Zum Inhalt springen

ADB:Sporrer, Philipp

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Sporrer, Philipp“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 419–421, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sporrer,_Philipp&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 02:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Springer, Johann
Band 54 (1908), S. 419–421 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Philipp Sporrer in der Wikipedia
Philipp Sporrer in Wikidata
GND-Nummer 138486565
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|54|419|421|Sporrer, Philipp|Hyacinth Holland|ADB:Sporrer, Philipp}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138486565}}    

Sporrer: Philipp S., Historien- und Genremaler, geboren am 1. Mai 1829 zu Murnau, † am 30. Juli 1899 in München; erhielt die erste Anleitung zur Kunst bei dem vielseitigen Professor Ph. Foltz von Bingen, an der Akademie; er hospitirte später noch kurze Zeit bei Moriz v. Schwind; anfangs verarbeitete S. dorfgeschichtliche Stoffe (damals malte auch Foltz Wildschützen, Jäger, Fischer und seine Schnitter-Idylle), eine „Hochzeit im Gebirg“ (1851); eine „Häusliche Scene“ (1854); „ein Gedächtnißtag“ (1855) und ein „Hochzeitlader“ (1856) folgten. Dann warf er sich (1858), nach dem Vorgang seines Lehrers, auf historische Stoffe, wie den „Schmied von Kochel und die Christnacht 1705“, ein brav componirtes und nach damaligen coloristischen Ansprüchen wacker gemaltes, echt akademisches Bild, das noch 1867 in Paris prämiirt wurde und nach Sporrer’s Tod aus dessen Nachlaß unverkauft wieder auftauchte. Die Folge davon war, daß dem Maler zwei Wandbilder im bairischen Nationalmuseum übertragen wurden, wobei sich S. als tüchtiger Freskomaler bewährte. Die Stoffe waren freilich etwas herbe und ungefällig, doch für malerische Behandlung nicht ungeeignet: wie Kurfürst Rupert I., damals der einzige unter allen rheinischen Fürsten, die Juden zu Heidelberg vor dem Grimme des Pöbels schützt (1348) und „Zwölfhundert Würzburger Bürger in der Vertheidigung ihrer Reichsfreiheit auf dem Kirchhofe zu Bergtheim (1400) fallen“. Darauf kam ein Oelbild mit den damals unvermeidlichen „Romeo und Julia“ und das neckische „Gnomen-Bacchanal“ – im Untersberg spielende Kellerscene –, eine künstler-festliche Maskerade im Sinne der damaligen „Jung-München“-Gesellschaft, gleichsam eine Illustration zu Georg Kremplsetzer’s Tondichtungen (s. A. D. B. XVII, 122). Glücklicher war ein ganzer Cyklus zu „Des Freiherrn von Münchhausen wunderbaren Reisen und Abenteuern zu Wasser und zu Lande“ mit 18 Illustrationen [420] (Leipzig) und die „Bilder zu deutschen Volks- und Lieblings-Liedern“ (mit L. Hoffmann. München 1870), von denen einzelne auch in Oel und Aquarell ausgeführt wurden. Franz Trautmann’s „Geschichten aus dem Münchener Burgfrieden“ (Augsburg 1886) fanden in S. den richtigen Illustrator und gaben Anlaß zu heiteren Schöpfungen, unter welchen der „Herr Peter Flecklein“ (in Nr. 881 der „Münchener Bilderbogen“) eine besondere Rolle spielte. Das Neckische, Philisterhafte der Spießbürgerei von Annodazumal, als der Großvater die Großmutter nahm, reizte seine heitere Laune, die sich gern auf demselben schnurrigen Gebiete wie Karl Spitzweg (s. A. D. B. XXXV, 226) tummelte, nur daß bei Sp. (welcher als Monogramm sich eines Sporns bediente) ein leiser Zug zur Caricatur hervortrat; dagegen waren Sporrer’s Landschaften ganz in Spitzweg’s Geist und Haltung gedacht und wie die 1897 erscheinenden „Einsiedler“ in fein empfundenem Colorit stimmungsvoll ausgeführt. Mit diesen Einsiedlerbildern traten Spitzweg und S. als Epigonen in Schwind’s Fußtapfen, der schon in seinen Jugendjahren längst vor diesen Beiden mit dergleichen Eremitagen begonnen hatte; liebte ja auch A. Dürer und die nachfolgenden niederdeutschen Kleinmeister dergleichen Staffagen ihren Landschaften einzuverleiben. Einen weltabgeschiedenen, mit einem Rehkälbehen spielenden Anachoreten malte S. in die Gartenklause des Dr. Trettenbacher, welchem er in auch die ganze Rückseite seines Hauses in der Damenstiftsstraße bemalte, leider nach dem eigensinnigen Willen des Auftraggebers in einer neuen Freskotechnik, welche den klimatischen Einwirkungen nur zu bald wieder zum Opfer fiel. Indessen mußte auch eine andere, sehr gediegene Schöpfung Sporrer’s unter dem Spitzhammer des Abbruchs