BLKÖ:Spaun, Anton Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Spatzier, Johann
Band: 36 (1878), ab Seite: 71. (Quelle)
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Spaun, Anton Ritter von (Geschichtsforscher, geb. zu Linz 31. Mai 1790, gest. zu Kremsmünster 26. Juni 1849). Sein Vater Franz Xaver (gest. 1804) war Landrath in Linz und Syndikus der Stände Ober-Oesterreichs; seine Mutter Josepha eine geborene von Steyrer. In Linz beendete S. seine sämmtlichen, sogar die staats- und rechtswissenschaftlichen Studien. Zwanzig Jahre alt, trat er im Jahre 1810 als Auscultant bei dem Landrechte in Linz in den Staatsdienst, wurde 1817 Rathsprotokollist, 1818 Secretär, 1821 Stadt- und Landrath, womit er seine staatsdienstliche Laufbahn abschloß, aus welcher er im Jahre 1839 als Syndikus in die Dienste der oberösterreichischen Stände trat und in denselben bis zu seinem im Jahre 1849 im Alter von noch nicht 60 Jahren erfolgten Ableben thätig blieb. Sein Wirken als Staatsbeamter ist über alles Lob erhaben, sein Richteramt übte er mit Gerechtigkeit und Energie, aber zugleich mit Wohlwollen und möglichster Schonung. Aber auch sein Wirken als ständischer Syndikus verdient der Erinnerung erhalten [72] zu werden. Seine Ueberzeugung, daß kein Heil von gewaltsamen Umstürzen und der Entfesselung der Leidenschaften. sondern nur von gesetzlichem Fortschritte zu erwarten sei, bethätigte er im denkwürdigen Jahre 1848. Diese Ueberzeugung sprach er im genannten Jahre unter allen Stürmen immer wieder in den öffentlichen Verhandlungen aus. Was auf dem Wege des Gesetzes zur Freiheit führte, fand in ihm einen Vorkämpfer. Schon im April 1848 hatte er in der Versammlung der Provinzialstände zu Wien den Verzicht der historischen Stände auf ihre erblichen Vertretungsrechte für eine unerläßliche Bedingung einer freien volksthümlichen Vertretung erklärt. Aber auch jeder blinden Leidenschaft, jedem selbstsüchtigen Uebergriffe, jeder unreifen Staatskenntniß trat er energisch entgegen. Oft stand er mit seinen Ansichten, von Niemand unterstützt, allein. Als dann dem Maimorgen der Freiheit, das Sturmesrasen der Volksverführer folgte, da blutete auch sein Herz beim Anblicke dieser Verirrungen, welche das Vaterland um alle Errungenschaft brachten. Was in wenigen Tagen reiner berechtigter Begeisterung gewonnen war, war uns für Jahrzehnte verloren. Das griff tief in das Herz des echten Vaterlandsfreundes, und Stifter steht nicht an, zu sagen: „ein tiefer Schmerz war in seiner Seele, und gewiß hat dieser Schmerz auf ein Uebel, das er schon länger hatte (eine Herzkrankheit), so gewirkt, daß er ihm unterlag“. Aber nicht blos als Staats- und ständischer Beamter verdient S. unsere Aufmerksamkeit, auch auf schriftstellerischem Gebiete entfaltete er eine nichts weniger als bedeutungslose Wirksamkeit. In seinen jüngeren Jahren bereits gab er mit gleichgesinnten Freunden eine Zeitschrift für Bildung der Jünglinge heraus. Dem Herausgeber dieses Lexikons gelang es leider nicht, den Titel derselben herauszufinden. Zwei Bände davon waren erschienen, als die Anerkennung eines freisinnigen Weimarer Blattes, welches diese Zeitschrift als eine Morgenröthe deutscher Gesinnung in Oesterreich begrüßte, genügte, dem Unternehmen den Todesstoß zu geben. Spaun