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ADB:Streckfuß, Karl

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Artikel „Streckfuß, Karl“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 560–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Streckfu%C3%9F,_Karl&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 14:45 Uhr UTC)
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Band 36 (1893), S. 560–562 (Quelle).
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Streckfuß: Adolf Friedrich Karl St., Schriftsteller und Uebersetzer, wurde am 20. September 1778 zu Gera an der Elster geboren. Er besuchte das vortreffliche Stiftsgymnasium zu Zeitz und lag darauf 1797–1800 an der Leipziger Universität mit Fleiß dem Rechtsstudium ob. Sogleich danach trat er als Amtsaccessist beim Dresdner Justizdepartement in den praktischen Dienst. Die Jahre 1801–1803 verweilte er im Hause eines in Triest wohnhaften Onkels als Hofmeister und verwerthete diesen Aufenthalt zur gründlichen Erlernung der italienischen Sprache und ausgedehnten Lectüre ihrer Hauptschriften, sodann bis 1806 in derselben Function anderwärts in Wien. Nachdem er ein Jahr als Advocat und Gerichtsactuar in Zeitz practicirt hatte, wurde er 1807 Secretär bei der Stiftsregierung daselbst, 1811 Geheimer Regierunssecretär beim Geheimen Cabinet in königlich sächsischen Diensten zu Dresden, 1813 Geheimer Referendar im Geheimen Consilium, dann in der Finanzabteilung des provisorischen, erst russischen, [561] dann preußischen, Gouvernements ebenda und trat nach dem Pariser Friedensschlusse 1815 vollständig in den preußischen Staatsdienst. Er ward zunächst 1816 Geheimer Finanzrath, dann erster Regierungsrath bei der neuinstallirten Verwaltung in Merseburg, 1819 nach Berlin berufen, 1820 Geheimer Regierungs- und Vortragender Rath im Ministerium des Innern, 1823 Geheimer Oberregierungsrath, endlich 1840 Mitglied des Staatsraths. Er erfreute sich des höchsten Vertrauens seiner Vorgesetzten und erhielt verhältnißmäßig früh den Rothen Adlerorden III. Classe. Freilich war er auch eine durch und durch aufrichtig loyale, wenn auch keine servile Persönlichkeit, während sein Sohn, der Romanschriftsteller Adolf St. (geb. 1823, Stadtrath in Berlin), schon bald nach Streckfuß’ Tode in den Strudel der radicalen Demokratie gerieth und auch als Litterat dauernd einen entschieden liberalen Standpunkt verfochten hat. Im J. 1843 kam er um seinen Abschied ein, den er mit dem Titel und Range eines Wirklichen Geheimen Oberregierungsraths erhielt, und siedelte nach Zeitz über, um hier den Lebensabend in Muße zu genießen. Doch war ihm dies nicht vergönnt; er starb in Berlin am 26. Juli 1844, auf einer Reise begriffen.

Auf verschiedenen Gebieten der Poesie hat sich St. beschäftigt und, was er in Druck gab, stets sorgsam durchgefeilt und geprüft, so daß ihn W. Menzel (Gesch. der deutsch. Dichtung III, 385) mit Unrecht „zu den halbromantischen Vielschreibern“ rechnet. Es eigneten ihm lebendige Einbildungskraft, Tact für das Schöne in Stoff und Darstellung und Gewandtheit der Form. Lyrische „Gedichte“ sammelte er 1804 und 1811 (neue Ausgabe 1823). Die Sonette davon zeichnet Wohlklang aus, doch verschwimmt ebendarin der Inhalt wie bei den meisten Sonettisten der Zeit; auch unter den paar Romanzen steht nichts Bleibendes. „Sein Bestes sind die Elegien in weichen Distichen, den Goethe’schen nachgebildet, worin das Entstehen und Wachsen eines zärtlichen Verhältnisses nicht ohne Anmuth geschildert wird“ bemerkt gut W. Menzel (a. a. O. S. 242). Sentimentale Stimmung athmen auch das Gedicht „Ruth, ein Gedicht in vier Gesängen“ (1805), sein erster umfänglicher Versuch, und „Altimor und Zomira“ (1807), ein sechs Gesänge umfassendes Märchen, das neuschöpferisch auf einer Trist anbauen wollte, wo 1805 die „Zwei Märchen nach [Graf Carlo] Gozzi“ nur nachgebildet hatten, endlich der Sammelband „Neuere Dichtungen“ (1834), ein Kunterbunt gemischter romantischer Plänkeleien. Eine ganze Anzahl solcher Kleinigkeiten in Taschenbüchern verzeichnet Goedeke, Grundriß z. Gesch. d. dtsch. D.I III, 223 f.

