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ADB:Souches, Ludwig Raduit de

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Artikel „Souches, Ludwig Raduit de“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 698–700, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Souches,_Ludwig_Raduit_de&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 08:19 Uhr UTC)
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Souches: Ludwig Raduit de S., k. k. Feldmarschall, war im J. 1608 aus einem verarmten adeligen Geschlechte zu La Rochelle geboren. Da seine Mittellosigkeit und das hugenottische Glaubensbekenntniß, welchem seine Familie anhing, seinem Fortkommen in der Heimath im Wege standen, suchte er sein Glück in der Fremde zu machen. Es schien ihm im schwedischen Kriegsdienste gelingen zu wollen, in welchem seine Laufbahn durch den Grafen de la Gardie rasch gefördert wurde. Zwistigkeiten mit dem General Stahlhantsch veranlaßten ihn jedoch nach einigen Jahren, aus demselben auszuscheiden. Erzherzog Ludwig Wilhelm nahm ihn als Oberstlieutenant in das österreichische Heer auf. Mit einem von ihm errichteten Dragonerregimente lag er 1644 vor dem von den Kaiserlichen belagerten Olmütz. Durch einen kühnen Versuch, mittelst nächtlichen Ueberfalles sich in den Besitz des Platzes zu setzen, erwarb er, obgleich der Anschlag vereitelt wurde, bald Ansehen im Heere und das Vertrauen des Erzherzog-Generalissimus. Nachdem S. zu Anfang des folgenden Jahres bei Jankau gefochten hatte, ernannte der Erzherzog ihn zum Commandanten von Brünn. Torstenson hatte damals auf seinem Siegeslaufe an der Donau umkehren müssen [699] und sich zunächst gegen jene Stadt gewendet, um durch die Eroberung derselben seinen Rücken frei und sich selbst zum vollständigen Herren von Mähren zu machen. Es war eine schwere Aufgabe, welche S. übernahm; mehrere Führer, denen sie angetragen war, hatten abgelehnt. S. unterzog sich derselben und eilte, seinen Posten anzutreten. Ein kaiserliches Schreiben aus Wien vom 22. März 1645 hatte ihm zur Pflicht gemacht, „diesen für alle Länder so wichtigen Platz auf alle mögliche Weise zu vertheidigen“. Am 26. d. M. gelobte er von Brünn aus denselben um keinen Preis übergeben zu wollen. Es war ein gewichtiges Wort, welches er einzulösen hatte. Die Stadt war unvollkommen befestigt, die Besatzung höchst mangelhaft, die Vertheidigungsmittel ganz ungenügend. Rasch und umsichtig, rücksichtslos durchgreifend und dabei fürsorgend freundlich, so daß er schnell das Vertrauen und die Mitwirkung der Bürgerschaft gewann, gestaltete er in der kurzen ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Stadt zu einem haltbaren Waffenplatze um, welchen zu bezwingen das siegessichere feindliche Heer sich den ganzen Sommer hindurch vergeblich bemühte. Am 3. Mai langte der schwedische Vortrab bei Brünn an, am 4. erschien Torstenson mit dem gesammten Heere selbst vor der Stadt. In seinem Tagesbefehle versprach er den Soldaten, sie in drei Tagen in die Stadt zu führen und binnen acht Tagen den Spielberg einzunehmen. Nachdem S. die Aufforderung zur Uebergabe schroff zurückgewiesen hatte, eröffneten die Schweden am 5. Mai die Laufgräben, aber weder Beschießung, noch Minenkrieg, noch Stürme brachten sie ihrem Ziele näher. S., obgleich durch Podagra, an dem er wie sein Gegner litt, gehindert, trat allen ihren Angriffen kräftig entgegen und unterstützte seine Gegenwehr durch häufige Ausfälle. Ein kalter regnerischer Sommer kam den Belagerten zu statten. Von außen erhielten sie einige Male durch kleine Abtheilungen, welche ihnen das mangelnde Pulver zuführten, unbedeutende Verstärkung, wogegen den Schweden im Juli gegen 10 000 Siebenbürgen unter dem jungen Sigismund Rakoczy zu Hülfe kamen. Nach ihrer Ankunft ward die Belagerung mit besonderem Nachdruck geführt, alle Hülfsmittel, welche die Kriegskunst bot, wurden angewendet, um zum Ziele zu gelangen. Aber alle vergeblich. Da ward auf den 15. August, den Marientag, ein Hauptsturm angesetzt. Als auch dieser abgeschlagen war, gab Torstenson die Hoffnung auf, Brünn einzunehmen, zumal da Rakoczy seine Truppen abberief. Schon am folgenden Tage, am 16., verließen diese das Heer, und am 20. zog Torstenson ab. Den Obersten de S., welchem der Erzherzog-Generalissimus schon während der Belagerung ein Infanterieregiment verliehen hatte, ernannte der Kaiser am 27. October, nachdem Bürgermeister und Rath der Stadt Brünn über seine Commandoführung sich auf das rühmendste ausgesprochen hatten, zum General-Feldwachtmeister und sicherte ihm die Verleihung von Grundbesitz zu, damit sein rühmliches Verhalten im Lande und in seinem Geschlechte verewigt würden. Zunächst schenkte er ihm im J. 1646 30 000 Gulden und erhob ihn in den Freiherrenstand. Weitere gute Dienste, welche S. in den Jahren 1646–1648 bei der Wiedergewinnung der von den Schweden erobert gewesenen Erblande leistete (Einnahme von Iglau 1647), veranlaßten seine nach Beendigung der Feindseligkeiten erfolgte Ernennung zum Feldmarschalllieutenant und zum Kriegscommandanten in Mähren und zu Brünn. 1649 verlieh der Kaiser ihm das Incolat von Mähren im Herrenstande unter der Bedingung, daß er binnen drei Jahren zum Katholicismus überträte, und verkaufte ihm, nachdem er dieser Forderung, von deren Erfüllung das Recht Grundbesitz zu erwerben abhängig war, genügt hatte, für 92 000 Gulden die in der Bezirkshauptmannschaft Znaim gelegene Herrschaft Jaispitz, wozu S. später die benachbarten Güter Hösting, Boskowstein und Platsch erwarb.