wurde nämlich von maßgebender Seite durch ernste Drohungen an der Fortsetzung gehindert und auch das bereits „Erschienene verschwand aus dem Buchhandel“. Solche Erfahrungen gingen an dem von der Liebe zum Vaterlande erfüllten Jünglingsherzen nicht spurlos vorüber. Gedrückt von solchen Zuständen und außer Stand, durch unmittelbares Wirken abzuhelfen, richteten sich seine Blicke auf eine glanzvollere Vorzeit, aus welcher die Keime eines freien Völkerlebens durch den Schutt und das Gerölle der Verwüstungen und Wirren der folgenden Zeiten sich durchzuarbeiten, nicht kräftig genug waren. In der Darstellung des Glanzes dieser Zeiten wollte er große Erinnerungen wecken, das Volksbewußtsein von neuem stärken und erheben und namentlich auf das Treue, Volksthümliche und Altsittliche der ländlichen Bevölkerung hinweisen. So hatte sich seine Seele vollends der alten Heldensage zugewendet und schon im Jahre 1816 beschäftigte er sich mit ihr und that den Ausspruch, daß seine Heimat, das von der stolzen Donau durchflutete Ober-Oesterreich seinen Antheil an der alten Nibelungensage habe. S. forschte nun, von diesen Gedanken geleitet, unablässig nach dieser Richtung, doch nicht einseitig, nicht nach vorgefaßter Meinung, sondern wie ein Forscher, der ganz von seiner Aufgabe erfüllt, auch das winzigste Merkmal [73] nicht unberücksichtigt läßt und jeder anderen Meinung nicht aus dem Wege geht, sondern sie prüfend für seinen Zweck verarbeitet. So entstand als Ergebniß vieljähriger – ja, sagen wir es einfach heraus – der emsigsten Forschungen eines Vierteljahrhunderts seine Schrift: „Heinrich von Ofterdingen und das Nibelungenlied. Ein Versuch, den Dichter und das Epos für Oesterreich zu vindiciren.[WS 1] Mit einem Anhange: Proben österreichischer Volksweisen im Rythmus des Nibelungenliedes. Mit drei Notenblättern“ (Linz 1840, Haslinger, 8°.). Nicht Menzel, nicht Laube, nicht Gottschall, nicht H. Kurz[WS 2], nicht Brümmer und Kehrein kennen und nennen den Namen Spaun, nur der alte Schlosser gedachte in bemerkenswerther Weise dieses Buches, von dem er schrieb, „daß es am leichtesten zu lesen, am wenigsten anmaßend und absprechend, frei von ekelhafter Deutschthümelei oder philosophisch-historischer Wunderlichkeit sei, welche Referent (Schlosser) in hohem Maße sogar in dem findet, was selbst ein Mann wie Johannes von Müller nach seiner oder vielmehr nach Berliner Weise darüber ex tripode orakelt“. Thatsächlich kann ohne S.’s Buch über die Nibelungensage nie endgiltig ein Ausspruch gefällt werden. Mit einer allgemeinen Untersuchung über das Gedicht: „Der Wartburgkrieg“, welche er mit Stellen und Analysen des Gedichtes begleitet, beginnend, stellte er historische Parallelen und zieht daraus die Schlußfolgerungen, wobei er die Behauptung, daß Ofterdingen und Klingsor mythische Personen seien, entschieden bestreitet. Nun (S. 39) auf das Nibelungenlied selbst übergehend, gibt er eine klare, sachliche, nicht von Gelehrtenschwulst überwucherte und doch aus dem Born wahrer Gelehrsamkeit fließende Darstellung desselben. So weit reicht der allgemeine Theil des Buches, nun folgen (S. 52) mit feinem Gefühle des Sonderns und Gruppirens die einzelnen Untersuchungen, so: Wie und wo österreichische Localität in dem Gedichte vorherrsche; der