ADB:Spaun, Anton Ritter von
[69] Wien den Verzicht der historischen Stände auf ihre erblichen Vertretungsrechte für eine unerläßliche Bedingung einer freien volksthümlichen Vertretung erklärt. Unter den Freunden, welche mit S. in den letzten Jahren seines Lebens verkehrten, sind besonders Moritz v. Schwind und Adalbert Stifter zu nennen, welch letzterer insbesondere S. sehr hoch schätzte. Infolge seiner auf langjährigen genauen Forschungen beruhenden Arbeiten über das Nibelungenlied wurde S. am 24. Mai 1848 von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien zum correspondirenden Mitgliede gewählt, nachdem er schon vorher von verschiedenen gelehrten Gesellschaften durch Diplome und Anerkennungen ausgezeichnet worden war. Der sowohl als Beamter wie auch als Forscher gleich vortreffliche Mann, welcher übrigens bescheiden zurückgezogen lebte, starb am 26. Juni 1849 zu Kremsmünster an einem Herzleiden.
Spaun: Anton Ritter v. S., culturhistorischer österreichischer Schriftsteller, wurde am 31. Mai 1790 zu Linz als der Sohn eines Landrathes geboren. Er erhielt eine treffliche Erziehung im Hause und nicht nur den ersten Unterricht, sondern auch seine spätere Ausbildung in seiner Vaterstadt, woselbst er auch die rechtswissenschaftlichen Studien betrieb und beendete. Im J. 1810 trat er in den richterlichen Staatsdienst zu Linz als Auscultant ein, er wurde 1818 zum Secretär und 1821 zum Stadt- und Landrath ernannt, 1839 wurde er Syndikus der oberösterreichischen Stände. Obwohl S. kein Freund gewaltsamen Umsturzes war, hatte er doch im April 1848 in der Versammlung der Provinzialstände zuAn litterarischen Arbeiten aus der Feder v. Spaun’s liegt keine große Zahl vor, aber die vorliegenden Veröffentlichungen zeugen von eingehenden langen Studien und weisen den großen Scharfsinn Spaun’s in der Behandlung von wissenschaftlichen Fragen auf. Es waren hauptsächlich die Arbeiten und Untersuchungen Spaun’s über den Verfasser des Nibelungenliedes, welche die Aufmerksamkeit auf ihn zogen. Sein in dieser Beziehung wichtigstes nicht sehr umfangreiches aber überaus gründlich abgefaßtes Werk ist betitelt: „Heinrich v. Ofterdingen und das Nibelungenlied. Ein Versuch den Dichter und das Epos für Oesterreich zu vindiciren“ (Linz 1840). Es ist bekannt, daß die Frage, um welche es sich hier handelt, noch immer nicht entschieden ist. S., ein sehr genauer Kenner des Volksthumes seiner Heimath, will insbesondere auch aus heute noch vorkommenden oberösterreichischen Volksweisen die rhythmische Harmonie verschiedener Strophen des Nibelungenliedes erkennen. Im Zusammenhange damit wenigstens in der erwähnten Richtung, steht das später erschienene poetisch und musikalisch werthvolle Buch Spaun’s: „Die österreichischen Volksweisen, dargestellt in einer Auswahl von Liedern, Tänzen und Alpenmelodien“ (Wien 1845), dessen Vorwort auch einige grammatikalische Andeutungen über den oberösterreichischen Dialekt enthält. Leider ist in der 1882 erschienenen schönen 3. Neuausgabe dieses Buches das genannte Vorwort nicht mit abgedruckt. Auch Spaun’s letztes Werk behandelt das Nibelungenlied, es betitelt sich: „Nibelungenklage. Die Klage Ein deutsches Heldengedicht des 12. Jahrhunderts. Erzählt und erläutert.“ (Pest 1848.) Im Jahre 1842 brachte die Wiener Zeitung vom 7. und 8. Juni eine Abhandlung Spaun’s über die „Heimath und den Dichter des Nibelungenliedes“, die auch als Separatabdruck erschienen ist.