ADB:Meiners, Christoph
Rabener, De la Mettrie und Rousseau anzogen. In gleicher Weise verfuhr er auch an der Universität Göttingen, an welcher er von 1767–1770 als Studirender inscribirt war, aber unter Hintansetzung aller Vorlesungen sich nur in massenhafter Benutzung der Bibliothek bewegte. Doch faßte der Philosoph Feder ein Interesse an dem eigenthümlichen jungen Manne, welcher auch an einer von der Berliner Akademie (1769) gestellten Preisaufgabe über die menschlichen Neigungen sich nicht ganz erfolglos betheiligte, und desgleichen war ihm der Historiker Spittler wohl gewogen; beiden Männern trat er in der Folge näher und mit ersterem verband ihn später innige und dauernde Freundschaft. Von der Universität heimgekehrt arbeitete er eine Schrift „Revision der Philosophie“ aus, welche 1772 anonym erschien und unter scharfer Beurtheilung der neueren Erscheinungen den Standpunkt vertrat, daß alle Philosophie auf Psychologie gegründet werden müsse. Diese Leistung wurde für genügend erachtet, ihn zum außerordentlichen Professor in Göttingen zu ernennen (1772), worauf er 1775 zum Ordinarius vorrückte. In den Vorlesungen vertrat er Psychologie, Aesthetik, Geschichte der Philosophie und Geschichte der Religionen; seit 1776 war er Mitglied der Göttinger Societät und in den Jahren bis 1786 benutzte er mehrfach [225] die Ferien zu Reisen, um die Schweiz und verschiedene Gegenden Deutschlands kennen zu lernen; verheirathet war er mit einer Tochter des Professors Achenwall. Aus der staunenswerthen, ja nahezu entsetzlichen Menge seiner schriftstellerischen Leistungen gehören wenige dem Gebiete der speculativen Philosophie an, in welcher er der erwähnten Grundanschauung treu blieb, sowol in seinem „Abriß der Psychologie“ (1773) als auch im „Grundriß der Seelenlehre“ (1787); er stand überhaupt jenen Halbwolffianern nahe, welche mit Locke’s Empirismus einverstanden waren und der durch Kant begonnenen Bewegung kein Verständniß entgegenbrachten, daher er auch sich mit Feder in der Herausgabe der antikantischen „Philosophischen Bibliothek“ (1788–1791) verband; noch später griff er in seinen auf Gall’s Schädellehre bezüglichen „Untersuchungen über die Denkkräfte und Willenskräfte des Menschen“ (1806, 2 Bde.) auf seinen psychologischen Ausgangspunkt zurück. Aber die Hauptkraft lag in seiner außergewöhnlichen Belesenheit, welche ihn zu zahlreichsten geschichtlichen Darstellungen veranlaßte, welche allerdings weder an Genauigkeit der Forschung noch an Tiefe der Auffassung einen höheren Werth beanspruchen dürfen, aber für die damalige Zeit durch Anregung und Erweiterung des historischen Sinnes verdienstlich wirkten. Einen eigenthümlichen Eindruck macht es, wie sich die bessere Seite seines Verfahrens in seiner „Anweisung für Jünglinge zu eigenen Arbeiten“ (1789) abspiegelt, indem er die Methode des Lesens, Excerpirens und Combinirens bespricht. Es trieb ihn eine Monomanie, die Mitwelt über alles Mögliche geschichtlich aufzuklären und so gelangte er zu einer hastigen Vielschreiberei, bei welcher neben manchem Richtigen durch flüchtige Benutzung des zerstreuten Materials sich mehrfach voreilige Annahmen ergaben, an welchen er aber eigensinnigst in öfteren Wiederholungen festhielt. Bald nach seinen Erstlingsschriften erschien: „Versuch über die Religions-Geschichte der ältesten Völker, besonders der Aegypter“ (1774), dann folgte „De Zoroastris vita etc.