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ADB:Stella, Tillmann

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Artikel „Stella, Tillmann“ von Adolf Hofmeister in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 32–33, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stella,_Tillmann&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 09:30 Uhr UTC)
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Stella: Tilemann St. (eigentlich Stoltz), hervorragender Geograph und Ingenieur, geboren 1524/25 zu Siegen, † am 18. Februar 1589. Im Juli 1542 bezog er die Universität Wittenberg, 1544 die Universität Marburg, kehrte jedoch bald nach Wittenberg zurück und unternahm, von Melanchthon und Camerarius aufgemuntert, die Ausführung eines großangelegten Kartenwerkes, welches den Auszug der Kinder Israel (Aegypten und Palästina), die Reisen des Apostels Paulus (das römische Reich auf dem Gipfel seiner Macht), Deutschland und Europa zur Darstellung bringen sollte. Das erste Blatt dieser Reihe, Palästina, war zu Anfang 1552 im Druck vollendet, worauf sich St., wie er sich von jetzt an immer schreibt, von den wärmsten Empfehlungen Melanchthon’s, Bugenhagen’s und Anderer geleitet, auf die Reise begab, um Fürsten und Städte für sein Werk zu interessiren und Beihülfen für dessen Durchführung zu erwirken. Auf dem Wege nach Dänemark zu König Christian III. berührte er Rostock, wo er von Wittenberg her viele Beziehungen hatte, und wurde von David Chyträus Herzog Johann Albrecht, dem hochsinnigen Beförderer der Künste und Wissenschaften, aufs angelegentlichste empfohlen. Der Herzog ertheilte ihm daraufhin den Auftrag, eine im Entwurf schon mitgebrachte Karte von Mecklenburg in größerem Maßstabe auszuführen und einen Himmelsglobus anzufertigen und nahm ihn schließlich ganz in seinen Dienst. Im J. 1554 führte St. Helena Rotermund, eine Tochter des herzoglichen Rentmeisters und Bürgermeisters der Stadt Schwerin, Balthasar R., als Gattin heim und wurde dadurch der Schwager des Freundes und vertrauten Rathes des Herzogs, Andreas Mylius. Zur Förderung seines Kartenwerkes siedelte er wieder nach Wittenberg über, blieb jedoch auch von dort aus noch in steter Verbindung mit dem Herzog, den er 1560 auf einer zweimonatlichen Reise an den kaiserlichen Hof nach Wien und von da durch Ungarn bis zur türkischen Grenze begleitete. Da inzwischen auch die Karte von Deutschland erschienen war, folgte St. seinem Gönner nach Schwerin, wo er mit der Verwaltung der werthvollen herzoglichen Bibliothek betraut wurde und auch in seinem eigentlichen Fach recht reichliche Beschäftigung vorfand. Häufigen Commissorien zur Feststellung der vielfach streitigen Landesgrenzen verdanken wir werthvolle Specialkarten und in ihm hatte der Herzog den richtigen Mann gefunden, die schon vom Großvater, Herzog Magnus, geplanten weitausgedehnten Canalanlagen von der Elbe zum Schweriner See und von diesem zur Wismarschen Bucht und andererseits zur Müritz und zur Havel in zweckentsprechender Weise durchzuführen. Schon 1561 entsendete er ihn nach den Niederlanden, um die dortigen Wasserbauten gründlich zu studiren und 1564 wurden die Arbeiten thatsächlich in Angriff genommen. Volle 18 Jahre dauerte es, bis die Schifffahrtsverbindung von der Elbe durch die Elde und Stör und vom Schweriner See bis nach Wismar unter den größten Schwierigkeiten nothdürftig hergestellt war, leider nur um alsbald wieder dem Verfall entgegenzugehen, da bei der traurigen ökonomischen Lage des Landes keine Mittel zur Instandhaltung verfügbar waren und der gehoffte Aufschwung des Verkehrs ausblieb. Daß es so kam, lag nicht am Baumeister, sondern an den Verhältnissen. Durch den am 12. Februar 1576 erfolgten Tod Herzog Johann Albrecht’s, der ihm seit 24 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes ein gnädiger Herr gewesen war, wurde St. schwer getroffen. Zwar blieb er auch unter der vormundschaftlichen Regierung in seinen bisherigen Aemtern, doch deutet mancherlei darauf hin, daß er bemüht war, sich seinen alten Gönnern wieder ins Gedächtniß zurückzurufen und neue zu erwerben, um vielleicht durch sie eine andere Stellung zu erlangen, anscheinend vergeblich. Erst 64 Jahre alt, starb er am 18. Februar 1589, wahrscheinlich zu Schwerin, wo seine erste Gattin schon vor 27 Jahren im Dome ihre Ruhestätte gefunden hatte.

