Zum Inhalt springen

ADB:Tartarotti, Hieronymus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Tartarotti, Hieronymus“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 402–404, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tartarotti,_Hieronymus&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 16:50 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Tarnowski, Ladislaus
Band 37 (1894), S. 402–404 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Girolamo Tartarotti in der Wikipedia
Girolamo Tartarotti in Wikidata
GND-Nummer 119335522
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|37|402|404|Tartarotti, Hieronymus|Franz Heinrich Reusch|ADB:Tartarotti, Hieronymus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119335522}}    

Tartarotti: Hieronymus (Girolamo) T., Geschichtsforscher, geboren am 2. Januar 1706 zu Roveredo, † daselbst am 16. Mai 1761. Er machte seine Studien in seiner Vaterstadt, zu Padua und Verona, ließ sich 1727 die Tonsur geben und hieß seitdem Abate und trug geistliche Kleidung; die geistlichen [403] Weihen hat er nie empfangen. Kurze Zeit war er Erzieher im Hause des Regierungsrathes Carlo Ceschi zu Innsbruck, dann 1738 einige Zeit Secretär des Cardinals Passionei zu Rom, dessen Gunst er durch eine scharfe Kritik des Werkes „Della eloquenza italiana“ des Prälaten Giusto Fontanini verscherzte, darauf einige Zeit Secretär des venetianischen Patriziers Marco Foscarini, mit dem er sich wegen einer litterarischen Frage überwarf. Die übrige Zeit seines Lebens brachte er in seiner Vaterstadt zu, ohne Amt, aber stets mit Studien und litterarischen Arbeiten mannichfaltiger Art beschäftigt. In seiner Wohnung hielt er für strebsame, junge Leute Vorlesungen über Philosophie, in denen er die herkömmliche scholastische Philosophie bekämpfte. Als junger Mann gründete er einen litterarischen Verein, den er Dodonäum nannte; später war er ein fleißiges Mitglied der Accademia degli Agiati – Seine erste größere wissenschaftliche Arbeit erschien 1743 zu Venedig: „De origine Ecclesiae Tridentinae et primis ejus episcopis dissertatio.“ Der Fürstbischof von Trient, Graf Dominicus Anton Thun, hatte die Widmung derselben angenommen; sie fand aber Widerspruch, weil T. darin die Legende von der Gründung der Trienter (Sebener) Kirche durch Schüler des Evangelisten Marcus widerlegte und nachwies, daß nicht Cassianus, sondern Ingenuinus (im 6. Jahrhundert) der erste Bischof von Seben gewesen sei. Er wurde namentlich von dem Innsbrucker Bibliothekar Anton Roschmann in mehreren Schriften angegriffen, dem er in „De episcopatu Sabionensi S. Cassiani Martyris deque S. Ingenuini episcopi actis epistola“, Ven. 1750, antwortete. Auch der Franciscaner Benedict Bonelli betheiligte sich an dem Streite. 1754 veröffentlichte T. zu Venedig (Roveredo) „Memoriae antiche di Roveredo e dei luoghi circonvicini“. Im Anhange wies er nach, daß der in Trient als Heiliger verehrte Bischof Adalbert II. (im 12. Jahrhundert) kein Heiliger und kein Märtyrer gewesen sei, und rief dadurch Streitschriften von Bonelli und L. von Pilati hervor. Er antwortete in der „Apologia delle Memorie etc.“, Lucca 1758, und auf die anonym von Bonelli herausgegebenen Notizie intorno al vescovo Adelperto etc., Trient 1760, in der „Lettere seconda di un giornalista d’ Italia“, die in Trient während der letzten Krankheit Tartarotti’s von Henkershand verbrannt wurde. T. hat noch einige kleinere Schriften, meist localgeschichtlichen Inhalts, veröffentlicht. Seine Gedichte wurden nach seinem Tode von Cl. Vannetti gesammelt und 1785 herausgegeben.

Am meisten Aufsehen erregte T. durch sein Buch „Del congresso notturno delle lammie con due dissertazioni sopra l’arte magica“, Roveredo (Venedig) 1749 (ein Quartband von 460 Seiten), worin er die Möglichkeit von Zaubereien zugiebt, aber den Glauben an den Hexensabbath und was damit zusammenhängt, scharf bestreitet, und namentlich gegen das Buch des Jesuiten Martin del Rio polemisirt. Er fand mit diesem Buche, das zwei Jahre auf die Approbation der venetianischen Inquisition hatte warten müssen, Widerspruch einerseits bei dem Marchese Scipione Maffei, der in seiner Artis magica dileguata, Verona 1749, die Wirklichkeit der Zauberei in der christlichen Welt überhaupt bestritt, andererseits bei Vertheidigern des alten Hexenwahnes, u. A. bei den Franciscanern Benedict Bonelli und Fr. Staidel. T. veröffentlichte 1751 eine „Apologia del congresso delle lammie“, und darauf Bonelli zu Trient Sentimento critico contro l’apologia … und Maffei zu Verona 1754 Arte magica annichilita. – T. veröffentlichte auch 1750 eine italienische Uebersetzung der von dem Jesuiten Georg Gaar bei der Verbrennung der 1749 als Hexe verdammten Nonne Maria Renata Sängerin zu Würzburg gehaltenen Predigt mit scharfen Glossen, die er mit Dr. F. A. T. unterzeichnete. Als Gaar replicirte, veröffentlichte ein Schüler von T., J. v. Graser, Lehrer am Gymnasium zu Roveredo, Propugnatio adnotationum criticarum in sermonem de Maria Renata [404] saga adversus responsa P. G. Gaar, S. J., Ven. 1752. (Der Streit über die Hexerei wurde durch F. Sterzinger [s. A. D. B. XXXVI, 124] fortgesetzt.)

Graser veröffentlichte nach dem Tode Tartarotti’s eine Trauerrede auf ihn in prächtiger Ausstattung unter Beifügung vieler schwungvoller lateinischer und italienischer Gedichte. Er hob darin hervor, daß T. als frommer Christ und nach dem Empfange der Sacramente gestorben sei. Gleichwol wurde ihm anfangs das kirchliche Begräbniß versagt, und als die Roveredaner ihm in der Kirche St. Marco ein Denkmal setzten, wurde 1762 von dem Generalvicar A. de Rosmini zu Trient, weil das Denkmal ohne Erlaubniß der kirchlichen Behörde und zu Ehren „eines Verstorbenen, der durchaus keine Verdienste habe“, gesetzt worden, die Kirche mit dem Interdicte belegt. Das Interdict wurde auf Verlangen der Kaiserin Maria Theresia wieder aufgehoben; nach längeren Verhandlungen wurde aber die Büste Tartarotti’s von dem Denkmal entfernt und die Inschrift durch eine andere ersetzt.

Hurter, Nomenclator (2) II, 1458. – Tipaldo, Biografia I, 464. – Wurzbach 43, 98. – L. Rapp, Die Hexenprocesse und ihre Gegner aus Tirol, S. 71. – Walch, Neueste Religionsgeschichte II, 115. 458.