[700] Als im J. 1657 Kaiser Leopold den Polen Hülfsvölker zum Kampfe gegen die Schweden sandte, befehligte S. zuerst die Reiterei, später übernahm er an Stelle von Montecuccoli den Oberbefehl und belagerte gemeinsam mit den Polen unter Lubomirski die Stadt Thorn. Daß dieselbe erst nach sechsmonatlichem Kampfe am 30. December 1658 bezwungen wurde, war ebensowohl das Verdienst der Vertheidiger, wie die Schuld der Angreifer, deren Anführer durch ihre Uneinigkeit den Erfolg ihrer Waffen beeinträchtigten. 1659 marschirte S. mit 14 000 Mann durch die Neumark nach Pommern, eroberte zuerst Greifenhagen, dann das bis zum 7. September vom Oberst Contière tapfer vertheidigte Damm und belagerte schließlich Stettin, wo General Würtz ihm indessen so nachhaltigen Widerstand entgegensetzte, daß er am 16. November den Angriff aufgab. Am 3. Mai 1660 machte der Friede von Oliva den Feindseligkeiten ein Ende. – S. ward nun auf den ungarischen Kriegsschauplatz versetzt und im Kampfe gegen die Türken verwendet. Den Anordnungen, welche er dort zunächst traf, wird der Vorwurf gemacht, daß durch dieselben die Kräfte der Kaiserlichen zu sehr zersplittert seien und daß der Fall von Großwardein, zu dessen Entsatze er nichts unternommen habe, ihm zur Last gelegt werden müsse. Glänzender ging S., nunmehr zum Feldmarschall aufgerückt, aus dem Feldzuge des Jahres 1664 hervor, in welchem er ein abgesondertes Corps von 8500 Mann an der Waag befehligte. Zu Anfang desselben ließ er sich freilich die Vortheile entgehen, welche er aus einem am 16. Mai bei Heiligenkreuz erfochtenen Siege hätte ziehen können, indem er letzteren nicht ausbeutete; dann aber that er mehr als ihm aufgetragen war, als er, angewiesen den Streifereien der Türken innerhalb seines Machtgebiet entgegenzutreten, die letzteren am 19. Juli bei Sanct Benedict an der Gran, drei Meilen oberhalb Lewenz (Liva), nach welcher Stadt die Schlacht meist benannt wird, angriff, sie vollständig schlug, das belagerte Lewenz entsetzte und bis zur Donau vordrang. Der durch die Schlacht bei St. Gotthard herbeigeführte Waffenstillstand beendete bald darauf den Feldzug. – Trotz seines kriegerischen Erfolges wurde er seines Commandos enthoben. Er hatte sich Montecuccoli nicht unterordnen wollen und hatte durch Grausamkeit und Habsucht die allgemeine Meinung in Ungarn gegen sich aufgebracht. Bald freilich finden wir ihn wieder in hohen Aemtern, mit Ehren und Auszeichnungen begnadigt, als Geheimen Rath und als Hofkriegsrath, als Commandanten von Komorn, Generalcommandanten der Grenzen in Slavonien, Stadtobersten von Wien und als Grafen und 1673 zog er unter Montecuccoli gegen die Franzosen an den Rhein zu Felde. 1674 stand er mit einem Hilfscorps unter Wilhelm von Oranien in den Niederlanden. Aber auch hier wollte er nicht gehorchen. Sein Widerspruchsgeist und seine Bestechlichkeit, verbunden mit Mißgunst und Neid auf fremdes Verdienst, welche namentlich gelegentlich der Schlacht von Seneff (11. August 1674) zu Tage getreten waren, veranlaßten seine Abberufung, bei welcher noch eine von den Generalen Grana, Spork, Chavagnac u. a. schriftlich wider ihn erhobene Anklage des Einverständnisses mit dem Feinde mitgewirkt haben mag. S. hatte überhaupt wenig Freunde, viele Gegner. Einer derselben, der schon genannte Chavagnac, spricht ihm in seinen Mémoires (Amsterdam 1701) alle militärischen Fähigkeiten ab. S. ging nach Brünn, wo er am 6. August 1683 gestorben ist. Sein Geschlecht ist im Mannesstamme 1736 erloschen.

d’Elvert, Die Schweden vor Brünn. Brünn 1845. – Schweigerd, Oesterreichs Helden, 2. Bd. Wien 1853.