ADB:Seidler, Karoline

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Artikel „Seidler, Karoline“ von Heinrich Welti in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 641–642, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seidler,_Karoline&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 09:43 Uhr UTC)
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Seidler: Karoline S., von 1817–38 eine Zierde und Stütze der kgl. Oper in Berlin, wurde ums Jahr 1790 zu Wien geboren. Ihr Vater war der fürstlich Lobkowitzische Capellmeister Anton Wranitzky (1761–1819), der neben seiner achtbaren Begabung für die Composition eine ganz hervorragende Befähigung zum musikalischen Lehrberuf besessen haben muß, wenigstens machten seine beiden Töchter, Katharina (verehelichte Kraus) und Karoline, als Bühnen- und Concertsängerinnen allerorts hochangesehen, seiner Schule und seinem Namen später die höchste Ehre. Ihre ersten Bühnenversuche wagte Karoline, die sich im J. 1812 mit dem trefflichen Violinisten Karl August Seidler (1778–1840) vermählt hatte, wohl unter der Leitung ihres väterlichen Lehrers auf dem Privattheater des Fürsten Lobkowitz. In den ersten Jahren ihrer Ehe bereiste sie dann mit ihrem Gatten die österreichischen Lande und das südliche Deutschland und ließ sich sowohl im Concert als auf der Bühne hören; im J. 1813 findet man das Ehepaar in München und im Sommer 1814 wird aus Pesth der erste bedeutende Bühnenerfolg der „Madame Seidler“ gemeldet, in einer mittelmäßigen Oper „Harald“ von Franz Xaver Kleinhinz. Der Ruf ihrer Leistungen in der Provinz veranlaßte alsbald die Leitung des Wiener Hoftheaters, die junge Sängerin zu einem Gastspiel einzuladen. Am 23. Februar 1815 stellte sie sich in der Rolle der Julia (Spontini’s Vestalin) zum ersten Male vor die anspruchsvolle Zuhörerschaft der Kaiserstadt; der Beifall war allgemein. Ihre „schöne, helle, klare und durchaus reine Sopranstimme“, ihre gute Schule, ihr „anständiges Mienenspiel, verbunden mit einer reizenden, ausdrucksvollen Gestalt“ gefielen so sehr, daß sie zu weiteren Gastrollen gebeten und, als sie auch durch ihre lieblichen Darstellungen der Marie im „Augenarzt“ und der Prinzessin im „Johann von Paris“, sowie durch ihre gesangliche Leistung als Sophie in Paër’s „Sargines“ sich noch fester in die Gunst des Publicums gesetzt hatte, dauernd für die Hofoper verpflichtet wurde (Mai 1815). Nach einem Jahr reicher Thätigkeit und bedeutender Erfolge im Concertsaal – wo sie zumeist in Gemeinschaft mit ihrem Gatten auftrat – wie im Opernhaus, erbat sie im Sommer 1816 einen zweimonatlichen Urlaub zu einer Gastspielreise nach Norddeutschland. Im Juni bis August weilte sie in Berlin und fesselte hier die Opernfreunde durch die Schönheit, Leichtigkeit und Anmuth ihres Gesanges, ihren geschmackvollen Vortrag und ihr lebendiges Spiel. Nachdem sie so in 10 Gastrollen ihre Leistungsfähigkeit erwiesen, darunter als Gräfin (Figaro), Myrrha (Opferfest), Rosina (Paisiello’s Barbier), wurde sie durch Vertrag dauernd an das Berliner Opernhaus gebunden. Trotzdem sie ihrer Wiener Verpflichtungen nicht ledig war, trat die Sängerin diese ihr besser zusagende Stellung an und verblieb dann darin auch bis an das Ende ihrer künstlerischen Laufbahn. Am 26. Mai 1838 nahm sie auf derselben Bühne für immer Abschied von den weltbedeutenden Brettern; gegeben wurden, zu ihrem Benefiz, die Oper „Der Wasserträger“, in der sie die Constanze sang, und der vierte Act aus „Robert der Teufel“, wo sie die Partie der Isabella vertrat. Es war eine überaus reiche und mannichfaltige Thätigkeit, auf die „die schöne Madame Seidler“ damals zurückblicken konnte. In den Annalen der Berliner Oper ist sie mit über 70 Rollen eingezeichnet; sie gehören theils dem jugendlich-dramatischen Fache, theils dem Gebiete der Soubrette an, doch wird namentlich in [642] den muntern und anmuthigen Partien des letzteren Schlages ihre künstlerische Meisterschaft gerühmt. Besonders hervorgehoben werden ihre: Prinzessin von Navarra (Johann von Paris), Rosine (Rossini’s Barbier, bei der ersten Aufführung des Werkes in Berlin), Henriette (Auber’s Maurer), Susanna, Zerlina, doch scheint sie auch für das lyrische Fach gerne verwendet worden zu sein; sie sang z. B. in der ersten Berliner Aufführung der Euryanthe (1825) die Titelrolle dieser Oper und gab auch die Pamina und die Anna (Weiße Dame). Der größte Erfolg und der unvergänglichste Ruhmestitel ihres Künstlerlebens war ihre Darstellung der „Agathe“ im Freischütz; war es ihr doch vergönnt gewesen, diese anmuthige träumerische deutsche Mädchenfigur bei der ersten Aufführung des herrlichen Werkes, am 18. Juni 1821, zum Leben der Bühne zu erwecken und durch ihre Leistung des Meisters Dank zu erwerben. 91 Male sang die Künstlerin diese Rolle allein in Berlin (1821–36) und erntete auch auswärts auf ihren häufigen Gastspielreisen damit großen Beifall. Karoline S. starb am 4. October 1872 zu Berlin, um dieselbe Stunde, da an der Stätte ihrer langjährigen Wirksamkeit der „Freischütz“ seine vierhundertste Aufführung erlebte.

Ledebur, Tonkünstlerlexicon Berlins, S. 544. – Allgemeine musikalische Zeitung von 1815 an häufig. – Mündliche Mittheilung.