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ADB:Steinmetz, Johann Adam

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Artikel „Steinmetz, Johann Adam“ von Hugo Holstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 1–5, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steinmetz,_Johann_Adam&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 10:08 Uhr UTC)
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Steinmetz: Johann Adam St., evangelischer Geistlicher und einer der bedeutendsten Schulmänner des 18. Jahrhunderts. Er war geboren am 24. September 1689 zu Groß-Kniegnitz im Fürstenthum Brieg als der Sohn des dortigen Pastors, besuchte das Gymnasium zu Brieg und studirte seit 1710 in Leipzig Theologie. 1715 wurde er Pfarradjunct in Mollwitz, 1717 Pfarrer in Töpliwoda im Fürstenthum Münsterberg und 1720 Oberprediger in Teschen. Schon auf der Schule war St. auf das Studium von Joh. Arndt’s Schriften geführt worden, unter denen besonders die sechs Bücher vom wahren Christenthum auf seine spätere religiöse Richtung von bestimmendem Einfluß wurden. Diese Richtung äußerte sich in seiner pfarramtlichen Thätigkeit namentlich in dem Streben, die evangelische Gemeinde in Erbauungsstunden zu fördern, besonders in Teschen, wo die zahlreichen Evangelischen lange Zeit durch unthätige Geistliche versäumt waren. Im Verein mit den gleichgesinnten Predigern Johann Muthmann und Samuel L. Sassadius übte er an der über 40 000 Seelen zählenden Gemeinde eine segensreiche Wirksamkeit aus. Den Bau einer Kirche, die 10 000 Zuhörer fassen konnte, eines Schulhauses für 90 Kinder und eines Waisenhauses verdankte die Teschener Gemeinde der treuen Fürsorge ihres Oberpredigers St. Aber bald erhoben sich die schimpflichsten Anfeindungen der beiden Prediger an der Gnadenkirche gegen St. und seine Mitarbeiter. Das von den Gegnern erwirkte Gutachten der theologischen Facultät der Universität Wittenberg sprach sich ungünstig für St. aus, während das durch die Kirchenvorsteher veranlaßte Gutachten der theologischen Facultät der Universität Jena ihn von allen Irrthümern und von Neuerungen in der Praxis freisprach. (Ausführlich berichtet über die Teschener Zustände Walch, Historische und theologische Einleitung in die Religionsstreitigkeiten der evangelisch-lutherischen Kirche V, 333 ff., wo auch das Bedenken der Jenaer Facultät vom 22. März 1724 abgedruckt ist.) Auch das Dresdener Oberconsistorium, an das man sich gewandt hatte, vermochte keinen Tadel auszusprechen. Trotzdem erlangten die feindlich gesinnten Prediger beim Fiscal die Verurtheilung der Angeklagten zu einer Geldstrafe von 300 Ducaten und die Suspension Steinmetz’s vom Amte, weil er auf einer Reise in Schweidnitz auf Verlangen eines evangelischen Einwohners geistliche Functionen verrichtet hatte. Zuletzt wurde die Anklage beim Hofe in Wien erhoben; es fanden amtliche Verhöre statt; St. und seine Mitarbeiter mußten sich der öffentlichen Amtsverrichtungen enthalten. Dann folgte einem vierwöchentlichen Hausarrest die [2] förmliche Amtsentsetzung, die über St., die Prediger Muthmann und Sassadius und die Lehrer Jerichovius und Sarganeck verhängt wurde, sowie der Befehl der Räumung der kaiserlichen Erblande in sechsmonatlicher Frist. Zu Ende des Jahres 1729 wurde das Urtheil vollstreckt. Ein kaiserlicher Dragoner brachte die Vertriebenen über die Grenze. Der Graf v. Henkel zu Bölzig bei Zeitz nahm die Flüchtigen mit vieler Liebe auf. Einige Wochen später folgte St. dem Rufe zur Uebernahme der Oberpredigerstelle und Superintendentur zu Neustadt a. d. Aisch, der an ihn durch den Markgrafen Georg Friedrich Karl von Baireuth ergangen war. Hier wirkte er zwei Jahre sehr segensreich. Schon nach einem Jahre sollte er vom König von Preußen, Friedrich Wilhelm I., der ihn beim Grafen v. Seckendorf gesprochen hatte, in den preußischen Staatsdienst gezogen werden, aber die Sache kam nicht zu Stande. Erst ein Jahr später konnte der Wunsch des Königs erfüllt werden, denn nach dem Tode des Abtes Breithaupt (s. A. D. B. III, 291) erhielt St. den Ruf zur Uebernahme der Abtsstelle zu Kloster Berge. Ende 1732 kam er nach Kloster Berge. Am 12. December fand seine feierliche Einführung statt. Unter seiner Leitung hat die durch Abt Breithaupt nach dem Muster des Hallischen Waisenhauses eingerichtete und zur zweiten Bildungsstätte des Pietismus erhobene Schulanstalt die höchste Blüthe erreicht und den ausgebreitetsten Ruf erlangt. Besonders von 1738 an nahm die Frequenz so außerordentlich zu, daß jährlich 40–50 Schüler aufgenommen wurden und daß gewöhnlich mehr als 150 Schüler zu gleicher Zeit die Anstalt besuchten. Während seiner 30jährigen Wirksamkeit hat St. 930 Schüler aufgenommen, darunter die Söhne der angesehensten adligen und bürgerlichen Familien. Zu ihnen gehört auch Wieland, der die Anstalt von Michaelis 1747 bis Ostern 1749 besuchte. In Kloster Berge hatte er, wie Goethe einmal sagt, in allen concentrirten jugendlichen Zartgefühlen gewandelt, zu höherer litterarischer Bildung den Grund gelegt. Und von Abt St. sagt Goethe, er wirkte in frommem Sinne, vielleicht einseitig, doch redlich und kräftig.

