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ADB:Seidel, Friedrich Ludwig

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Artikel „Seidel, Friedrich Ludwig“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 617–618, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seidel,_Friedrich_Ludwig&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 01:09 Uhr UTC)
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Seidel: Friedrich Ludwig S., ein seiner Zeit geschätzter Musikdirector am Kgl. Theater zu Berlin, geb. am 1. Juni 1765 zu Treuenbriezen und † am 8. Mai 1831 zu Charlottenburg bei Berlin. Sein Vater war ein Schuhmacher, der jedenfalls ein Liebhaber der Musik war, denn er ließ seinem Sohn bei dem dortigen Organisten Claus Clavier- und Orgelunterricht ertheilen, den er zusammen mit dem gleichaltrigen F. H. Himmel genoß. Auf Veranlassung seines älteren Bruders, der sich in Berlin befand, und den Capellmeister Reichardt für seinen Bruder einzunehmen versucht hatte, kam er nach Berlin und legte eine Probe seiner erworbenen Fertigkeit vor Reichardt ab. Reichardt war aber nicht der Mann, der einem jungen strebsamen Talente seine Zeit und Kräfte opferte und überließ ihn daher sich selbst und dem Zufalle, bis er endlich an Karl Benda, dem Concertmeister, einen Lehrer fand, der sich seiner mit Wärme annahm und seinen Compositionsversuchen eine tüchtige Unterlage gab. Im Jahre 1785 reiste Reichardt nach Frankreich und England, und da er eines Reisebegleiters bedurfte, so fiel seine Wahl auf S. Hier hatte er Gelegenheit in Paris die Opern von Gluck, Salieri und Sacchini zu hören, sowie in London sich mit den Werken Händel’s bekannt zu machen. Wäre seine geistige Veranlagung bedeutender gewesen, so mußte die Reise einen Wendepunkt in seinem Schaffen hervorrufen, doch die Natur hatte ihn nur mit einem Talentchen ausgestattet und dies hat er allerdings nach Kräften ausgebildet und seiner Zeit Genüge gethan. Begabt mit einem sanften und liebenswürdigen Charakter, war er der Liebling des Berliner Publicums und was er that und schrieb, wurde mit einer grenzenlosen Unbefangenheit aufgenommen. – Nach seiner Rückkehr nahm er noch bei Possin und Kirnberger Unterricht und betrat nun den dornenvollen Weg eines Klavierlehrers. Einige Lieder von ihm fanden in einem periodischen Blatte, dem musikalischen Blumenstrauß, Aufnahme und machten seinen Namen als Componist bekannt. Im Jahre 1792 hatte er sogar das Glück an einer der ersten Kirchen Berlins, an der Marienkirche, zum Organisten gewählt zu werden. Mit einer hübschen Tenorstimme begabt, schloß er sich als einer der Ersten an Fasch’s Bestrebungen an, einen Gesangschor ins Leben zu rufen (1791), aus dem sich dann später die Berliner Singakademie entwickelte. Hier fand er auch den Boden, wo er mit seinen Compositionen hervortreten konnte und einen dankbaren Chor, der sich mit Liebe seiner Werke annahm. Die Bibliothek der Singakademie besitzt noch im Manuscript ein Requiem, ein Salve, ein Requiescat und zwei deutsche vierstimmige geistliche Lieder in Motettenform. Für ein Privattheater schrieb er die Oper „Claudine von Villabella“. Sie gefiel ungemein und der Capellmeister Anselm Weber erkannte in S. ein tüchtiges Directionstalent, sodaß er ihn zu seinem Gehülfen am Nationaltheater vorschlug, was auch Iffland 1801 genehmigte, bis er dann im Jahre 1808 zum wirklichen Musikdirector bei der Kgl. Capelle ernannt und 1822 Capellmeister wurde. In reger Thätigkeit verblieb er bis zum Jahre 1830 im Amte, suchte dann um Pensionirung nach, die ihm auch gewährt wurde und zog sich darauf in das damals noch ländlich idyllische Charlottenburg bei Berlin zurück, wo er sein Leben schon im nächsten Jahre beschloß. Von seinen zahlreichen Compositionen, sowohl im geistlichen als weltlichen Stile, vom Oratorium herab bis zum vierstimmigen Chorliede, von der Oper bis zum einstimmigen Liede, Zwischenactsmusiken, Ballets und auch einige Instrumentalwerke, hat sich nur sehr Weniges erhalten, welches zum größten Theile die Kgl. Bibliothek zu Berlin aufbewahrt. Wie schon oben gesagt, huldigt S. der sanften bescheidenen Muse. Seine Erfindungskraft ist nur unbedeutend, doch überall zeigt er den geschickten und gewandten Musiker, und da seine Compositionen jenen gefälligen Ton anschlagen, welcher den Laien stets sicher trifft, so waren besonders seine Lieder und [618] kleinen Clavierstücke viel gesuchte und begehrte Artikel, die aber unter den Händen des launischen Publicums mit der Zeit gänzlich verschwunden sind bis auf das Wenige, was durch Zufall in öffentliche Bibliotheken gelangt ist. (Ledebur, Berliner Tonkünstler-Lexikon.)