ADB:Gaßner, Johann Joseph

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Artikel „Gaßner, Joh. Jos.“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 407–408, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ga%C3%9Fner,_Johann_Joseph&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 16:08 Uhr UTC)
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Band 8 (1878), S. 407–408 (Quelle).
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Gaßner: Joh. Jos. G., Exorcist und Teufelsbanner, geb. 1727 im Dorfe Braz bei Bludenz in Vorarlberg, studirte Theologie zu Innsbruck und Prag, wurde Frühmessner zu Dalys und 1758 Pfarrer zu Klösterle, einer kleinen Ortschaft am Fuße des Arlberges. Hier begann G. leibliche Uebel an kranken Leuten, die zu ihm vertrauensvoll die Zuflucht nahmen, durch Exorcismen und Segnungen zu heilen, da er behauptete, sehr viele Krankheiten kommen nicht von natürlichen Ursachen, sondern seien Wirkungen des Teufels und in diesem Falle könnten also Arzneien nichts helfen, wol aber Gebete und Beschwörungen. Ob eine Krankheit natürlich oder diabolisch sei, habe ein erleuchteter Priester zu entscheiden; ihm müsse der Leidende unbedingt folgen. Der Ruf der Gaßner’schen Wundercuren wuchs so rasch, daß das stille Klösterle der Sammelpunkt großer Schaaren Volkes aus benachbarten und entfernteren Gegenden wurde. Das zuständige Ordinariat von Chur untersuchte die Sache und erklärte sich im Princip mit dem Verfahren Gaßner’s einverstanden. Doch äußerten manche Geistliche, besonders im Bisthum Constanz, wo G. zu Mörsburg seine Wunderheilungen theilweise ohne Erfolg versucht hatte, ihre Mißbilligung. Einen mächtigen Gönner fand G. am damaligen Bischof von Regensburg, Anton Ign. Gfn. v. Fugger, der ihn zu seinem Hofcaplan und geistlichen Rath erhob und, da der genannte Herr auch Propst zu Ellwangen war, ihn dahin berief, wo G. alsbald an sogen. Besessenen und anderen widernatürlichen Kranken, die plötzlich in ganz erstaunlicher Anzahl zu Tage traten, durch Benedictionen, Handauflegung und Exorcismen, Heilungen vornahm. Der Zulauf der auf einmal von den seltsamsten Vorkommnissen bedrängten Gläubigen war so groß, daß allein im December 1774 die Zahl der Patienten über 2700 Personen betrug. In demselben Jahre gab G. ein Büchlein heraus: „Nützlicher Unterricht wider den Teufel zu streiten“ (1774), welches in der Folge und noch im Laufe des Jahres 1775 unter dem besonderen Titel: „Weise, fromm und gesund zu leben, nützlicher Unterricht“, elf Auflagen erlebte. Als dann in Münchener und Augsburger Blättern abfällige Urtheile über G. erschienen, vertheidigte er sich in einer eigenen Schrift: „Antwort auf die Anmerkungen, welche in dem Münchnerischen Intelligenzblatt vom 12. Nov. wider seine Gründe und Weise zu exorciren gemacht worden“, 1774 (1775 in 2 Aufl.). Im folgenden Jahre zog G. nach Regensburg, auch hier strömte viel Volk von allen Seiten herbei, bis Kaiser Joseph II. dem Bischof von Regensburg auftrug, Gaßner’n den gemessensten Befehl zu ertheilen, sich dieser Thätigkeit inskünftig gänzlich zu enthalten; die baierische Regierung verbot dessen Schriften und die Erzbischöfe von Prag und Salzburg warnten in Pastoralschreiben ihren Clerus. Zwar wendete sich der Bischof von Regensburg nach Rom, allein Pius VI. sprach sich, obwol den Exorcismus im Princip nicht negirend, doch tadelnd dagegen aus, daß G. denselben mit solcher Ostentation betrieb und dabei vom römischen Rituale abwich. G. zog sich gehorsam zurück, erhielt von seinem Gönner die Pfarrei Bendorf (in der Diöcese Regensburg), wo er 1779 ganz verschollen starb. Sein Auftreten ist durch einen Wirbelwind von Broschüren begleitet, welche sein wahres Bild vielfach verhüllen; zu seinen Gläubigen gehörten der kaiserl. Leibarzt Ant. v. Haen und Lavater; dagegen schrieb (aber ohne seinen Namen) sein unversöhnlicher [408] Antipode Ferd. Sterzinger: „Die aufgedeckten Gaßnerischen Wundercuren aus authentischen Urkunden beleuchtet und durch Augenzeugen bewiesen“, 1775. Vgl. das weitere Material in der (von G. W. Zapf anonym herausgegebenen) „Zauberbibliothek“, Augsb. 1776. In neuerer Zeit nahmen ihn Eschenmayer, Ennemoser und Justinus Kerner insoferne in Schutz, daß G. unbewußt im Besitze magnetischer Kräfte gewesen (wozu sein ganzes Gebahren ziemlich zu passen scheint); dagegen versetzte ihn E. Sierke in die übelste Gesellschaft der „Schwärmer und Schwindler zu Ende des 18. Jahrhunderts“ (Leipzig 1874, S. 222–287). Sierke hält freilich Alles für Hocuspocus. Aber G. glaubte an sich und seine Wunderkraft; ihn als absichtlichen Betrüger hinzustellten, ist unpsychologisch. G. that alles aus uneigennütziger Menschenliebe; „daß er für seine Curen Belohnungen oder gar Bezahlungen empfangen habe, wird ihm selbst nicht von seinen heftigsten Gegnern zur Last gelegt“ (Sierke S. 272).

Vgl. Wurzbach, Biogr. Lexik. V. 99. L. Rapp, Hexenprocesse, Innsbr. 1874, S. 130 ff. etc.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 408. Z. 15 v. o.: Vgl. auch Zimmermann, J. J. Gaßner. Kempten 1878. [Bd. 9, S. 796]