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ADB:Swerts, Jean

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Artikel „Swerts, Jean“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 261–264, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Swerts,_Jean&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 08:10 Uhr UTC)
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Swerts: Jean S., Historienmaler, geboren zu Antwerpen am 25. December 1820, † am 11. August 1879 zu Marienbad in Böhmen – (anderweitige Angaben vom Ableben am 14. oder 15. August sind irrig). S., zeitfolgend der siebente „Director“ an der Prager Akademie der bildenden Künste, zählt nebst Kadlik und Trenkwald zu den tüchtigsten und erfolgreichst wirkenden Leitern dieser Kunstschule. Ueber sein künstlerisches Werden ist nur bekannt, daß er vom Gymnasium seiner Neigung nach im 19. Jahre an die Antwerpener Akademie überging, wo sich ihm 2 Jahre später Gottfr. Guffens beigesellte, und daß Beide von da ab zu untrennbarer Collegialität verwuchsen. Denn Alles, was sie für weiter anstrebten, geschah gemeinsam. Vereint gingen sie aus der Vorschule in den Malunterricht zu Nicaise de Keijser über; bezogen hiernach ein gemeinschaftlich eigenes Atelier; wanderten, angezogen vom Rufe Paul Delaroche’s, mit einander nach Paris, und 1850 wieder, durch das Ansichtigwerden der Compositionen Overbeck’s zu den Evangelien und der apokalyptischen Reiter von Peter Cornelius bewogen, auf längere Zeit nach Deutschland. Besonders interessirt für München, dort in regem Verkehr mit den hervorragendsten Künstlern, festigte sich in S. auch wahrnehmbar der seine späteren Werke durchleuchtende Zug deutschen Wesens. Mehrere in seinem Nachlaß vorgefundene cyklische Entwürfe [262] ließen überdies nachweisen, daß er, angeregt von den Münchener monumentalen Wandmalereien, ähnliche Ausführungen anstrebte und, heimgekehrt, sich alsbald um solche bewarb – freilich wieder im Vereine mit Guffens. Zulaß hiefür schien gegeben in der neuerbauten Notre Dame-Kirche zu St. Nicolaus bei Antwerpen. Die dermalen herrschenden Vorurtheile gegen Freskomalereien ließen indeß über „eine Probe“ nicht hinauskommen. Als solche malte S. die heil. Jungfrau, umschart von Zufluchtsuchenden. In Aussicht auf spätere Fortsetzung unternahmen Beide inzwischen noch die längst geplante Reise nach Italien, wo sie insbesondere dem Studium der altitalischen, vornehmlich dem der Florentiner Meister, oblagen. Der nach zwei Jahren Zurückkehrenden harrte dann schon der bestimmte Auftrag für eine nach Zulaß der Mittel fortzusetzende Auszierung der Notre Dame-Kirche, die, allerdings vielfach unterbrochen, erst im Verlaufe von 20 Jahren zur Vollendung kam. – Ein bedeutender Erfolg war jedoch schon im Stadium der ersten Fortsetzung errungen worden. Ihre Wandmalereien hatten Aufsehen erregt und trotz vieler Widersacher Anerkennung seitens der echten Künstler gefunden. Beweis dessen wurden ihnen 1855 neidlos die umfangreichen Fresken im eben fertig gestellten Antwerpener Börsengebäude übertragen. Ohne Ahnung des obschwebenden Verhängnisses arbeiteten sie schon ins dritte Jahr an dieser ihren Ruf begründenden Aufgabe, als das Unerwartetste geschah: die Börse sammt ihrem Kunstschmucke durch den Brand vom 2. zum 3. August 1858 vernichtet wurde! Nur ein Theil der benutzten Cartonzeichnungen, den die Künstler schon vorher nach Hause genommen hatten, war gerettet; zwei der bedeutendsten, die „Hansa“ und „Der Verkehr mit Venetien“, an deren Uebertragung ins Gemälde sie eben arbeiteten, verfielen dem Feuer, blieben blos in Photographien erhalten für die nachherige Ausführung als Oelgemälde.

