Zum Inhalt springen

ADB:Schramm, Johann Heinrich (reformierter Theologe)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schramm, Johann Heinrich“ von Friedrich Wilhelm Cuno in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 442–444, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schramm,_Johann_Heinrich_(reformierter_Theologe)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 07:33 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schramm, Dominikus
Band 32 (1891), S. 442–444 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Heinrich Schramm in der Wikipedia
Johann Heinrich Schramm in Wikidata
GND-Nummer 117026158
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|32|442|444|Schramm, Johann Heinrich|Friedrich Wilhelm Cuno|ADB:Schramm, Johann Heinrich (reformierter Theologe)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117026158}}    

Schramm: Johann Heinrich S., reformirter Theologe, hervorragend als Schriftsteller, einer der verdientesten Lehrer der Herborner Hochschule im vorigen Jahrhundert, geboren zu Girkhausen im Wittgenstein’schen am 20. März 1676, † zu Herborn am 20. Januar 1753. Sein Vater Johann Jakob S., Prediger zu Girkhausen, dann zu Weissel im kurpfälzischen Oberamte Bacharach, wo er 50 Jahre im Segen wirkte und, 85 Jahre alt, 1729 starb, unterrichtete ihn bis zu seinem 14. Lebensjahre mit größter Sorgfalt, worauf er 1690 die Herborner Akademie bezog. Die ersten zwei Jahre verlegte er sich mit allem Fleiß auf die propädeutischen Studien, worauf er zum Studium der Theologie überging, in welcher hier seine Lehrer Johann Heinrich Florin und der nachher als chiliastischer Schwarmgeist bekannt gewordene Hesse Heinrich Horche waren. Seine Weiterbildung gewann er auf mehreren niederländischen Universitäten. Auf denselben hörte er mit größtem Nutzen die berühmten Coccejaner Vitringa, Roell, Braun, Witsius und Burmann. Nachdem er unter die Zahl der pfälzischen Predigtamtscandidaten aufgenommen worden und sich einige Zeit zu Hause im Predigen geübt, wurde er unterm 15. October 1701 zum Professor der Beredtsamkeit, Geschichte und griechischen Sprache, sowie zum Pädagogearchen nach Herborn berufen. Da er aber auf eine theologische Professur seine Augen richtete, so reiste er 1706 zu dem 200jährigen Jubelfeste der Universität Frankfurt a. d. Oder, um sich die Doctorwürde in dieser Fachwissenschaft zu erwerben. Die von ihm [443] daselbst bei dieser Gelegenheit gehaltene Inaugural-Dissertation handelt „de Manipulo Hordeaceo ejusque mysterio“. Doch 1707 wurde er von dem Fürsten Wilhelm zu Nassau-Dillenburg wegen seiner ausnehmenden Predigtgaben zum Consistorialrath und ersten Prediger in seine Residenzstadt Dillenburg berufen; im Herbste 1709 aber schon, mit Beibehaltung seiner Consistorialrathsstelle auf die dritte theologische Professur nach Herborn zurück vocirt. Als Lehrer der Gottesgelehrtheit arbeitete S. mit einem seltenen Fleiße an der Unterweisung der studirenden Jugend, besonders übte er sie in theologischen Disputirübungen. Obschon eine Menge auswärtiger Berufungen an ihn ergingen, schlug er doch alle aus, weil er in der Nähe seiner hochbetagten Eltern und seiner Schwiegereltern (seine erste Gattin war eine Tochter des Regierungsrathes Georg Daniel Cruciger zu Dietz, seine zweite eine Tochter des kurpfälzischen Beamten zu Caub Joh. Jac. Hörath, dessen Frau von dem berühmten Gerhard Mercator’schen Geschlechte abstammte) bleiben wollte. Doch folgte er, auf eines Verwandten Bitte, 1721 einem Rufe nach dem benachbarten Marburg, kam aber 1723, auf das Andringen des Fürsten Wilhelm, wieder in sein liebes Herborn zurück. Als er seines Alters wegen 1745 das Predigtamt niedergelegt hatte, wurde ihm die Superintendentenstelle über die Kirchen und Schulen des Fürstenthums übertragen, welche er bis an sein Ende nicht als ein Vorgesetzter, in unprotestantischem, hierarchischem Geiste, auch nicht als ein Bureaukrat, sondern als ein väterlicher Freund und treuer Berather, in einem rechten brüderlichen Verkehre, über die ihm unterstellten Prediger in Stadt und Land führte. Die meisten Pfarrregistraturen des Dillenburger Landes bewahren darüber noch manche kostbare Documente. Selten hat ein Leiter des Kirchenwesens eines Landes wohl einer größeren Liebe bei Vornehm und Niedrig, Alt und Jung sich zu erfreuen gehabt als S. Das offenbarte sich so recht sichtlich bei seinem Ableben, welches das ganze Land aufs schmerzlichste bewegte. Auch die Studenten hingen mit inniger Verehrung an ihm. Eine einfache steinerne Wandtafel auf der rechten Seite des Haupteinganges in die Herborner Kirche bezeichnet noch heute die Stätte, wo die Gebeine Schramm’s ruhen. In seiner theologischen Richtung finden wir eine moderate reformirte Orthodoxie, welche in wissenschaftlicher Beziehung coccejanisch, in praktischer pietistisch gefärbt war. Mit dem Pietismus hatte er auch die Bestrebungen nach Vereinigung der beiden evangelischen Kirchen getheilt. Schon in Marburg veröffentlichte er 1722 eine lateinische Dissertation über dieses Thema, welche auch in deutscher Uebersetzung erschien unter dem Titel: „Beweis der zu dieser Zeit höchst nöthigen Kirchenvereinigung unter den Protestanten“. Von größerer Bedeutung ist seine neue Ausgabe der „Politia ecclesiastica“ und der „Explanatio legum mosaicarum forensium“ des alten Herborner Professor W. Zepper, welche er mit vielen trefflichen Anmerkungen ausstattete. Von mehr praktischem Werth sind seine 1749 erschienenen „Canones ad textuum sacrorum analysin et exegesin recte instituendam“, eine noch heute beachtenswerthe Homiletik. Mehrere exegetische Arbeiten über einzelne schwierige Bibelstellen hat er in gelehrte theologische Zeitschriften, wie in die Bibliotheca Bremensis, die Miscellanea Duisburgensia geschrieben. Der reformirten Kirche von Nassau-Dillenburg hat er mit seiner letzten Arbeit vom Jahre 1752 einen großen Dienst erwiesen. Es ist dieses die Edition eines neuen, sehr guten Gesangbuches, welches im J. 1756 erschien unter der Aufschrift: „Neu- vermehrt- und verbessertes Oranien-Nassauisches Kirchengesangbuch, worinnen die Psalmen Davids, benebens den erbaulichsten und gebräuchlichsten Gesängen und Liedern, durch D. Luther und viele andere Männer gestellt, nebst Neanders Bundeslieder und sonst verschiedene“ u. s. w. Einzelne Lieder hat S. selbst gedichtet, die bisher gebräuchlichen Psalmen und Kirchengesänge in sprachlicher Beziehung verbessert. Als Dichter ist S. überhaupt für seine Zeit keineswegs ohne Bedeutung, wenn er auch solche in derselben, die [444] allzu prosaisch dachte, nicht fand. Seine übrigen Gedichte sind Gelegenheitsgedichte. Sie zeichnen sich aber vielfach durch poetische Schönheit und eine, für jene Zeit wenigstens, vollendete Form aus. So das Trauergedicht auf den Heimgang des Hofpredigers Wilh. Schacht: „Wer sollte wohl die Welt nicht eine Wüste nennen, da nichts als Ungemach das Volk des Höchsten drückt? Hier kommt ein Amalek und will das Lager trennen, dort steht des Edoms Heer, das immer näher rückt. Es kann sich vor der List des Feindes kaum erretten, Wer hier die Grenzen will von Canaan betreten“ u. s. w.

