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ADB:Stein, Marquart von

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Artikel „Stein, Marquart von“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 666–667, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stein,_Marquart_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:02 Uhr UTC)
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Stein: Marquart v. St. (Stain), bekannt als Prosaübersetzer des ausgehenden 15. Jahrhunderts, war 1493[1] württembergischer Landvogt in Mömpelgard; da er damals bereits auf seine Jugend aus der Ferne zurückschaut und erwachsene Töchter hat, wird er spätestens in den vierziger Jahren des Jahrhunderts geboren sein. Ihn mit dem gleichnamigen, hochangesehenen kaiserlichen Rath und Propst von Augsburg, Bamberg und Mainz zu identificiren, der 1559 in Augsburg im Alter von 88 Jahren starb, wird ebenso durch Gründe der Zeit wie des Standes verboten; dieser jüngere Marquart war schon als Kind 1485 (?) Kanonikus in Augsburg. Immerhin wird der Landvogt gleichfalls dem sehr bedeutenden schwäbischen Adelsgeschlechte v. Stain zu Jetingen angehört haben, in dem der Vorname Marquart noch öfter begegnet (so bei einem 1564 zu Dillingen gestorbenen bairischen Hofrath).

Um seine Töchter durch lehrreiche Lectüre vor dem Müssiggang zu schützen, der aller Laster Anfang sei, hat St. ein 1372 abgeschlossenes französisches Werk, Geoffroy’s de la Tour Landry „Livre pour l’enseignement de ses filles“ unter dem Titel: „Der Ritter vom Turn von den Exempeln der gotsforcht vn̄ erberkeit“ in schlichte deutsche Prosa übertragen und damit einen Erfolg gehabt, dessen sich das Original nie erfreut hat; das zuerst 1493 bei Furter in Basel erschienene Werk wurde ein wieder und wieder gedrucktes Volksbuch, das, aufgefrischt und vermehrt, noch bis ans Ende des 17. Jahrhunderts neu aufgelegt [667] wurde. „Der Ritter vom Turn“ ist eine Legenden-, Novellen- und Anekdotensammlung, in der der bigotte Aberglaube und die nackte Behandlung geschlechtlicher Dinge jedenfalls mehr naiv als anstößig wirkt; sie erläutert zunächst durch Beispiele den Nutzen der einzelnen weiblichen Tugenden, rollt dann eine Galerie böser und guter, meist biblischer Frauenbilder auf und bringt in der ziemlich ungeordneten Schlußpartie unter anderem ein Gespräch zwischen dem Ritter und seiner Gattin, in dem diese strengste weibliche Zurückhaltung verlangt. Aus den vornehmen und adeligen Kreisen einer noch höfischeren und gläubigeren Zeit erwachsen, stellt das Buch ein Frauenideal der stillen, werkheiligen Frömmigkeit und der sittigen Zucht auf, das in dem grobianischen Deutschland des Jahres 1493 befremdlich genug wirken mochte. Aber vielleicht wirkte es gerade darum. Der schwäbische Adel der Zeit, die Damen voran, wußten sich nichts besseres, als die halb höfischen französischen Prosaromane, in denen sie schwelgten, während sie die verachteten oder vergessenen mittelhochdeutschen Rittergeschichten keines Blickes würdigten. Dieser Moderichtung folgte St. auch darin, daß er ein vorzugsweise für weibliches Publicum berechnetes Buch zur Uebersetzung wählte. Des Französischen war der Landvogt von Mömpelgard natürlich mächtig; es entschlüpften ihm wol ein paar ungenaue Ausdrücke; aber schlimmere Mißverständnisse, wie die ’fraw genant Grees‘ (l’exemple de grerie, Cap. 73 des Originals) sind doch sehr selten. Zwei ganze Capitel hat er fortgelassen, von der Frau des Jerobeam und von der frommen Olive de Belle-Ville, sowie allerlei kleine, beiläufig vorgebrachte Züge, ohne daß ich den Grund des Streichens erriethe; am Schluß theilt er dafür eine kurze inhaltlose Widmung an die Töchter mit, die in dem abrupt schließenden Original fehlt. Durchgängig kürzt er die sehr breiten moralischen oder frommen Betrachtungen, die Geoffroy seinen Geschichtchen anhängt; doch wird Stein’s eigner Stil so sehr von der zweigliedrigen Formel beherrscht, daß man auch ihn nicht eigentlich knapp nennen kann. Es ist mir überhaupt zweifelhaft, ob wir jene Auslassungen und jenen Zusatz dem Uebersetzer zuschreiben dürfen: Montaiglon berichtet S. XXXIX seiner Ausgabe des französischen Buches von einer Handschrift (Nr. 7073 du fonds françois), in der gleichfalls ’des parties de phrase‘ übersprungen und die Geschichte der Frau de Belle-Ville größtentheils fortgefallen ist; eine ähnlich verstümmelte und gekürzte Handschrift konnte auch St. vorgelegen haben und von ihm gewissenhaft übertragen sein. Wie es nun damit auch stehe, jedenfalls gebührt St. Anerkennung für seine fließende, deutliche und eindringliche Rede, durch die er an dem Erfolge des Buches immerhin seinen vollen Antheil hat.

Le livre du chevalier de la Tour Landry pour l’enseignement de ses filles, publ. par M. Anat. de Montaiglon, Paris 1854 p. LI f. (Bibl. Elzevirienne). — Ueber die Familie von Stein vgl. Hattstein, Die Hoheit des Teutschen Reichs-Adels, Tom. II, 390 ff.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 666. Z. 19 v. u. l.: 1478–96. [Bd. 45, S. 673]