Noch selben Jahres von der Regierung nach München entsendet zur Besichtigung der ersten historischen Ausstellung deutscher Kunstwerke, erstattete S. auch eingehenden Bericht hierüber, der zur Folge hatte, daß 1859 eine Nachausstellung der großen Cartonzeichnungen zu den monumentalen Werken von Cornelius, Schwind und Kaulbach, abwechselnd in Brüssel und in Antwerpen, veranstaltet wurde. – An diese Mission schlossen die wieder gemeinsam ausgeführten Fresken in der neuen St. Georgkirche zu Antwerpen; 1864 folgten die im Stadthause zu Ypern. – Eine weitere glanzvolle Aufgabe vollbrachten sie im Schöffensaale zu Courtray, bestehend in Darstellungen aus der Culturgeschichte der Stadt. Guffens wählte die Wandfläche an der Langseite des Saales gegenüber den Fenstern, um in möglichster Ausdehnung den feierlichen Abschied Beaudouin’s, des Grafen von Flandern, vor seinem Kreuzzuge (1202) darstellen zu können. S. wählte die Fläche der Breitseite über der Thüre für die Darstellung der „Schlacht des épérons d’or“, welche die Vlämingen 1302 gegen die einbrechenden Franzosen bestanden. Mit sichtlich patriotischer Begeisterung componirt, zeigt sich in der kraftvollen Durchführung zugleich die sichere Meisterhand. – Vollständig gegensätzlich dem Ernste dieser Darstellung ist die andere, rechts vom Kamin angebrachte: „Dirk van Assenede liest der Gräfin Beatrice von Flandern und ihren Damen sein Gedicht ‚Floris und Blanchefleur‘ in Courtray vor“; denn blühende Schönheit, gehoben durch den Anreiz der Dichtung auf den dem Dichter lauschenden Frauenkreis, wird hierin zugleich durch seine Zeichnung und leuchtende Farbe zur wahren Augenweide für den Beschauer. (Die Farbenskizze zu diesem Gemälde war auf der Prager Kunstausstellung des Jahres 1876 zu sehen.)

Das linksseitige Gegenstück von Guffens zeigt den Apostel Flanderns, St. Eligius (Eloi) als Bekehrungsprediger. Von S. kamen noch in die Flächen der Fensterseite die Gestalten von drei denkwürdigen Männern Courtray’s: Abbe [263] Siger, Philipp von Elsaß und St. Amand. – S. stand damit auf der Höhe seines Schaffens mit weithin hochgeachtetem Namen, auch verdient ausgezeichnet von seinem Monarchen durch Verleihung des Leopoldordens – aber auch darin wieder gleichgehalten mit seinem treuen Genossen, und es ist bis dahin richtiger Weise mit Reber zu sagen: „S. und Guffens sind so unzertrennlich verbunden, daß beide Namen beinahe zur untheilbaren Künstlereinheit geworden.“ – Das Jahr 1874 brachte zwar eine räumliche, doch immer noch keine geistige Scheidung. S. folgte dem Rufe nach Prag an Stelle des an die Wiener kaiserl. Akademie berufenen Directors Trenkwald. Sein Wirken hier war ein äußerst fruchtbares; vorbildlich durch edlen Geschmack in der geschichtlichen wie in der religiösen Composition, nicht minder durch sein klares, dabei wirkungsvolles Colorit, umgab ihn auch bald ein zahlreicher, in seinem Geiste thätiger Schülerkreis. Seiner Stellung in dem bisher fremden Lande das Fremdsein zu benehmen, erschloß er zugleich seine Behausung für bestimmte Zusammenkünfte mit den heimischen Künstlern und Kunstfreunden. Die also bestimmten Gesellschaftsabende erhielten noch besonderen Anreiz durch das Beisein der ebenso liebenswürdigen als geistreichen Hausfrau. – Tiefgreifende Trauer kürzte freilich diese Zusammenkünfte. Im September 1876 verlor S. seinen 21jährigen Sohn Walter; am 13. November 1877 seine verehrte Gemahlin Maria Josepha, geb. van Hoorenbeke. – Diese ihn niederbeugenden Verluste betrafen ihn zudem während einer großen – seiner letzten – monumentalen Ausführung in der St. Annen-Capelle im Prager St. Veits-Dome, bestehend in einer Bilderreihe aus dem Leben von St. Anna und Maria, und den Hauptmomenten aus dem Leben Jesu. Dazu kamen noch die Farbenzeichnungen für die Glasgemälde der Capellenfenster mit den Gestalten der Patriarchen. – Inzwischen schon kränklich, 1879 vom Arzte zur Gesundung nach Marienbad empfohlen, erlag der stattliche, anscheinend lebenskräftige Mann dennoch dort dem bereits weit vorgeschrittenen Herzleiden. Die Trauer über seinen unerwarteten Heimgang war eine weitgehende und fand in Prag, wie in Belgien nachhaltigen Ausdruck. Der Kunstverein für Böhmen widmete dem Künstler an der Stätte, wo sein Name mit seinem letzten großen Werke monumental geworden – in der St. Annen-Capelle – eine Votivtafel mit folgender Inschrift: „D. O. M. A. MDCCCLXXIX Societas fovendis per Bohemiam artibus occupata altare in honorem sanctae Matris Annae erigi parietesque una cum fenestra picturis exornare curavit opera Josephi Mocker architecti, Joannis Swerts pictoris, Ludovici Schimek sculptoris.“ – Die Künstlerschaft Antwerpens widmete ihm eine treffliche, von François van Havermaet ausgeführte Marmorbüste, welche im Vorsaale der königl. Akademie aufgestellt, am 26. Mai 1881 unter Theilnahme von Angehörigen des Verewigten, des Bürgermeisters, der Schöffen und Stadträthe, der gesammten Künstler – darunter Abbé Franz Liszt – und anderer angesehenen Männern feierlichst enthüllt und der Stadt zum Eigenthume übergeben wurde. Im Anschluß an diesen Pietätsact begab sich die Versammlung in die St. Georgskirche zu einer solennen Todtenmesse und war der Katafalk mitten unter den Wandmalereien, welche der Künstler im Verein mit Guffens hier ausführte. Zu bleibender Erinnerung war aber noch für eine Gedenktafel vorgesorgt worden mit dem Porträt-Medaillon von S., flankirt von den Genien der Kunst und der Poesie. Die zugehörige Inschrift enthält den kurzgefaßten Lebenslauf und die Erinnerung an sein künstlerisches Schaffen in diesem Gotteshause. Dem an die Theilnehmer der Feier vertheilten „Souvenez-vous dans vos prières de l’âme“ etc. sind auch die Ehrentitel von S. beigefügt: „Officier des belgischen Leopoldordens; Ritter des weimar’schen Ordens vom weißen Falken; des preußischen vom Rothen Adler; des badischen vom Zähringer Löwen; des päpstlichen von [264] St. Gregor; des luxemburgischen der Eichenkrone; Mitglied des Institut de France, der Akademien zu Antwerpen, München, Dresden etc.