Für die kirchlichen Bewegungen seiner Zeit zeigte S. ein hohes Interesse. Daher wurde er leicht für des Schweizers Michael Schlatter Bemühungen, den nach Pennsylvanien ausgewanderten reformirten Pfälzern Prediger zur Pastorirung zu senden, gewonnen. Im Vereine mit seinem Collegen und nachherigen Nachfolger im Kirchendienste Dr. Valentin Arnoldi gewann er noch im Anfange des Jahres 1752 mehrere Candidaten für diesen Plan. Unter letzteren befand sich Philipp Wilhelm Otterbein aus Frohnhausen, Heinrich Wilhelm Stoy aus Herborn, ein anderer Herborner Namens Frankenfeld.

Eine besondere Vorliebe hatte S. für die Geschichte der Vergangenheit von Oranien-Nassau. Die Heldengestalten, wie die im Staats- und Kirchendienste hervorragenden Männer dieses Landes begeisterten ihn, ebenso die Gelehrten, die ehedem an der Herborner Hochschule wirksam gewesen. Ihr Andenken der Nachwelt zu erhalten, sammelte er mit seinem Bienenfleiße in allen Bibliotheken, Archiven, Pfarrregistraturen und wo sich sonst eine Gelegenheit darbot. Als eine Frucht dieser historischen Forschungen hat er „De Principum Arausionensium et Nassovicorum meritis“ 1749 und zwei zu Leipzig 1740 erschienene Lebensbeschreibungen der beiden berühmten ersten Professoren der Theologie zu Herborn, des Joh. Piscator und Kasp. Olevianus hinterlassen. Leider sind aber diese beiden Lebensbilder gänzlich im Laufe der Zeit verschwunden. Dasselbe Geschick haben auch die werthvollen Manuscripte Schramm’s erfahren.

Die Schriften Schramm’s hat, doch nicht vollständig, Strieder, Hessische Gelehrtengeschichte angegeben. Die übrigen, außer den bereits aufgeführten, finden sich in A. v. d. Linde, Nassauer Drucke. Das „Leben des Kaisers Adolf von Nassau“ ist Herborn 1729 erschienen, ein Exemplar aber nicht mehr aufzufinden.

Val. Arnold, Denkmal der Ehren und Liebe, gestiftet zum Andenken des J. H. Sch. Herborn 1753. – Strieder, Hess. Gelehrtengesch. – Hirsching, Handb. XI. – Döring, gel. Theol. Deutschlands. IV. – Handschriftliches. – Schlatter’s Life and Travels by Harbaugh. Philad. 1857. – Ph. W. Otterbein’s Life by Drury. Dayton. 1884. – Appleton’s Cyclopedia of American Biography. – Cuno, Gedächtnißbuch deutscher Fürsten ref. Bekenntnisses III, IV.