[33] Tilemann Stella’s Hauptbedeutung liegt in seiner praktischen Thätigkeit, die eine sehr ausgebreitete und eingreifende war; auch seine Leistungen als Kartograph sind für seine Zeit, soweit wir noch darüber zu urtheilen vermögen, sehr achtungswerth und der freigebig ertheilten Lobsprüche durchaus würdig. Das Bestreben, die Vorgänger an Vollständigkeit und Richtigkeit zu übertreffen, tritt überall klar hervor (fast ganz Deutschland hatte er zu diesem Zweck bereist; daß er auch den Brocken bestiegen habe, wird besonders hervorgehoben) und hat, wie der rasche Absatz der Karte von Palästina und die zwei Auflagen der Karte von Deutschland, 1560 und 1567, zeigen, bei den Zeitgenossen volle Anerkennung gefunden. Die übrigen Blätter sind wohl nicht über den Entwurf hinausgekommen, wenn auch einzelne Theile der Vollendung nahe gewesen sein mögen. So ist auch die bloß in einer Abzeichnung von 1623 auf uns gekommene, 1552 auf Wunsch des Herzogs in Rostock gedruckte Karte von Mecklenburg nur als eine Vorarbeit zur Karte von Deutschland anzusehen. Eine spätere von 1576 ist Handzeichnung geblieben, wie auch die verschiedenen Aufnahmen einzelner Landestheile und benachbarter Gebiete. Ebenso sind bis auf die „Gemeine Landtaffel“, eine kurze Anleitung zum nützlichen Gebrauch der Karte von Deutschland, die übrigen bisher bekannt gewordenen Arbeiten Stella’s nur handschriftlich erhalten.

Die Matrikeln von Wittenberg und Marburg. – Corpus Reformatorum tom. VII, 1000, 1001, 1025–27; VIII, 171, 668; IX, 611. – Vogt, Bugenhagen’s Briefwechsel S. 532, 534, 541. – Stella, Die gemeine Landtaffel etc., Wittenberg 1560. – Poematum Nathanis Chytraei praeter sacra omnium libri XVI. Rostochii 1579. fol. 90–95. – Krey, Beiträge zur Mecklenburgischen Kirchen- und Gelehrtengeschichte, Bd. 1 (Rostock 1818) S. 302–304 und die hier angeführten Schriften. – Jahrbücher des Vereins für mecklenb. Geschichte I, 7, 43; V, 225; VIII, 98; IX, 201, 202; XVI, 65; XVII, 186; XVIII, 38, 43, 63; XXXVII, 72, 77. – F. W. Schirrmacher, Johann Albrecht I. (Wismar 1885) Bd. I, S. 760–763. – Globus Bd. 60 (1891) S. 4–8 (S. Ruge, Ein Jubiläum der deutschen Kartographie). – Ueber den Canal von Dömitz nach Wismar und die weiteren damit zusammenhängenden Projecte handelt am ausführlichsten K. v. Lützow, Pragmatische Geschichte Mecklenburgs (Berlin 1827–35) Th. II, 239 ff.; III, 96 ff., 229 ff.