Gesichtskreis des Dichters; (S. 62) das Verhältniß des Bischofs Pilgrim von Passau zum Nibelungenliede; (S. 67) die Personen- und Ortsnamen in Oesterreich; (S. 70) die Geographie des Nibelungenlandes; (S. 82) dann der eben so anziehende als belehrende Abschnitt über die österreichischen Volksweisen; (S. 94) Erörterung der Frage, welche Dichtungen aus dem Kreise der Heldensagen können noch dem Dichter des Nibelungenliedes zugeschrieben werden? Er nennt hier vor Anderen: „König Laurin“, „Piterolf“ und „Die Heldenklage“ und läßt die Vergleichung und Darlegung der genannten Gedichte folgen, worauf er mit der Darstellung des muthmaßlichen Lebenslaufes des Dichters den Schluß macht, aber noch viele Einzelheiten mittheilt, welche sich in die früheren Abschnitte des Buches nicht gut einreihen ließen. Selbst vom strengkritischen Standpunct heischt die Schrift Beachtung und ein feiner Instinct echten Forschungsgeistes steckt selbst dort, wo es den Anschein hat, es habe ihn patriotischer Elfer in seinen Ansichten verlockt. Aus jeder Zeile spricht die Absicht, mit Ernst und Ueberzeugung die Wissenschaft zu fördern und vornehmlich den Sinn dafür in seiner Heimat wachzurufen. Die Frage über den Gegenstand selbst ist noch nicht abgeschlossen, sondern durch das Für und Wider der „Schulen“, die sich darüber gebildet, verwirrter geworden. Spaun selbst ließ gleichsam zur weiteren Orientirung in dieser Frage in der „Wiener Zeitung“ vom 7. und 8. Juni [74] 1842 die Abhandlung folgen: „Der gegenwärtige Stand der Forschungen über die Heimat und den Dichter des Nibelungenliedes“, wovon auch unter gleichem Titel ein Separat-Abdruck (sechs Seiten, 4°.) erschienen ist. Die nächste Arbeit, welche S. folgen ließ, war: „Die österreichischen Volksweisen. Dargestellt in einer Auswahl von Liedern, Tänzen und Alpenmelodien. Gesammelt und allen Deutschen gewidmet“ (Wien 1845, Jasper, 8°.). Es sind 48 Lieder mit 44 Melodien, dann 21 Alpenmelodien. Von ersteren etwa die Hälfte, von letzteren alle zweistimmig und überdieß 36 Tanzweisen für Clavier übertragen. Es ist ein prächtiges Buch, wie deren nicht häufig vorkommen, aus jeder Seite desselben spricht der Zauber, den die österreichischen Gebirgsgegenden athmen und der durch das stete Vorrücken der Schienenwege immer mehr und mehr verblaßt. Nunmehr folgte nur noch eine größere selbständige Arbeit, welche aber im politischen Gewoge des Achtundvierziger-Jahres unbeachtet blieb. Da sie kurz vor seinem Tode erschien, kann man sie seinen Schwanengesang nennen. Das Werk betitelt sich: „Nibelungenklage. Die Klage. Ein deutsches Helden-Gedicht des 12. Jahrhunderts. Erzählt und erläutert von A. R. v. Sp.“ (Pesth 1848, Heckenast, 8°.). Spaun bereitete ein Werk über den ganzen zusammengehörenden Kreis jener Dichtungen vor, in welchem immer dieselben Adelsgeschlechter spielen; er hatte überraschende Thatsachen entdeckt – der Tod hatte das Alles mit hinübergenommen, denn er war unerwartet Allen, seiner Familie, seinen Freunden und seinen Forschungen viel zu früh gestorben. „Die Zeit“, heißt es in einem kurzen Nachruf, „hat sein Herz gebrochen; welche Auszeichnung, welchen Dank hat der um vaterländische Wissenschaft hochverdiente Mann wohl erlebt? O, zeichnet es in die Gedenkbücher der Stadt; Keinen! Er starb an Verkennung und erst die Nachwelt wird ihm seine Anerkennung zollen!