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ADB:Steube, Johann Kaspar

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Artikel „Steube, Johann Kaspar“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 140–142, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steube,_Johann_Kaspar&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 06:20 Uhr UTC)
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Steube: Johann Kaspar St., Schuhmacher, Soldat und italienischer Sprachmeister, geboren am 25. Januar 1747 zu Gotha, entbehrte schon in früher Jugend den Vater, der als Metzger nach Ostindien ausgewandert und auf der Insel Ceylon gestorben war, und lebte mit seiner Mutter in dürftigen Verhältnissen, so das er sich die ersehnte wissenschaftliche Laufbahn versagen und bei einem gothaischen Meister das Schuhmacherhandwerk erlernen mußte. Auf der Wanderschaft nahm er in Stralsund schwedische Kriegsdienste, zuerst als Corporal und nach zwei Jahren als Unterofficier im Leibregiment der Königin, flüchtete aber, weil er einen Gegner im Duell lebensgefährlich verwundet hatte, über die mecklenburgische Grenze und ging mit westfälischen Arbeitern nach Holland, von wo er als Bottelier (Proviantmeister) eines Kriegsschiffes auf einer neunzehnmonatlichen Fahrt bis nach Malakka gelangte. Nach der Rückkehr bereiste er einige holländische Städte, fiel in Rotterdam einem Seelenverkäufer in die Hände, entzog sich ihm durch die Flucht und fuhr mit einem Handelsschiffe nach Livorno. Dort betrieb er sechs Wochen lang sein Handwerk, lernte eifrig italienisch und besuchte dann Rom und Florenz, letzteres einzig in der Absicht, „die weltberühmte mediceische Venus zu sehen“. In Florenz bekleidete er den Posten eines Domenichino [141] oder Lohndieners und trat hierauf in Cremona mit dem Range eines Fouriers in das kaiserliche Heer. Nach zwei Jahren an der Gicht erkrankt und als Halbinvalide nach dem Banat versetzt, genas er durch den Gebrauch der heißen Quellen von Mehadia wieder und stand nun hier und bei der Contumazanstalt des Grenzdorfes Schuppaneck einige Jahre in Garnison, worauf er seinen Abschied nahm, um die Wittwe eines ihm befreundet gewesenen Adjutanten bei der Einrichtung und Leitung eines Gasthauses in Temesvar zu unterstützen. Als die Frau nach 21 Monaten starb, übernahm er die Stelle eines Uebersetzers und nachher eines Rechnungsführers bei zwei angesehenen Italienern, reiste aber in der Hoffnung, eine sichere Unterkunft zu finden, zu Ende des Jahres 1781 nach Wien, wo er im März und April 1782 den Besuch Papst Pius’ VI. und die zu dessen Ehren veranstalteten Festlichkeiten erlebte. Seine Bewerbung um ein bürgerliches Amt hatte indes keinen Erfolg, und die Erledigung eines Gesuches um Zurückversetzung in das Heer wartete er nicht ab, sondern benutzte die ihm auferlegte unfreiwillige Muße zu einem Ausfluge in die Heimath. In Hof befiel ihn „die 1782 allgemein herrschende Influenza“ und nöthigte ihn, einige Zeit zu rasten und „die seit 15 Jahren vergrabene Schusterei“ wieder aufzunehmen; in seiner Vaterstadt kam er nach neunzehnjähriger Abwesenheit den 30. Juni dieses Jahres an. Auf den Rath seines älteren Bruders, der Hofgärtner in Bevern war, verzichtete er auf die Rückkehr nach Wien, ließ sich als Bürger und zünftiger Meister in Gotha nieder und heirathete die Tochter seines ehemaligen Lehrherrn. Aber schon nach einigen Monaten ertrug er die sitzende Lebensart nicht mehr und fing nun an, italienischen Unterricht zu geben, anfangs mit Glück, da die Neuheit der Sache ihm viele Schüler zuführte, dann aber mit stets abnehmendem Zuspruche. Um seine bedrängte Lage zu verbessern, übersetzte er das vielgelesene Becker’sche „Noth- und Hülfsbüchlein“ ins Italienische, fand aber trotz der Verwendung des weimarischen Bibliothekars C. J. Jagemann weder in Deutschland noch in Italien einen Verleger; und nachdem er sich ebenso vergeblich als Dolmetscher, Kammerdiener und Reisebegleiter angeboten hatte, verlegte er sich auf den Handel mit Pelzstiefeln und Pelzschuhen, die er in Leipzig einkaufte und auf der Frankfurter und Kasseler Messe wieder vertrieb. Auch dabei nicht vom Glücke begünstigt, schrieb er seine Lebensgeschichte und ließ sie 1791 unter dem Titel „Wanderschaften und Schicksale von Johann Caspar S.“ auf Vorausbestellung und im Selbstverlag erscheinen, ein Buch von etwas breiter Anlage und nicht überall zuverlässig, jedoch für die Kenntniß von Land und Leuten nicht ganz werthlos. Der bescheidene Wunsch des Verfassers, sich aus dem Ertrage „ein mittelmäßiges Häuschen und einige Stücke Land kaufen zu können“, erfüllte sich ebensowenig, als es ihm glückte, die Stelle des verstorbenen italienischen Sprachmeisters Valenti in Jena oder das Amt eines gothaischen Hochzeit- und Leichenbitters zu erlangen; dagegen berief ihn der Prediger Reinhardt im Herbst 1791 an seine Erziehungsanstalt nach Stedtfeld bei Eisenach, damit er junge Engländer im Italienischen unterrichte. Ein Jahr nachher bestellte ihn Chr. G. Salzmann zum Sprachmeister und Schuhmacher des Erziehungshauses in Schnepfenthal; doch hielt er nur sechs Monate aus und kehrte dann in seinen vorigen Wirkungskreis zurück. In freien Stunden verfaßte er die „Briefe aus dem Banat“ (1. Bdchn., 1793), ohne damit vielen Beifall zu ernten; denn was er mittheilte, war entweder nicht bedeutend genug oder hatte schon in den „Wanderschaften“ Erwähnung gefunden. Zuletzt zog er noch einmal in die Fremde, um einen erkrankten jungen Engländer in dessen Heimath zu geleiten. Er hielt sich ein halbes Jahr in England auf und faßte in London den Plan, seine „Wanderschaften“ in englischer Uebersetzung herauszugeben. Bereits hatte er einen Verleger gefunden, so das er nach der Heimkehr frischen Muthes an die Arbeit ging; aber kaum waren einige [142] Bogen vollendet, als ihn ein schleichendes Fieber ergriff und am 12. April 1795 den Mühseligkeiten des Lebens entrückte. Der zurückgelassenen Wittwe und ihrer vier Kinder nahmen sich theilnehmende Menschenfreunde großmüthig an.

Neben Steube’s „Wanderschaften“ s.: Schlichtegroll’s Nekrolog auf das J. 1795, 6. Jahrg., 1. Bd. (1797), S. 350–371. – Meusel, Lexikon. – A. Beck, Ernst II., Herzog zu Sachsen-Gotha u. Altenburg, S. 145. Gotha 1854. – Vgl. auch: Intelligenzblatt d. Neuen allgem. deutschen Bibliothek, 1795, Nr. 39, S. 338.