Die Schaffensweise von S. ist gleich einer Vereinigung der der Läuterung unterzogenen belgischen Farbengebung mit der Strenge und Schlichtheit der Form, wie sie bei den großen italischen Meistern des 14. und 15. Jahrhunderts, in der Wiederspiegelung und von Eigenart durchdrungen bei den deutschen Romantikern Overbeck, Cornelius und Schwind vorfindlich. Er ist originell dadurch, daß trotz dieses Zusammenfließens scheinbar bekannter Elemente doch jedes seiner Werke den Stempel der Eigenart trägt, sich von ureigener Empfindung belebt zeigt. Er war darum ein eben so feinfühliger Bildniß- wie Geschichtsmaler im Gebiete der Profan- wie der Kirchengeschichte.

Gegenstand seines ersten 1841 in Courtray ausgestellten Bildes war: „Christus überträgt an Petrus das Primat der Kirche.“ Im Folgejahre brachte er auf die Ausstellung in Brüssel „Die drei Frauen am Grabe Jesu“, und führte sich damit schon als berufener Künstler ein, dem bloß noch die Klarheit über die zu nehmende Richtung abging, die er dann allmählich durch die oberwähnten Reisen gewann, so daß sein erstes großes Gemälde in der Notre Damekirche zu St. Jacob ihn bereits in voller Reife zeigte. Unter den späteren Werken ragte aufsehenerregend vor: „Der Empfang der venetianischen Gesandten in Antwerpen“, 1862 ausgestellt auf der internationalen Ausstellung in München. In Prag kamen außer den gedachten Malereien in der St. Annen-Capelle und der Farbenskizze „Dirk van Assenede“ noch eine Reihe vorzüglicher Bildnisse – darunter das des Cardinal-Erzbischofs Fürsten v. Schwarzenberg – und eine „Erinnerung an Italien“ in die Oeffentlichkeit. Das letzte Gemälde von S., darstellend die Scene, wie Cardinal Fürst Schwarzenberg dem neugewählten Papst Leo XIII. den Fischerring St. Petri an den Finger steckt, blieb unvollendet.

S. trat auch als Schriftsteller in die Oeffentlichkeit durch eine im Verein mit Guffens verfaßte Beschreibung seiner Kunstreise in Deutschland unter dem Titel „Souvenirs d’un voyage artistique en Allemagne“, wovon 1858 bei Max Kornicker in Antwerpen eine zweite Auflage mit deutscher Vorrede erschien.

Journal des Beaux-Arts Belgique 1876, Nr. 19; 1879, Nr. 16; 1881, Nr. 11. – De Vlaamsche School, 1879, S. 149 (der 24. Jahrgang derselben Zeitschrift enthält auch ein ziemlich vollständiges Werkeverzeichniß nebst Abbildungen). – Hommage à la Mémoire du Peintre Anversois Jean Swerts, Antwerp. 1882. – Bohemia 1879, Nr. 220. – Reber, Gesch. d. neueren deutsch. Kunst. – Künstler aller Zeiten etc. von Klunzinger-Seubert. – Baudri, Organ f. christl. Kunst 1859, 1860, 1864. – Deutsches Kunstbl. 1855. – Wurzbach, Biogr. Lexikon. Eigene Aufzeichnungen.