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ADB:Kraus, Christian Jacob

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Artikel „Kraus, Christian Jacob“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 66–68, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kraus,_Christian_Jacob&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 06:08 Uhr UTC)
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Kraus: Christian Jakob K., geb. am 27. Juli 1753 in Osterode bei Hildesheim, † in Königsberg in Preußen am 25. August 1807, Sohn eines städtischen Chirurgen, hatte sich der Leitung einer trefflichen Mutter (Tochter des Bürgermeisters Buchholz) zu erfreuen, welche ihn nach den Grundsätzen des weit verbreiteten Pietismus erzog; er besuchte die Unterrichtsanstalten seiner Vaterstadt und mag wol damals durch übertriebene nächtliche Anstrengung den Grund zu einer ihm bleibenden Reizbarkeit gelegt haben. Im Herbst 1770 ging er zum Universitätsstudium nach Königsberg, wo ein mütterlicher Onkel [67] Pfarrer war, und besuchte hauptsächlich die Vorlesungen Kant’s, welcher bei einer Disputation auf ihn aufmerksam gemacht, ihn zu sich rief und dann als Lehrer in das Schlippenbach’sche Haus empfahl (1773), sowie auch später (1777) in den geselligen Kreis bei Graf Kayserling einführte. Um jene Zeit (1774) knüpfte K. eine innige und lebenswierige Freundschaft mit Hans Jak. v. Auerswald, dem nachmaligen Curator der Universität (s. Allgem. d. Biogr. Bd. I, S. 645), und kam auch in näheren Umgang mit Hamann; im J. 1779 aber ging er als Begleiter eines adelichen Studirenden über Berlin nach Göttingen, wo er noch bei Heyne, Schlözer und Feder hörte. Da er ebendort die Nachricht erhielt, daß ihm in Königsberg eine Professur angetragen sei, erwarb er sich im Herbst 1780 in Halle die philosophische Doctorwürde, worauf er zum ordentlichen Professor der praktischen Philosophie und der Cameralwissenschaften in Königsberg ernannt wurde. Zum Antritte dieser Stelle (Ostern 1781) schrieb er „De paradoxo, edi interdum actiones voluntarias homine ipso non invito solum, verum adeo reluctante“, d. h. über die unfreiwillig-freiwilligen Handlungen oder über den bestrittenen Spruch „Coactus volui“. Er hielt täglich vier Stunden Vorlesungen, indem er neben den philosophischen und staatswirthschaftlichen Fächern auch über Homer, über Plato und über Shakespeare las; und nicht nur hierdurch, sondern auch in Folge einer gewissen Zaghaftigkeit kam es, daß er, während er unablässig arbeitete, doch weniges veröffentlichte. Neben einer kleinen Schrift „Der geistliche Abentheurer Freiherr v. Mortezinni“ (1784), trug er sich einige Jahre mit dem Plane eines ausführlichen Werkes über die Zigeuner, welches aber nie vollendet wurde; auch eine unter dem Titel „Ueber den Pantheismus“ geschriebene Recension über Herder’s Ideen z. Phil. d. Gesch. (1787) schickte er wol an Jacobi, ließ sie aber nicht drucken (er suchte darin den Begriff eines absolut Realen dadurch zu begründen, daß außerdem Existenz ein Prädicat ohne Subject wäre, und bemühte sich gegenüber dem Spinozismus, die „Kraft“ von dem „Sein“ und ebenso von diesen beiden die „Wirkung“ zu unterscheiden). Hingegen zwei andere Recensionen kamen zur Veröffentlichung, nämlich eine gegen Meiners, welcher in seinem „Grundriß der Geschichte der Weltweisheit“ (1786) sich wegwerfend über Kant geäußert hatte (Jenaische Allg. Litt.-Ztg. 1787), und eine zweite über Ulrichs „Eleutheriologie“, wobei K. (ebend. 1788) sich an den Kantischen Begriff der intelligiblen Freiheit, jedoch wol nicht ohne Mißverständnisse, anschloß; auch seine Vorlesungen über „Moralphilosophie“ zeigten neben seinen Bemerkungen über die unwillkürlichen psychischen Vorgänge manche Rückwendung zur Leibniz-Wolff’schen Auffassung und stützten sich grundsätzlich im Anschlusse an die Engländer auf die Urtheile des sittlichen Tactes betreffs Billigung oder Mißbilligung (worüber Herbart als Herausgeber dieser Vorlesungen natürlich sehr vergnügt war); desgleichen war eine andere Vorlesung „Encyklopädische Ansicht einiger Zweige der Gelehrsamkeit“ im wesentlichen nach Sulzer und Eschenburg gearbeitet. Ueberhaupt wendete sich K. allmälig von Kant ab, indem er demselben nur bezüglich der Auffassung des Raumes und der Zeit treu blieb, im übrigen aber in der theoretischen Philosophie einem gewöhnlichen Skepticismus zu huldigen begann; ja sogar von der Tischgesellschaft Kant’s zog er sich zum Bedauern desselben zurück. Es war ein praktisches Gebiet, nämlich das der Staatswirthschaft, zu welchem ihn nun in stets höherem Grade seine Neigung hinüberlenkte, nachdem er bereits 1786 zwei kleine Schriften „Ueber den Frachthandel“ und „Ueber das Seesalz-Monopol“ verfaßt hatte. Durch eingehende Studien war ihm die Verwandtschaft klar geworden, welche in den letzten Grundsätzen zwischen Adam Smith und David Hume besteht, und sowie er aus des letzteren Essays and treatises 23 politische Capitel in deutscher Uebersetzung veröffentlichte (1790), so verfolgte er nun die durch ersteren gegebene [68] Anregung in einer Menge von Einzelfragen; auch in seinen Vorlesungen vertrat er seit 1794 Finanzwissenschaft, Polizeiwissenschaft, Handelswissenschaft, Gewerbkunde und Landwirthschaft. Aus dieser Richtung gingen seine späteren kleinen Schriften hervor: „Ueber den Aufkauf“ und „Ueber Weizenausfuhr“ (1801), „Ueber die Aufhebung der Privat-Unterthänigkeit“ (1802), „Ueber Leinwandhandel“ und „Ueber Getreide-Verkehr“ (1805), „Ueber die Klagen über Geldmangel“ (1805), „Die Mittel der Bezahlung der französischen Kriegsschuld“ (1807), wozu aus dem Nachlasse noch „Staatswirthschaftliche Bemerkungen“ und „Staatswirthschaftliche Briefe von 1799–1802“ kamen. Seit 1802 begann er an einem Lungenübel zu leiden, welchem er nach 5 schmerzvollen Jahren erlag.

Vermischte Schriften über staatswirthschaftliche, philosophische und andere wissenschaftliche Gegenstände von Christian Jakob Kraus. Nach dessen Tod herausgegeben von Hans v. Auerswald, 8 Bde., 1808–19 (der 5. u. 6. Bd. sind von Herbart besorgt); der 8. Bd. ist „Das Leben des Prof. Christ. Jak. Kraus aus den Mittheilungen seiner Freunde und seinen Briefen dargestellt von Johannes Voigt“. Gottl. Krause, Beiträge zum Leben von Christ. Jak. Kraus (1881).