fallen: einen ganzen Saal in dem ehedem so glänzenden Café Probst hatte S. mit zwölf lebensgroßen, das Restaurationsleben vorführenden Charakterfiguren geziert, mit flotten Studenten und Blumenmädchen, Schachspielern, Zeitungslesern, städtischen Gigerln, vielbeschäftigten Nichtsthuern, vergnügten Lungerern und gelangweilten Zeittodtschlägern, Karten- und Billardspielern, theeschlürfenden Dämchen und Rauchern aller Sorten. Die Typen aller dieser täglichen Insassen zeichnete S. vergnüglich an die Wände, welche einem mit allen modernen Reizen ausgestatteten Kaufhaus der Neuzeit zum Opfer fielen – zum Beweis, daß die Mythe des allverschlingenden Kronos doch noch mehr als ein Körnchen Wahrheit enthalte. Tempora mutantur und – neues Leben blüht aus den Ruinen. Eine fröhliche Zeichnung Sporrer’s „Ueber den Ettaler-Berg“ zeigte, wie in den früheren Decennien die Waller, Fremden und Touristen zum Ammergauer Passionsspiel pilgerten, mit allen möglichen Vehikeln, munteren Berner-Wägelchen, Extrapost, holperigen Leiterwagen, stattlichen Chaisen und rumpeligen Omnibussen, zu Fuß und zu Roß, im steilen Aufstieg die schweren Steige der harten Straße überwindend, auf welcher ehedem die Saumpferde, Maulthiere und Frachtwagen der Kaufleute klingelten und knarrten, welche von Welschland nach dem „hilligen Köln“ und Antwerpens Märkten die Schätze des Morgenlandes nach den nordischen Meeren verfrachteten; dieselbe Steige, welche auch Kaiser Ludwig der Baier hinaufritt, das zu seinem Ettaler-Graltempel gelobte Madonnen-Steinbild des Niccolo Pisano im Arme tragend. Sporrer’s Zeichnung führt uns dann eine kaum halbhundertjährige Zeit vor Augen. Heute sind die Wege geplant, abgegraben und geebnet zu einer stattlichen, gemächlichen Straßenpromenade. Also auch eine culturhistorische Erinnerung, die im Ammergauer Museum einer bleibenden Stätte würdig wäre. Mit derselben Vorliebe ins volle, immer interessante Menschenleben zu greifen, erging sich Sporrer’s Stift und Pinsel in Erfindung und Wiedergabe von [421] drollig-sinnigen Buchzeichen und Exlibris, aber auch in Aquarellen von Märchen, Sagen und Sprichwörtern, zu Ausschmuck und Zier von originellen Uhrschildern und Zifferblättern, Damenkästchen, Juwelenschächtelchen und vornehmen Truhen, Schränken, Nippsachen und köstlichem Haushaltskram aller Art: ein wahrer Zauberer und Vorbildner für kunstgewerbliche Meister. Mit dieser Begabung konnte er nur nebenbei hervortreten, da er amtlich einer Lehrerstelle im Freihandzeichnen am Münchener Polytechnikum oblag und 1877 nach Motzet’s Rücktritt in die Würde und Rechte eines wirklichen Professors einrückte. In den Vacanzzeiten entwarf S. fünf Vedutten zu Simon Baumann’s „Geschichte von Murnau“ (1855); für diese seine Vaterstadt wurden „Erinnerungen“ gemalt an ein landwirthschaftliches Fest mit Trophäen, Wappen und Ehrenscheiben. Dann kamen wieder Oelbilder mit allerlei Wildschützen und Strolchen, „Auf der Walz“, auch echtes Volksleben mit „Sonnenwendfeuer“, „Fingerhaggeln“ und anderen urzeitlichen Kraftübungen, aber auch mit „Pferdehändlern“ oder ländlichen photographischen Budenbesitzern und sonstigem Jahrmarktspektakel. Auch im Porträtfach sind viele treffliche Leistungen zu verzeichnen, darunter die Bildnisse des als Operncomponisten („Der Hans ist da“ nach dem Textbuch des Herrn „von Mieris“, s. Franz Bonn in A. D. B. XLVII, 105) und Landtagsabgeordneten bekannten Bürgermeisters Förg von Donauwörth, des schneidigen Geheimraths Dr. v. Ringseis (s. A. D. B. XXVIII, 635), des Grafen v. Seinsheim (ebd. XXXIII, 649) und vieler Anderer. Ganz im Sinne Moriz v. Schwind’s gelang eine wohldurchdachte Allegorie zum Gedächtniß Königs Ludwig II., ebenso die Vignetten zu Rudolf Baumbach’s „Zlatorog“ und Reinhardstöttner’s Biographie des lateinischen Poeten Martinus Balticus, welche die bekannte „Bairische Bibliothek“ (Bamberg 1890) eröffnete. – Im J. 1897 veranstaltete S. eine reiche Ausstellung aus allen Phasen seines Schaffens, darunter auch die lustigen Caricaturen aus dem Album des Künstler-Sängervereins und die Compositionen zu Victor Gluth’s Oper „Der Trentajäger“ (1885). Damit zog sich der damals schon kränkelnde Künstler von der Oeffentlichkeit zurück.

Vgl. Abendblatt 212 der Allgem. Zeitung vom 2. August 1899. – Kunstvereins-Bericht für 1899, S. 81 ff. – Fr. von Bötticher, 1891. II, 791. – Bettelheim, Biogr. Jahrbuch 1900. IV, 155.