Die kläglichen Romane Streckfuß’ freilich schlugen ganz aus der Art. Die Empfindsam- und Rührseligkeit gab sich hier hausbacken, platt, mit einem Stich ins Kotzebue’sche. „Klementine Wallner“ (1811), die drei Bände „Erzählungen“ (1814; 2 Bände 1830), namentlich aber „Julie von Lindau, oder: Wille, Natur und Verhängniß“ (1819) beweisen die Geringfügigkeit seiner einschlägigen Gaben. Die Titelheldin des letzteren betrügt ihren sanften Gatten, ohne daß man weiß weshalb, und erlangt, als sie auf der überhetzten reuevollen Rückkehr zu ihm ein Blutsturz überfällt, nebst ihrem ihr gefolgten Buhler sterbend des Edelmüthigen Verzeihung. Auch im Drama leuchtete St. kein Stern; zwar meint das Allgemeine Theaterlexikon (VII, 43) noch 1842 von seiner einzigen Probe, der Tragödie „Marie Belmonte“ (1807), sie sei „weniger bekannt geworden, als sie es verdient“, doch bestreitet wol Streckfuß’ Selbsterkenntniß allein schon diese Behauptung: er ließ diesen Acker fürder brach liegen. Dagegen hat er A. Manzoni’s Trauerspiel Adelchi als „Adelgis“ gut für die Bühne deutsch bearbeitet (1827) und damit Goethe’s Hochachtung vor dem bedeutenden Werke praktisch zur Geltung verhelfen unternommen (vgl. R. Köhler, Arch. f. Litteraturgesch. XI, 395).

[562] Seine außerordentliche Befähigung zur Wiedergabe von Dichtungen des, ihm seit jenen Triester Hauslehrertagen voll geläufigen Italienischen hat St. anscheinend nicht sofort stichhaltig erkannt. Und doch war dies das einzige Feld, wo ihm gebührende Lorbeeren winkten. Dann freilich, als er von seinen Uebersetzeranlagen überzeugt war, hat er sich mit Gier und Beharrlichkeit dieser Aufgabe gewidmet und Ariost’s „Rasenden Roland“ (1818–20; 2. Auflage 1838–40), Tasso’s „Befreites Jerusalem“ (1822; 4. Auflage 1847) und Dante’s „Göttliche Komödie“ (1824–26) verständnißvoll und glatt in deutsche Verse umgesetzt und mit brauchbaren Commentaren für den Durchschnittsbedarf begleitet. Seine Uebertragungen zeigen keine holprigen oder dunkeln Stellen, entbehren aber in der Regel des congenialen Anempfindens und Hineindenkens. Trotzdem sind sie werthvoll und haben in der Geschichte der neudeutschen, von den Führern der Romantik befruchteten Uebersetzerkunst ihre Rolle. Sie wurden mehrfach aufgelegt, besonders die Dante-Uebersetzung (Originalausgabe in 9. Auflage 1871), die neuerdings verschiedentlich (z. B. von Pfleiderer, Leipzig 1876, in Reclam’s Universalbibliothtek; von Roquette, Stuttgart 1883, in Cotta’s Bibliothek der Weltliteratur) revidirt und neuherausgegeben wurde. Eine Gesammtausgabe aller drei Uebersetzungen erschien 1841 zu Halle. Die mit dieser Thätigkeit zusammenhängende litterarhistorische Leistung über denjenigen Dichter, dem seine Reproduction am schönsten gerecht wird, „Torquato Tasso’s Leben“ (1840), bringt nichts Neues, weder an Thatsachen noch an Gesichtspunkten. Der Ruhm eines strebsamen und tüchtigen Uebersetzers verleibt St. ungeschmälert für immer.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 562. Z. 22. v. o.: Seit 1834 besorgte Streckfuß sämmtliche Originalausgaben der Werke Theodor Körner’s. [Bd. 45, S. 673]