ADB:Schmidt, Joseph Hermann
Blumenbach und Langenbeck anschloß, 1823 die Universität Heidelberg. Hier beschäftigte er sich vorzugsweise unter Naegele mit Geburtshülfe, einem Fache, für das er eine große Vorliebe hatte und behielt, außerdem mit Physiologie unter Tiedemann und mit Chemie unter Gmelin, 1824 vertauschte er Heidelberg mit Bonn, wo er v. Walther hörte, 1825 ging er nach Berlin, wo er die Kliniken von Rust, Graefe, Jüngken und von Siebold besuchte. An letztgenannter Universität promovirte er mit einer Schrift: „De corporum heterogeneorum in plantis animalibusque genesi“ am 11. October 1825 zum Doctor med. Nachdem er 1826 die Staatsprüfung absolvirt hatte, ließ er sich in seiner Vaterstadt als Arzt nieder, prakticirte zunächst unter Leitung seines Vaters, erhielt dann an Stelle seines krank gewordenen Vaters ein Commissorium nach dem Städtchen Hövelhof, woselbst eine schnell umsichgreifende epidemische Erkrankung ausgebrochen war und lieferte als Resultat seiner dortigen Beobachtungen die erste größere schriftstellerische Arbeit: „Beiträge zur Staatsarzneiwissenschaft“, 1. Band, auch unter dem Titel: „Gutachtlicher Bericht an das Kgl. Preußische Hohe Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten und die Kgl. hochlöbliche Regierung zu Minden über das europäische Sommerfieber, mit besonderer Bezugnahme auf die Epidemie, welche im J. 1827 in den Moorgegenden des Kreises Paderborn geherrscht hat“ (Paderborn 1830, mit 22 Kupfertafeln). 1831 folgte ein größeres naturwissenschaftliches Werk: „Zwölf Bücher über Morphologie überhaupt und Nosomorphologie insbesondere“, auch unter dem Titel: „Versuch, die Metamorphose der Thiere zu erklären, mit vergleichenden Hinblicken auf die Pflanzenentwicklung. – Ueber Anwendung der Morphologie auf die vergleichende Krankheitslehre“ (Berlin 1831, 2 Bände nebst Atlas mit 19 Steintafeln in Fol.), das ihm die lebhafteste Anerkennung Goethe’s und Oken’s, sowie die Würde als Doctor phil. der Universität Halle verschaffte. Eine an ihn ergangene Berufung als Professor nach Zürich lehnte er ab, verblieb zunächst in Paderborn und machte beim Heranrücken der Cholera zum Studium dieser Seuche und der zu ihrer Abwehr getroffenen Maßregeln eine Reise nach Magdeburg und Berlin. Die Frucht dieser Reise war die Schrift: „Physiologie der Cholera“ (Berlin 1832). 1834 wurde er als erster Lehrer am Hebammeninstitut zu Paderborn und gleichzeitig als Director des dortigen Spitals angestellt, 1837 erzielte er bei der von dem preußischen Ministerium ausgeschriebenen Concurrenz für das brauchbarste Hebammen-Lehrbuch mit seiner Schrift: „Lehrbuch der Geburtskunde für Hebammen [749] in den königlich preußischen Staaten“ den ersten Preis, 1838 wurde er an Stelle seines Vaters Kreisphysicus und machte sich in dieser Eigenschaft, unterstützt von seinem Gönner und Freunde, dem bekannten Oberpräsidenten v. Vincke, durch Gründung bezw. Verbesserung einer Reihe gemeinnütziger Institute in hohem Grade um die sanitätspolizeilichen Verhältnisse seines Heimathskreises verdient. Besonders bemüht war er um die Errichtung einer Heilanstalt für unheilbare Kranke. Als Programm bei Eröffnung der Provinzial-Pflegeanstalt für Hülflose in Geseke am 19. November 1841 gab er heraus: „Hundert Aphorismen über humanes Leben“ (Paderborn 1841). 