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ADB:Schrötter, Karl Wilhelm Freiherr von

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Artikel „Schroetter, Karl Wilhelm, Freiherr von“ von Gottlieb Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 583–585, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schr%C3%B6tter,_Karl_Wilhelm_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 03:10 Uhr UTC)
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Schroetter: Karl Wilhelm, Freiherr v. S., Chef-Präsident des Oberlandesgerichts von Ostpreußen, Kanzler des Königreichs Preußen, ein Bruder des Staatsministers v. S., wurde am 9. April 1748 zu Wohnsdorf, dem Gute seines Vaters, bei Friedland in Ostpreußen geboren. Nach vollendetem Studium auf der Universität zu Königsberg trat er am 17. März 1769 als Referendar bei dem Hofgericht daselbst in den Justizdienst. Im J. 1772 erhielt er eine Rathsstelle bei dem neu organisirten westpreußischen Landes-Justizcollegium, damals Regierung genannt, und wurde 1782 zum Vicepräsidenten, 1784 zum ersten Präsidenten desselben erhoben. Bis an sein Lebensende erinnerte sich S. der Worte, mit denen ihm Friedrich der Große dies letztere wichtige Amt übertrug: Er (der König) wäre in Absicht der Justizpflege eigentlich in seinen Staaten als Gottes Justitiarius anzusehen und würde dermaleinst von seiner Rechtsverwaltung Rechenschaft ablegen müssen, S. wäre aber wieder sein Justitiarius in Westpreußen und bliebe hier auf Erden Ihm, dermaleinst aber ebenmäßig dem höchsten Weltrichter wegen seiner Handlungen verantwortlich. S. hat sich des königlichen Vertrauens würdig gezeigt, auch in Zeiten harter Anfechtung ist er nie von dem Wege des Rechts und der Wahrheit abgewichen. Als er vom Könige Friedrich Wilhelm II. gegen Ende des Jahres 1789 an das Kammergericht zu Berlin als Präsident des Instructions-Senats berufen worden war, führte ihn sein unbeugsames Rechtsgefühl in Conflicte mit dem damals allmächtigen Minister v. Wöllner. Außer anderem war die Weigerung Schroetter’s, ein bei dem Kammergericht niedergelegtes Testament an Wöllner auszuliefern, der Anlaß, daß dieser das Kammergericht mit seinem Hasse verfolgte und den König gegen dasselbe einzunehmen suchte. Als daher in dem damals großes Aufsehen erregenden Religionsproceß gegen den Prediger Schulz zu Gielsdorf, der der Irrlehre angeklagt war, das Kammergericht 1792 sich in seiner Mehrheit zu Gunsten des Angeklagten aussprach, erfolgte eine sehr ungnädige Cabinetsordre des Königs, wonach die Räthe mit Strafen bedroht wurden, welche in der Sache des Schulz ein freisprechendes Urtheil abgegeben. S. fühlte sich in seinem Gewissen gedrungen, für dieselben einzutreten, trotzdem er persönlich jenes Erkenntniß für irrig hielt. In einem Berichte an den König stellte er vor, daß nur bei ungekränkter Stimmfreiheit die Integrität des Richters gewahrt bleiben könnte. Im anderen Falle werde dieser „bei Abgebung seiner Stimme nicht mehr, so wie bisher, bloß auf Gott, Gesetz und Gewissen, sondern auf Klugheit, auf eigenen Vortheil und eigene Erhaltung Rücksicht nehmen“. Der König nahm zwar die in jener Cabinetsordre angedrohten Strafen zurück, S. aber wurde nach einiger Zeit, im J. 1794, von Berlin nach seinem früheren Wirkungskreis als Chef-Präsident der westpreußischen Regierung zu Marienwerder versetzt. Sein Beispiel und seine Belehrung wirkten anregend und erziehend auf das ihm unterstellte Justizpersonal. Auch über diesen Kreis hinaus äußerte sich sein Einfluß in wohlthätiger Weise. Schon damals, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, veranlaßte er die Deputirten der adeligen Gutsbesitzer Westpreußens zu einem Schreiben an den König, worin sie sich bereit erklärten, die Erbunterthänigkeit aufzuheben. (Christian Jacob Kraus, Vermischte Schriften II, 143.) Leider verlief diese Anregung zunächst ohne Erfolg. Ein Beweis des Vertrauens, das er bei den Ständen genoß, war seine Wahl zum Director der Generallandschaft und Feuersocietät. Durch königliche Bestallung vom 25. Juli 1803 wurde ihm die Kanzlerwürde des Königreichs Preußen (eins von den vier großen preußischen Hofämtern) verliehen. In der verhängnißvollen Zeit nach der Schlacht bei Jena folgte er seinem Könige nach Königsberg und dann auch nach Memel. Friedrich Wilhelm III. übertrug durch Cabinetsordre vom 14. November 1806 dem pflichttreuen und erprobten Manne als interimistischem Justizminister die Leitung der Rechtspflege in den nicht von dem Feinde besetzten Ländern und im [584] August des Jahres 1807 das Justiz-, Lehns- und geistliche Departement der ganzen Monarchie. Dieser hohen, wegen der außerordentlichen Zeitumstände besonders schwierigen Stellung hat er sich völlig gewachsen gezeigt. Von einem ähnlichen Geiste erfüllt, wie sein Bruder, der ausgezeichnete Staatsminister Friedrich Leopold v. S., hat auch er bei den tiefeinschneidenden Reformen der Jahre 1807 und 1808 mitgewirkt. So betheiligte er sich in Gemeinschaft mit seinem Bruder an den Arbeiten, die zu dem befreienden Edict vom 9. October 1807 führten. Dasselbe trägt neben der Unterschrift des älteren Schroetter’s und Stein’s auch die seine. Nachdem schon im J. 1806 von beiden Brüdern der Antrag auf Aufhebung des Mühlenzwanges gestellt war, erfolgte am 29. März 1808 das „Edict für Ostpreußen, Litthauen, Ermeland und den Marienwerderschen Landräthlichen Kreis, die Mühlen-Gerechtigkeit und die durchgängige Aufhebung des Mühlenzwanges betreffend“, das ebenfalls von den Schroetter unterzeichnet ist. Auch an den letzten Verhandlungen, die der am 26. December erfolgenden Allerhöchsten Genehmigung der Verordnung und Dienstinstruction bezüglich der Kammern vorausgingen, hat er theilgenommen; er war nach dem Rücktritt seines Bruders für diesen eingetreten. (E. Meier, Die Reform der Verwaltungs-Organisation unter Stein und Hardenberg. S. 217.) Endlich sei hier noch angeführt, daß er in höchst bedeutsamer Weise bei den schwierigen Arbeiten hervorgetreten ist, welche die Veräußerlichkeit der königlichen Domänen betrafen. (Edict und Hausgesetz, vollzogen am 17. December 1808, publicirt am 6. November 1809.)