“ (1778 f.) und „Historia doctrinae de vero deo“ (1780), bald hernach erweiterte er diese Untersuchungen zu einem „Grundriß der Geschichte aller Religionen“ (1785) und noch später gab er eine „Allgemeine kritische Geschichte der Religionen“ (1806 f., 2 Bde.). Unterdessen hatte er „Geschichte des Luxus der Athener bis zur Zeit Philipps von Macedonien“ (1781) und „Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom“ (1781 f., 2 Bde.) veröffentlicht und dann folgten „Grundriß der Geschichte der Menschheit“ (1786), „Grundriß der Geschichte der Weltweisheit“ (1786), „Grundriß der Geschichte und Theorie der schönen Wissenschaften“ (1787), hierauf „Geschichte des weiblichen Geschlechts“ (1788–1800, 4 Bde.), daneben „Vergleichung des älteren und neueren Rußlands“ (1789), „Beiträge zur Geschichte der Denkart des ersten Jahrhunderts nach Christi“ (1791), „Geschichte der Ungleichheit der Stände unter den europäischen Völkern“ (1792, 2 Bde.), „Historische Vergleichung der Sitten und Verfassungen, der Gesetze und Gewerbe, des Handels und der Religion, der Wissenschaften und Lehranstalten des Mittelalters mit denen unseres Jahrhunderts“ (1793 f., 3 Bde.), „Lebensbeschreibungen berühmter Männer aus der Zeit der Wiederherstellung der Wissenschaften“ (1795 f., 3 Bde.), „Beobachtungen über die Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit, über den vormaligen und gegenwärtigen Zustand der Länder in Asien“ (1796, 2 Bde.), sodann wieder „Allgemeine Geschichte der älteren und neueren Ethik“ (1801 f., 2 Bde.). Daneben hatte er auch über seine Reisen berichtet in „Briefe über die Schweiz“ (1784) und „ Kleine Länder- und Reisebeschreibungen“ (1791 ff.) und außerdem seit 1776 in die Commentationes der Göttinger Societät 23 Abhandlungen geliefert, sowie zugleich von 1787–1794 in dem von ihm mit Spittler herausgegebenen [226] „Göttingischen historischen Magazin“ 160 Aufsätze veröffentlicht, welche der jetzt sogenannten Völkerpsychologie und vergleichenden Anthropologie und allen möglichen Zweigen der Culturgeschichte angehören. Zum Besseren endlich, was er lieferte, dürften seine letzten umfangreichen Arbeiten gehören, nämlich: „Ueber die Verfassung und Verwaltung teutscher Universitäten“ (1801, 2 Bde.), „Geschichte der Entstehung und Entwicklung der hohen Schulen unseres Erdtheiles“ (1802–1805, 4 Bde.) und „Kurze Darstellung der Entwicklung der hohen Schulen des protestantischen Teutschlands“ (1808).
Meiners: Christoph M., geb. am 31. Juli 1747 in Warstade bei Otterndorf im Lande Hadeln, † am 1. Mai 1810 in Göttingen, Sohn eines Postmeisters, war bereits als Knabe bei der Schuljugend durch sein Erzählertalent beliebt, machte aber in den Lerngegenständen geringe Fortschritte und fühlte sich auch am Gymnasium zu Bremen, welches er seit 1763 besuchte, von jedem grammatischen Unterrichte so abgestoßen, daß er sich zum Privatstudium zurückzog, welches lediglich im Lesen zahlreicher Bücher bestand, wobei ihn besonders- C. G. Heyne, Memoria Christophori Meiners, 1810 (in den Comment. societ. reg. Gotting. ad ann. 1808–1811). Sämmtliche Schriften, Abhandlungen etc. M’s sind angeführt bei Pütter, Gelehrtengesch. d. Georg-Augustus Univ. Göttingen, Thl. II, S. 176 ff. u. 398 und Thl. III (fortgesetzt von Saalfeld), S. 105 ff.