untersuchung der kaiserlichen u. königlichen Privilegien, auf welche die Abtei sich berief, – wirkliche oder angebliche Originalurkunden und Copien verlorener Briefe – vornehmen zu lassen. S. und Rathsherr v. Muralt von Bern, die an der Spitze der Conferenz standen, wurden mit dieser Prüfung beauftragt, und S. beleuchtete die ihnen vorgelegten Documente in einem Bericht (Responsum), dessen gründliches Ergebniß noch nach 80 Jahren J. Ulrich von Salis-Seewis (A. D. B. XXX, 248) bestätigte. Zugleich schrieb S. für Leu’s Helvet. Lexikon (Bd. XIV) einen guten Abriß der Geschichte von Pfävers. Mit ebenso gründlicher Kritik wie vorgebliche Originalurkunden entlarvte Sch. in einer Dissertation „de tesseris Badensibus“,Tig. 1735 das angebliche Naturproduct der sogen. Badener-Würfel. Er wies nach, wie der zufällige Fund einiger antik-römischer Würfel unter den Ruinen der einstigen Bäderstadt Aquae betriebsamer Gewinnsucht seit Jahrzehnten Gelegenheit gegeben habe, Unwissenheit und Aberglaube durch den Schein der Entdeckung eines sich stets wiederholenden Naturwunders zu täuschen. Noch hatte der treffliche Gelehrte einige naturwissenschaftliche Abhandlungen: 1736/37 „de meteoribus aqueis“Tig. und 1738 „Theses physicae miscellaneae“Tig. veröffentlicht, als der Tod ihn schon im 51. Lebensjahre Zürich und der Wissenschaft entriß.

Siegfried Leu, Wolf in den zum folgenden Artikel genannten Schriften. – Duvau (nicht Duran) in der Biographie universelle Bd. XLI (1825) Art. Jean Gesner S. 119. – Wegelin, Die Regesten der Benedictiner-Abtei Pfävers und der Landschaft Sargans, 4° Chur, Hitz 1850 (Einleitung). – Wartmann, Das Kloster Pfävers, im Jahrb. f. Schweizergeschichte Jahrg. VI (1881) S. 85.

[708] *) Zu Bd. XXXI, S. 141.