“ Seine in manchen Blättern zerstreuten Aufsätze, welche einen oder zwei Bände füllen und die werthvollen Forschungen eines gediegenen Kenners der Geschichte seines Vaterlandes bilden würden, zu sammeln, ist Niemand eingefallen. Eine Auszeichnung wurde ihm doch. Am 24. Mai 1848 wurde er von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaft zu Wien zum correspondirenden Mitgliede gewählt; es war dieß eine Auszeichnung, denn damals gehörten seiner Classe Männer an, wie: Arneth, Joseph Chmel, Grillparzer, Hammer-Purgstall, Münch-Bellinghausen, Šafařík, Stülz, Ferdinand Wolf, Bergmann, Karajan, Miklosich, Seidl, Prokesch-Osten, [[BLKÖ:Bauernfeld, Eduard von|Bauernfeld]]. In der Darstellungsweise in seinen Werken rein, edel, würdevoll, tief, klar fließend, Alles aus dem Herzen zum Herzen sprechend, gab er sich nur wie er selbst war. Stifter schreibt: „Mir drangen seine Arbeiten, ehe ich ihn selber persönlich kannte, mit der schönen Ruhe Herder’scher Darstellung in das Gemüth. Im Umgange mit gleichgestimmten Menschen machte er den Eindruck eines weisen, rechtschaffenen, klaren und bescheidenen Mannes. Ich habe wenige Menschen in so kurzer Zeit so sehr lieben gelernt, wie ihn“. Noch sei bemerkt, daß Spaun an der Stiftung des Museums Francesco Carolinum in Linz den thätigsten Antheil genommen. Das „Oesterreichische Volksblatt“ brachte dem Verblichenen einen poetischen Nachruf, in welchem es wörtlich heißt: „Des Landes bester Mann hat ausgerungen, eh’ noch sein Volk am [75] Ziel, ward Er befreit; er fiel, verletzt vom Weh, doch unbezwungen vom blutbefleckten Wahne seiner Zeit“ (1849, Nr. 105). Zu seinen Freunden zählte auch Moriz von Schwind, von dem Spaun eine Anzahl Original-Zeichnungen, Blätter aus Schwind’s erster Schaffenszeit, besaß. Es sind dieselben, die in meiner Biographie Schwind’s [Bd. XXXIII, S. 160, Nr. 138] der Reihe nach aufgezählt sind. Wie Schwind, der überdieß mit allen drei Brüdern: Anton, Joseph und Max innig befreundet war, das Andenken seines Freundes hoch in Ehren hielt, beweisen die in seinem Nachlasse vorgefundenen Zeichnungen der Grabstätte Spaun’s, deren zwei im Besitze der Witwe Schwind’s, eine in jenem von Spaun’s Sohn sich befindet, [siehe Bd. XXXIII, S. 165, Nr. 251, 252, 253]. Anton Spaun hinterließ einen Sohn Ludwig, zur Zeit Sectionsrath im k. k. Ministerium des Innern. Eben denselben, dem ich die Ansicht der oberwähnten Schwind-Bilder verdanke, wodurch ihre Aufnahme in mein Verzeichniß der Bilder Schwind’s und die Angabe eines noch nicht bekannten Monogramms des edlen Meisters ermöglicht ward.

Die feierliche Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 29. Mai 1852 (Wien 1852, Staatsdruckerei, gr. 8°.) S. 42. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, Voigt, kl. 8°.) XXVII. Jahrg. (1849), 1. Theil, S. 496, Nr. 149. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1849, Beilage zu Nr. 311 vom 7. November. „Anton Ritter von Spaun“. Von Adalbert Stifter. – Oesterreichisches Volksblatt (Linz, 4°.) XXXI. Jahrg. (1849), Nr. 165, S. 660.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche dazu Heinrich von Ofterdingen und Spaun, Anton Ritter von (ADB).
  2. Vorlage: H. Kunz.