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ADB:Stricker, Wilhelm

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Artikel „Stricker, Wilhelm“ von Rudolf Jung in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 587–588, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stricker,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 22:41 Uhr UTC)
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Band 36 (1893), S. 587–588 (Quelle).
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Stricker: Wilhelm Friedrich Karl St., wurde am 7. Juni 1815 als Sohn eines Kaufmanns in Frankfurt a. M. geboren. Nach dem Besuche erst des Frankfurter und dann des Kreuznacher Gymnasiums wandte er sich 1835 nach Dresden, um auf der medico-chirurgischen Akademie unter Leitung seines Oheims F. A. v. Ammon medicinischen Studien obzuliegen; sie wurden in Göttingen fortgesetzt und 1839 in Berlin vollendet. An die Universitätszeit schlossen sich eine in Begleitung eines kranken Landsmannes unternommene Reise nach Italien und dann weitere medicinische Studien in Berlin und Paris. 1841 ließ er sich als Arzt in Dresden nieder, wandte sich aber aus Mangel an Praxis zumeist litterarischen und culturgeschichtlichen Studien zu, die für die Richtung seiner späteren schriftstellerischen Thätigkeit entscheidend geworden sind. Dieser Zeit seines Lebens entstammen außer einigen Artikeln in Biedermann’s Monatsheften „über das deutsche Sprachgebiet“ und „über Auswanderung und Colonisation“ das „Allgemeine Reisetaschenbuch für Aerzte und Naturforscher“, welches Werk 1845 als „Reisehandbuch“ in neuer Bearbeitung erschien und für ähnliche Unternehmungen späterer Jahre grundlegend geworden ist; seine Forschungen auf dem streng medicinischen Gebiete beschäftigten sich damals zumeist mit der Augenheilkunde. Nach einer zweiten Italienfahrt ließ er sich im Juni 1844 in seiner Vaterstadt Frankfurt als Arzt nieder, mußte sich aber in den ersten Jahren vorzugsweise mit Armenpraxis beschäftigen, sodaß ihm reichliche Muße blieb, seine naturwissenschaftlich-geographischen Studien fortzusetzen und sich dem Frankfurter Vereinsleben zu widmen. 1845 gründete er mit zwei älteren Collegen die Frankfurter Augenheilanstalt; im folgenden Jahre begann er auch seine bibliothekarische Thätigkeit am Senckenbergianum (s. A. D. B. XXXIV, 3). Die am 24. September 1846 in Frankfurt abgehaltene Germanistenversammlung, von der so viele geistige Anregungen und so bedeutende wissenschaftliche Unternehmungen ausgingen, veranlaßte St. zur Herausgabe der Zeitschrift „Germania, Archiv zur Kenntniß des deutschen Elements in allen Ländern der Erde“; wenn auch das Unternehmen sich bedeutender Mitarbeiter erfreuen durfte, so konnte es doch die Revolutionsjahre nicht überleben. Im J. 1847 ließ St. eine größere Arbeit erscheinen, mit der er seine äußerst fruchtbare Thätigkeit auf dem Gebiete der vaterstädtischen Geschichtsschreibung begann, die „Geschichte der Heilkunde und der verwandten Wissenschaften in der Stadt Frankfurt a. M.“ Das Werk liefert auf der Grundlage der hier verwertheten Acten des städtischen Archivs eine sehr interessante Geschichte des Medicinalwesens und eine eingehende Beschreibung der damaligen Medicinalzustände der freien Stadt und ist noch heute von bedeutendem Werthe; freilich wäre eine Neubearbeitung des historischen Theils unter gründlicher Benutzung des archivalischen Materials eine nothwendige und auch lohnende Aufgabe. Die Bewegung des Jahres 1848, in welcher auch die Auswanderungsfrage zur Sprache kam, führte zur Gründung des „Nationalvereins für deutsche Auswanderung und Ansiedelung“; in dessen Auftrage gab St. in Gemeinschaft mit dem Darmstädter Küntzel den „Deutschen Auswanderer“ heraus. 1854 wurde St. nach dem Tode des von ihm hochverehrten Ch. E. Neeff (vgl. A. D. B. XXIII, 363) zweiter Bibliothekar der Senckenberg-Bibliothek und rückte 1863 an die erste Stelle vor, welche er bis zu seinem Tode versah. Seine Thätigkeit an der Spitze der medicinisch-naturwissenschaftlichen Bibliothek des Senckenbergianum, seine lebhafte Betheiligung an dem wissenschaftlichen Vereinsleben der Stadt, sein äußerst fruchtbares litterarisches Schaffen auf dem medicinischen, naturwissenschaftlichen, geographischen und localgeschichtlichen Gebiete [588] begründeten seine hervorragende Stellung im geistigen Leben der Stadt. In seinen letzten Jahren gönnte er sich mehr Muße; mit dem jüngeren Geschlechte konnte er nicht immer gleichen Schritt halten. Im August 1889 hatte er sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum unter großer Betheiligung seiner Berufsgenossen und der wissenschaftlichen Kreise Frankfurts gefeiert; am 4. März 1891 endete ein Schlaganfall sein arbeitsreiches Dasein. – Stricker’s wissenschaftliche Arbeiten – ihre Zahl ist Legion – bestehen zum größten Theil aus Aufsätzen in allen möglichen Zeitschriften; die Gebiete, über welche sie sich erstrecken, sind bereits oben genannt. Von selbständigen Arbeiten sei außer den bereits angeführten noch die „Neuere Geschichte von Frankfurt am Main 1806–1866“ genannt, ein Werk, welches in ziemlich formloser Weise zahllose Notizen ohne gehörige Verarbeitung zusammenstellt und dessen Hauptwerth in den persönlichen Erinnerungen und Eindrücken des Verfassers beruht. Streng wissenschaftliche Forschungen im jetzigen Sinne sind seine localgeschichtlichen Arbeiten keineswegs und daher heute durch gründlichere Verwerthung der Quellen leicht zu überholen; meist hat er nur den Rahm oben abgeschöpft und dem späteren Forscher den dankbarsten Stoff vorweggenommen. Auch seine medicingeschichtlichen Arbeiten, z. B. die 1865 erschienenen „Beiträge zur ärztlichen Culturgeschichte“, tragen vielfach ein feuilletonistisches Gepräge. Ueber seine medicinischen Arbeiten, von denen zwei mit Preisen gekrönt wurden, ein Urtheil abzugeben, fühle ich mich nicht berufen; die geographischen dürften meist veraltet sein. Als von allgemeinerem Interesse sei hier noch der Arbeiten gedacht, in denen er Goethe’s Verhältnisse zur Vaterstadt und deren Zustände zu des Dichters Jugendzeit behandelt. Auch die „Allgemeine Deutsche Biographie“ verdankt ihm eine stattliche Reihe von Artikeln, meist über Frankfurter Persönlichkeiten.

Vgl. E. Cohn, Zur Erinnerung an Dr. med. Wilh. Stricker, im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, dritte Folge, Band IV, S. 385 ff., mit ausführlichem Verzeichniß von Stricker’s Schriften.