1839 erhielt er zum Beweis der Anerkennung seines Wirkens von Seiten der Staatsregierung den Sanitätsrathstitel, sowie 1840 eine Ordensauszeichnung. An der Discussion über die damals die ärztlichen Kreise beschäftigende Frage der Medicinalreform betheiligte sich S. lebhaft und publicirte: „Ueber Triunität in der höheren Medicin und deren Spaltung im medicinischen Subalternpersonale. Ein Beitrag zur medicinischen Logik und zur administrativen Tagesfrage“ (Paderborn 1842); „Ueber die Sonderung im Medicinaldepartement“ (ebda. 1843). Infolge dessen erhielt S. 1843 eine Berufung als außerordentlicher Arbeiter beim Cultusministerium nach Berlin, zunächst nur provisorisch für ein Jahr, 1844 aber schon die definitive Anstellung als vortragender Rath im Ministerium und als Professor an der Universität, letztgenanntes Amt als Nachfolger Kluge’s in Verbindung mit der Direction der Gebärabtheilung an der Charité. 1848 nach dem Tode Hauck’s übernahm er hierzu noch den Hebammenunterricht. Doch erfreute er sich in den genannten Stellungen keiner langen Wirksamkeit mehr, da er infolge eines mehrjährigen, zum Theil durch die übermäßige berufliche und schriftstellerische Thätigkeit hervorgerufenen Brustleidens bereits am 15. Mai 1852 starb. S. war ein ganz außerordentlich fleißiger Arzt und Beamter, ein geistreicher, fesselnder Lehrer, als Mensch gewissenhaft, wohlwollend und wegen dieser Eigenschaften und seiner echt collegialischen Gesinnungen von den Berufsgenossen an der Universität, mit denen er lebhaften, freundschaftlichen Verkehr unterhielt, und von den Aerzten Berlins hochgeschätzt. Einen Beweis für seine unermüdliche schriftstellerische Arbeitskraft liefern außer den genannten noch folgende Publicationen: „Ueber Anstellungen und Beförderungen im Medicinaldepartement“ (Berlin 1851); „Neue Auswahl medicinisch-gerichtlicher Gutachten, mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen etc. Angelegenheiten herausgegeben von der königlichen wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen. Erste Lieferung: Zur gerichtlichen Geburtshülfe; erste Abtheilung: Ueber Kunstfehler der Geburtshelfer und Hebammen“ (ebda. 1851); „Bemerkungen über das Lehrbuch der Geburtskunde für die Hebammen in den preußischen Staaten“ (Berlin 1839); „Fragebuch der Geburtskunde, dem Inhalte und der Form des neuen Hebammen-Lehrbuchs für die königlich preußischen Staaten entsprechend geordnet. Mit einem klinischen Anhang“ (ebda. 1840); „Zweitausend Aphorismen über die Geburt und den Tod des Menschen. 1. Chiliade: auch unter dem Titel: Tausend Aphorismen über die Geburt des Menschen“ (ebda. 1844); „Die Reform der Medicinalverfassung Preußens“ (ebda. 1846); „Kleines Hebammenbuch“ (ebda. 1847) u. v. a. Alle diese Schriften zeichnen sich besonders durch einen durchsichtigen, klaren, fesselnden und eleganten, formvollendeten Stil aus. Die Verdienste Schmidt’s als Geburtshelfer liegen besonders darin, daß er sich einer überaus einfachen Technik bediente, im großen und ganzen aber die Grenzen für die Kunsthülfe so eng als möglich zog.
Schmidt: Joseph Hermann S., Arzt, geboren am 14. Juni 1804 zu Paderborn und als Geh. Medicinalrath, Vorstand der geburtshülflichen Klinik in der Charité und ordentlicher Professor zu Berlin am 15. Mai 1852 gestorben, war der Sohn eines gleichfalls hervorragenden Arztes, des Medicinalrathes Dr. med. et phil. Joseph S., der die Stellung eines Kreisphysikus in Paderborn und das Vorsteheramt der dort bestehenden Commission des Medicinalcollegiums zu Münster bekleidete. Dieser wußte bei seinem lebendigen, strebsamen Sohn schon früh, und namentlich während der Paderborner Gymnasialzeit ein lebhaftes Interesse an den Naturwissenschaften zu wecken und zu pflegen. 1821 bezog S. zum Studium der Heilkunde die Georgia Augusta in Göttingen, wo er sich besonders an- Vgl. noch: Goeschen in „Deutsche Klinik“ IV, 1852, S. 242. – Biographisches Lexikon hervorragender Aerzte etc., hsgg. von A. Hirsch, V, 243–245.