Das Hauptgewicht seiner Thätigkeit legte St. in die Erziehung und den Unterricht der der Anstalt anvertrauten Zöglinge, die zu sittlich tüchtigen Männern erzogen und nicht nur für den gelehrten Stand gebildet, sondern auch für die verschiedensten Berufskreise des Lebens tüchtig gemacht werden sollten. So ist aus Kloster Berge eine stattliche Reihe von Männern hervorgegangen, die eine hohe und ansehnliche Stellung im öffentlichen Leben erlangt und in Staat und Kirche Bedeutendes geleistet haben. Wir nennen außer Wieland die Minister v. Hagen und v. Schulenburg-Kehnert, den Consistorialrath Steinbart, den Hofrath und Bibliothekar Adelung, die Oberconsistorialräthe Silberschlag, General v. Kleist, Hofrath v. Köpken. Bei der Wahl der Lehrer, besonders der Rectoren, denen die Leitung der Schulanstalt als solcher anvertraut war, verfuhr St. mit großer Vorsicht und Gewissenhaftigkeit. Durch häufige Classenbesuche hielt er Lehrer und Schüler in steter Aufmerksamkeit und Thätigkeit. Auf die Beobachtung der Schulgesetze wurde mit größter Strenge geachtet. Mit besonderer Vorliebe wurden die Redeacte gepflegt. Die von 1734 an vorhandenen Oster- und Michaelisprogramme enthalten neben der wissenschaftlichen Abhandlung des Rectors oder eines Lehrers die Namen der auftretenden Redner und die Themata ihrer Reden. Mit diesen Redeacten war auch in der Regel die öffentliche Prüfung der Schüler und die Entlassung der Abiturienten verbunden, die sich von der Schule verabschiedeten. Doch begnügten sich die Abiturienten nicht mit einer Rede, sondern sie verfaßten förmliche Abhandlungen und Disputationsschriften, die einen akademischen Charakter tragen.

Die zunehmende Frequenz machte eine Erweiterung der Lehranstalt nöthig, weshalb St. 1738 ein ansehnliches Schulgebäude mit einer Anzahl von Wohnzimmern [3] nebst Unterrichtsclassen aufführte, das im nächsten Jahre durch einen Anbau für einen Bibliothekssaal, ein Naturaliencabinet und einen Saal für Maschinenmodelle vergrößert wurde.

Auch die Organisation des Volksschulwesens seines großen Amtsbezirks – er war als Abt zugleich Generalsuperintendent des Herzogthums Magdeburg und damit war ihm die Aufsicht über das gesammte Kirchen- und Schulwesen übertragen – ließ er sich angelegen sein. Er errichtete 1735 ein Seminar für Landschullehrer, das bis zur Aufhebung des Pädagogiums bestanden und überaus segensreich gewirkt hat. Die Inspection über dasselbe erhielt der Klosterprediger. Ferner gründete er 1750 mit der Unterstützung wohlthätiger Personen aus eigenen Mitteln in Magdeburg eine Freischule für hundert arme Bürgerskinder. Sein Edelmuth zeigte sich auch darin, daß er bedürftigen Zöglingen des Pädagogiums die Zahlung des Kostgeldes erließ oder sie aus eigenen Mitteln während ihrer Schulzeit unterhielt. Der Schule schenkte er seine aus 4300 Bänden bestehende Bibliothek und unterstützte auch sonst gemeinnützige Zwecke; er war wohlthätig bis zur äußersten Selbstlosigkeit.

