ADB:Sterzinger, Ferdinand

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Artikel „Sterzinger, Ferdinand“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 124–125, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sterzinger,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 12:31 Uhr UTC)
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Sterzinger: Ferdinand St., Theatiner, geboren am 24. Mai 1721 auf dem Schlosse Lichtenwörth in Tirol, † am 18. März 1786 zu München. Er stammte aus einer Tiroler adeligen Familie; sein Vater war Gubernialrath in Innsbruck. Am 11. Sept. 1740 trat er in den Orden der Theatiner, 1742 legte er die Gelübde ab. Seine philosophischen und theologischen Studien machte er in dem Kloster seines Ordens zu Innsbruck. 1747 wurde er von seinen Oberen nach Rom und, da er das dortige Klima nicht vertrug, nach Bologna geschickt, um seine theologischen und kirchenrechtlichen Studien fortzusetzen. Nach seiner Rückkehr aus Italien wurde er 1750 Professor der Moraltheologie in Prag, 1753 Lehrer der Philosophie im Theatinerkloster zu München, 1756 Professor des Kirchenrechts in Prag, 1759 Lehrer der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts und Präfect der jungen Cleriker im Kloster zu München. 1762 wurde er für drei Jahre zum Obern des Theatinerklosters gewählt; als solcher war er einige Monate bei Gelegenheit eines Generalcapitels in Rom; sonst blieb er von 1759 bis zu seinem Tode in München. 1759 wurde er Mitglied der Münchener Akademie der Wissenschaften, 1779 Director der historischen Classe. In den Abhandlungen der Akademie stehen von ihm einige Aufsätze über die ältere bairische Kirchengeschichte, u. a. über die damals viel ventilirte Frage nach dem Zeitalter des h. Rupertus (s. A. D. B. XXIX, 698). Er lieferte auch von der von Chr. Fr. Pfeffel und P. v. Osterwald 1767 begonnenen „Chronologischen Einleitung in die Kirchengeschichte. Aus dem Französischen übersetzt“ (Bearbeitung des von dem Pariser Parlamentsadvocaten Ph. Macquer anonym veröffentlichten: Abrégé chronologique de l’histoire ecclésiastique III, 1751), den 4. u. 5. Band (1350–1700), 1776–78. Dagegen erschienen 1780 „Nothwendige Beiträge zur Chronol. Einleitung“ u. s. w.; vgl. Annalen der bair. Litteratur II, 389.

Großes Aufsehen erregte St. durch eine 1766 am Namenstage des Kurfürsten gehaltene „Akademische Rede von dem gemeinen Vorurtheile der wirkenden [125] und thätigen Hexerei“. Das Hexenwesen war durch eine 1749 erschienene Schrift des Weltgeistlichen Hieronymus Tartarotti in Wälschtirol und Italien Gegenstand einer lebhaften litterarischen Controverse geworden, an der sich u. a. auch der Marchese Scipio Maffei betheiligte (L. Rapp, Die Hexenprocesse und ihre Gegner in Tirol, 1874. Reusch, Index II, 796. Hurter, „Nomenclator“ (2) II, 1458). Durch die Rede von St. wurde dieser Streit nach Süddeutschland verpflanzt. Sie wurde zuerst angegriffen von dem Münchener Augustiner Agnellus März („Urtheil ohne Vorurtheil über die wirkende und thätige Hexerei, abgefaßt von einem Liebhaber der Wahrheit“) und von dem Benedictiner Angelus März zu Scheyern („Kurze Vertheidigung der thätigen Hex- und Zauberei wider eine dem h. Kreuz zu Scheyern nachtheilige akademische Rede“). Ersterem antwortete St. mit „Betrügende Zauberkunst und träumende Hexerei, oder Vertheidigungen der akademischen Rede …“ und „Gedanken über die Werke des Liebhabers der Wahrheit von der Hexerei“, 1767. St. kam auf den Hexenglauben zurück in einer 1773 gehaltenen akademischen Rede über den Zustand der bairischen Kirche unter dem ersten christlichen Herzog Theodor II. – Im J. 1774 kam der bekannte Johann Joseph Gaßner (A. D. B. VIII, 407) nach Süddeutschland. St. reiste eigens zu dem Zwecke, Augenzeuge seiner Wunderkuren zu sein, nach Ellwangen und veröffentlichte dann anonym „Die aufgedeckten Gaßnerischen Wunderkuren, aus authentischen Urkunden beleuchtet und durch Augenzeugen bewiesen“, 1774 (2. Aufl. 1775), und „Beurtheilung der Gaßnerischen Wunderkuren von einem Seelsorger und Eiferer für die katholische Religion“, 1775, ferner unter dem Namen Francone dell’ Amavero „Untersuchung, ob es eine Festigkeit gebe. Dabei viele abergläubische Irrthümer aufgedeckt werden. Nebst beigefügtem Katechismus von der Geisterlehre“, 1775, dazu anonym „Der in die katholische Schule geführte Fragsteller über den Katechismus …“, 1775. Später erschienen noch mit Nennung seines Namens: „Geister- und Zauber-Katechismus“, 1783; „Bemühung, den Aberglauben zu stürzen“, 1785; „Die Gespenster-Erscheinungen, eine Phantasie oder Betrug, durch die Bibel, Vernunft und Erfahrung bewiesen“, 1786. (Ein Verzeichniß der vielen Schriften, „die den bairischen Hexenkrieg betreffen“, gibt die Allg. D. Bibl. XXIV, 608; es ist mit einigen Zusätzen abgedruckt in der Litt. d. kath. Deutschland 1, 2 u. 3. Nach dem Tode Sterzinger’s führte Prof. J. Weber in Dillingen den Kampf gegen den Hexen- und Gespensterglauben.) – In seinen jungen Jahren ließ St. einige lateinische philosophische und kirchenrechtliche Dissertationen drucken; 1774 erschien noch von ihm „Johannes Trithemius, Abts zu Spanheim, Unterricht wie ein Priester wohlanständig leben solle; aus dem Latein übersetzt.“

J. R. Graf v. Zech, Rede zum Andenken des Don Ferd. Sterzinger, 1787. – Westenrieder, Beitr. zur vaterländ. Gesch. I, 339; Gesch. der Akademie I, 154 u. s. w. – Baader’s Lex. I, 2, 249. – Wurzbach XXXVIII, 311. – L. Rapp, Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A., 1891.