Im J. 1809 wurde er von der interimistischen Führung der Ministerialgeschäfte durch eine seine Leistungen höchst anerkennende Cabinetsordre entbunden. Zum Chef-Präsidenten des ostpreußischen Oberlandesgerichts ernannt, blieb er fortan in Königsberg.

Selbst von vornehmer Geburt und dazu mit einer der edelsten Familien der Provinz, den Dohna, verschwägert, war er gleichwohl erhaben über alle Standesvorurtheile, gern verkehrte er mit Männern der Wissenschaft. Sein Haus bildete den Sammelpunkt der im eigentlichen Sinne besten Gesellschaft Königsbergs. In seinen Erinnerungen aus dem äußeren Leben (S. 185–186) preist Arndt dieses Haus, in welchem sich „die Dohna sehr oft versammelten und was durch Würdigkeit, Gelehrsamkeit und Tapferkeit in Königsberg ausgezeichnet war“. (Vgl. auch Meine Wanderungen etc. mit dem Reichsfreiherrn vom Stein. 2. Abdruck, S. 143.) Welche allgemeine Hochachtung und Verehrung S. genoß, zeigte sich in wahrhaft großartiger Weise bei Gelegenheit seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums am 17. März 1819. Die Feier gestaltete sich zu einer Huldigung der ganzen Provinz. Zu Ehren des Jubilars war eine Medaille geschlagen und sein Bildniß in Kupfer gestochen worden. Das königliche Staatsarchiv zu Königsberg bewahrt zwei stattliche Bände „Acta die Feier des Dienst-Jubilaei des … Kanzlers etc. Freyherrn von Schroetter Excellence betreffend“, worin u. a. die dieses Fest betreffenden Berichte, Reden und Gedichte gesammelt sind. Der König hatte dem Gefeierten sein Brustbild mit einem huldvollen Handschreiben gesandt, auch von dem Berliner Kammergericht und dem Oberlandesgericht zu Marienwerder waren in warmem Tone gehaltene Gratulationen übersandt worden. – Die vielen guten Wünsche, welche der Erhaltung eines so reich gesegneten Lebens galten, sollten nicht in Erfüllung gehen. Schon am 2. December desselben Jahres starb S. im 71. Jahre seines Lebens. Von ihm konnte sein alter Freund Scheffner mit Recht sagen: „Unter drei Königen, wahrlich nicht Eines Sinnes und Geistes Kindern, wandelte Er, freilich nicht immer auf Rosen, doch aber ohne Absprung von der Straße, welche die richtige ist“. (Scheffner, Nachlieferungen zu meinem Leben. Leipzig 1884. S. 74.)

[585] Eine kurze Biographie des Kanzlers im Amtsblatt der königl. preußischen Regierung zu Königsberg unter dem 21. April 1819 (wohl von dem aus dem Freiheitskriege bekannten Oberstlieutenant Friccius, der als Oberlandesgerichtsrath in Königsberg unter S. arbeitete). Andere Beiträge finden sich in jenen beiden vorhin erwähnten Actenfascikeln des Staatsarchivs zu Königsberg, insbesondere im 2. Bd., wo u. a. die inhaltsreiche, Schroetter’s Amtsthätigkeit in Berlin ausführlich behandelnde Rede aufbewahrt ist, die er selbst bei seinem Amtsjubiläum gehalten. – Königsberger Hartung’sche Zeitung vom Jahr 1819. – Pertz, Leben Stein’s. 2. Bd. – Ganz, Stein, Schön u. d. Entstehung des Edicts vom 9. October 1807. Mainz 1885. – G. F. Knapp, Die Bauern-Befreiung etc. in den älteren Theilen Preußens. Leipzig 1887. 2. Th., S. 156, 160, 162.