St. hatte sich im J. 1724 in Teschen mit Helene Sidonie v. Bludowsky, der Tochter des Erbherrn auf Orlau, Lase und Niederbilau, Joachim v. Bludowsky, vermählt. Die glückliche Ehe wurde schon im nächsten Jahre durch den Tod der jungen Frau getrennt; auch die der Ehe entsprossene Tochter Anna Helene verlor St. nach drei Jahren.

Unstreitig war St. der bedeutendste Abt des Klosters, gleich groß als Schulmann wie als Geistlicher und Seelsorger, zwar vielfach verkannt als ein begeisterter Freund des Pietismus, aber doch hochgeachtet und hochgeehrt, ein patriarchalischer Mann, den seine Zeit für einen großen Segen hielt; eine religiöse Kernnatur. Man darf nicht vergessen, daß der Pietismus, der seinem innersten Wesen nach auf ein erbauliches Christenthum hinzielte, nicht nur die Kirche und das kirchliche Leben wohlthätig beeinflußt, sondern auch wesentlich zur Läuterung des Erziehungs- und Unterrichtswesens beigetragen hat. König Friedrich II. hatte mit Wohlgefallen die günstige Entwicklung der Schulanstalt beobachtet. Alle Jahre sandte ihm der Abt ein Verzeichniß der Schüler und fügte diesem einen unterthänigen Neujahrswunsch hinzu, den der König mit huldvollen Worten erwiderte.

Die von St. eingerichteten Erbauungsstunden, die in einem eigenen Saale Sonnabends und Sonntags Nachmittags stattfanden, erfreuten sich einer sehr zahlreichen Theilnahme; besonders fand sich seit 1750 eine große Menge von Zuhörern aus Stadt und Land ein, um den berühmten Kanzelredner zu hören. Dazu kamen die vielen Conferenzen, die er theils mit den Conventualen und Lehrern, theils mit den ihm unterstellten Geistlichen seines Amtsbezirks abhielt. Bis zum Jahre 1760 konnte er sich dieser anstrengenden Thätigkeit widmen, und obwol er während seines Lebens oft von schweren Krankheiten heimgesucht war, so hat er doch mit großer Kraft die mannichfachsten Aufgaben seines vielseitigen Amtes gelöst und überallhin großen Segen verbreitet.

In den beiden letzten Jahren seines Lebens fühlte er sich so schwach, daß er darauf verzichten mußte, einen öffentlichen Vortrag zu halten. Er begab sich nach Prester, um hier in ländlicher Ruhe sein Leben zu beschließen. Am 7. Juli 1762 erkrankte er ernstlich und so schwer, daß er schon am 10. seinen Leiden erlag. Der Klosterprediget Stisser hielt ihm am 12. Juli die Leichenpredigt über den von St. auf dem Sterbebette gewählten Text 2. Mos. 33, 19 und sprach über den Reichthum der Gnade und Barmherzigkeit in Christo Jesu an seinen auserwählten Knechten. Das feierliche Leichenbegängniß fand unter allgemeiner Theilnahme am 6. August statt; die Standrede hielt der Conventual [4] und Procurator des Klosters Joh. Gottlieb Schüler. Die noch vorhandene Sammlung von Leichengedichten (72 Folioseiten umsassend) zeugt von der Tiefe der Trauer, welche der Verlust des würdigen Mannes verursachte.

Steinmetz’ schriftstellerische Thätigkeit beschränkte sich auf die Abfassung von Predigten und geistlichen Schriften: „Leichenpredigt auf Frau v. Sandrasky und Sandraschütz über Apg. 22, 17“ (Brieg 1719); „Gottselige Betrachtungen über Joh. 1, 51“ (Nürnberg 1731); „Predigt über das Evangelium am 18. Sonnt. nach Trinit.“ (Frankf. u. Leipz. 1732); „Charfreitagspredigt über Joh. 19, 30“ (Frankf. u. Leipz. 1732); „Rede am 14. Oct. 1732 in der Schule zu Neustadt a. d. Aisch gehalten“ (Frankf. u. Leipz. 1732); „Sendschreiben von unterschiedenen wichtigen Materien zur Uebung eines wahren Christenthums, mit Briefen von Clemens Romanus, Justinus Martyr und Cyprian begleitet“ (Leipz. 1733); „Hans Albrecht v. Heugel’s letzter Wille in geistlichen Dingen“ (Magd. u. Leipz. 1785); „Dr. Spener’s kleine geistliche Schriften mit dem Leben Spener’s“ (Magd. u. Leipz. o. J.); „Der nöthige Fleiß christlicher Eltern, das ewige Heil ihrer Kinder zu besorgen, an einigen merkwürdigen Beispielen gezeigt“ (Magd. u. Leipz. 1746); „Schreiben an Pastor Hecker in Stargard über einige Irrthümer des Grafen v. Zinzendorf“ (Zelle 1749); „Neu eingerichtetes Kirchen- und Hausgesangbuch“ (Magd. o. J. – wurde 1840 vom Domherrn v. Lewetzow neu herausgegeben); „Geistliche Gedichte der weiland Hochwohlgebohrnen Fräulein Augusta Elisabeth v. Posadowsky, geb. Freyin v. Postelwitz, nebst ihrer Gnaden Führung und einer Vorrede“ (Magd. u. Leipz. 1751); „Sammlungen zum Bau des Reiches Gottes“ (48 Stück in 6 Bänden, Leipz. 1731–36); „Verbesserte Sammlungen zum Bau des Reiches Gottes“ (32 Stück in 4 Bdn., Leipz. 1737–43); „Klosterbergische Sammlungen zum Bau des Reiches Gottes“ (40 Stück in 5 Bdn., Magd. u. Leipz. 1745–61); „Theologia practica pastoralis oder Sammlungen nutzbarer Anweisung zur gesegneten Einführung des evangelischen Lehramts“ (80 Stück in 10 Bdn., Magd. u. Leipz. 1737–59); „Beiträge zur Theologia practica pastoralis“ (24 Stück in 3 Bdn., Magd. u. Leipz. 1746–60); „Geistliches Magazin zum nützlichen Gebrauch für Lehrer und andere Christen“ (Magd. u. Leipz. 1761); Vorreden zu den Schriften vieler anderer Personen, z. B. Biblische Gebetsübung d. i. das Neue Testament unseres Herrn Jesu Christi (neu herausgegeben 1830 von Pastor Döring in Elberfeld). Nach Steinmetz’ Tode erschienen aus seinem handschriftlichen Nachlasse noch folgende Werke, die von Freunden des Verstorbenen herausgegeben wurden: „Zehn erbauliche Betrachtungen über das Lied ’Fort, fort, mein Herz, zum Himmel‘“ (Leipz. 1768, neu aufgelegt Wernig. 1794); „Das Gnadengeschäft Jesu bei der Todesstunde seiner Gläubigen aus Ps. 23, 4–6“ (2. Aufl. Wernig. 1768); „Schriftmäßige Betrachtung von der Versiegelung der Gläubigen mit dem heiligen Geiste aus Ephes. 4, 30“ (herausgegeben vom Oberconsistorialrath Silberschlag, Leipz. 1769, 2. Aufl. Wernig. 1770, neu aufgelegt 1825); „Passionsbetrachtungen über einige Verse von Hohelied Sal. 5“ (Leipz. 1771); „Die Seligkeit eines Christen auf dem Wege des Glaubens in drei Betrachtungen aus Ps. 1“ (Wernig. 1773); „Erbauliche Betrachtungen über das Evangelium von den zehn Jungfrauen, Matth. 25, 1–13, im J. 1742 vorgetragen“ (Leipz. 1775, neu aufgelegt Wernig. 1789).

Conrad Wilh. Stisser, Leichenpredigt auf den hochwürdigen Abt Joh. Adam Steinmetz. Magdeb. 1762. – Denkwürdigkeiten aus dem Leben ausgezeichneter Deutschen des 18. Jahrhunderts, S. 327. – Hirsching, Historisch-litterarisches Handbuch XIII, 266–269. – W. Bernhardy, Joh. Adam Steinmetz in seinem gottseligen Leben und segensreichen Wirken. Berlin 1840. (Ist nur ein Auszug oder Abdruck der Stisser’schen Leichenpredigt mit Auszügen [5] aus Steinmetz’ und Luther’s Schriften nebst Erzählungen aus der Reformationszeit.) – Holstein, Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrg. 21 (1886) S. 296–305. – Derselbe, Geschichte der ehemaligen Schule zu Kloster Berge, Leipz. 1886, S. 17–29.