ADB:Thilo von Throta

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Artikel „Thilo, Bischof von Merseburg“ von Georg Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 34–37, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thilo_von_Throta&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 23:34 Uhr UTC)
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Thilo (Tilo, Thile, Tylo), Bischof von Merseburg 1466–1514. Thilo stammte aus der in Thüringen und den angrenzenden Gebieten begüterten Familie von Trotha (Trothe), die auch zu den Lehnsleuten des Stiftes Merseburg gehörte. Sie führte bereits früher als Wappen den Raben mit dem Ringe im Schnabel. Dadurch werden die sagenhaften Erzählungen über die Aufnahme dieses Wappens durch den Bischof hinfällig. Daß er es aber liebte, ergiebt sich daraus, daß er es mehrfach an den von ihm errichteten Bauten anbringen ließ. Er war der Sohn des gleichnamigen erzbischöflich magdeburgischen Marschalls und Rathes, erlangte die Würde eines Dompropstes zu Magdeburg und Domherrn zu Merseburg, wurde 1466 zum Bischofe von Merseburg gewählt und vom Erzbischof Johann von Magdeburg in sein Amt eingeführt. Zunächst legte er auf Anordnung des Kaisers seinen Lehnseid in die Hand des Kurfürsten Ernst von Sachsen ab; 1495 wurde er vom Kaiser Maximilian belehnt. Zu seinen sächsischen Landesherren stand er in einem vertrauten Verhältniß. Sie waren seine Lehnsleute. Am 12. December 1471 bekannten Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht das Schloß Ostrau, die Städte Leipzig, Naunhof und Grimma, sowie die Gerichtsstühle zu Rötha und auf dem Graben bei Leipzig von dem Bischofe und Stifte zu Merseburg zu Lehen empfangen zu haben. Dafür übernahmen sie den Schutz des Gebietes und seiner Rechte und zeichneten ihn persönlich aus. 1478 übertrug man ihm das Geleit der Herzogin Christina, der Tochter des Kurfürsten Ernst und Braut des späteren Königs Johann von Dänemark, an den Hof von Kopenhagen. 1487 führte er während der Theilnahme Herzog Albrecht’s an dem Reichskriege gegen Matthias Corvinus von Ungarn die Statthalterschaft mit dem Bischofe Johann von Meißen und Bruno Edlem zu Querfurt. Bei wichtigen Verhandlungen erwies sich der Bischof dafür dankbar und nützlich. Als die Wettiner Brüder bei der Curie um Verleihung des Präsentationsrechtes zu der Propstei, dem Decanat und den Archidiakonaten des Bisthums Meißen nachgesucht hatten, beauftragte Papst Sixtus IV. Th. mit der Anstellung der Erörterungen. Auf der Burg Giebichenstein leitete dieser im November 1476 die Verhandlungen, bei denen die Uebertragung des Patronates auf die Fürsten als der Ruhe und dem Frieden förderlich bezeichnet wurde. Als später das Gesuch sich auf weitere Stellen des Meißner Bisthums richtete, übernahm der Merseburger Bischof wieder die Untersuchung der vorhandenen Rechte. Auch weltliche Streitigkeiten half er schlichten, z. B. im Frühjahr 1488 einen Streit zwischen Herzog Albrecht und Hugold von Schleinitz wegen des Schlosses Rochsburg und drei Monate später zwischen demselben Fürsten und Heinrich Graf von Stolberg wegen[WS 1] der Gerichte des Amtes Sangerhausen und Röblingen. Den landesherrlichen Schutz erbat er sich während der Abwesenheit des Herzogs Albrecht von Herzog Georg, als der Kaiser ihn aufgefordert hatte, zu einem Kriegszuge zu Fuß und Roß, auch in eigener Person, zu erscheinen. Er unterstützte sein Gesuch durch den Hinweis auf die mißliche Lage in Friesland, die einen Nachschub sächsischer Truppen nöthig erscheinen lasse. Herzog Georg entsprach der Bitte durch erfolgreiche Verwendung beim Kaiser. Als aber der Bischof später auch von dem Kurfürsten Friedrich und dem Herzog Johann Schutz suchte und sich auf einem Tage zu Erfurt 1505 zu Leistungen diesen gegenüber verpflichtete, mußte er sich in mehrfachen Schreiben an den Herzog Georg mit Berufung auf die auch jenen zukommende Schutzpflicht verantworten. [35] Die Regierung Thilo’s fiel in eine Zeit, in der ein lebhafter wirthschaftlicher Aufschwung auch die Einnahmen des Stiftes vermehrte, um so mehr als fruchtbare Landgebiete und capitalkräftige Städte dazu gehörten. 1496 fiel dem Stifte das erledigte Lehen Schafstedt zu, im Jahre darauf Carsdorf und Bunstorff, das Th. an Herzog Albrecht gegen Ostrau und Lennewitz austauschte. Neue Gründungen von geistlichen Stellen und sonstige zahlreiche Stiftungen erhöhten das Einkommen des Bischofs, dessen Ueberschüsse er nutzbar in Landbesitz oder zinstragenden Capitalien anlegte. 1488 kaufte er z. B. von den Gebrüdern Peter, Lorenz und Otto von Werder Gut und Dorf Zscherben mit Zinsen zu Reipizsch und ging dabei gegenüber deren Lehnsherrn, dem Abt Heinrich v. Goßke, besondere Verbindlichkeiten ein. 1506 lieh er dem Leipziger Rathe 12 000 rheinische Gulden. Er veranlaßte auch neue wirthschaftliche Unternehmungen, z. B. schuf er 1482 auf der erkauften wüsten Stätte Boritz die Schladebacher Teichanlagen, die ihn in rechtliche Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn, z. B. Hans und Ciliax Walkhusen zu Euschütz verwickelten. 1484 vergrößerte er den Gotthardteich, dessen Durchbruch 1504 große Verheerungen anrichtete. Das Bestreben der Zeit sich bequem und prächtig einzurichten, fand in Th. einen eifrigen Vertreter. Eine außergewöhnlich reiche Bauthätigkeit hat er während seiner langen Amtsführung entfaltet. Nachdem er das bischöfliche Schloß hatte umbauen lassen, wendete er seine Aufmerksamkeit der Domkirche zu, die aber erst unter seinen Nachfolgern vollendet wurde. Auch für die Verschönerung der Stadt war er eifrig besorgt, namentlich nachdem der verheerende Brand von 1479 einen großen Theil der Stadt in Asche gelegt hatte. Das Königs- und Sixtithor wurde von ihm neugebaut.

Ueber seine kirchliche Wirksamkeit haben wir zahlreiche Zeugnisse. 1485 weihte er am Sonnabend vor Ostern zu Giebichenstein den zum Erzbischof von Magdeburg gewählten Herzog Ernst von Sachsen zum Priester, am 22. November 1489 wies er ihn unter Assistenz der Bischöfe von Havelberg und Naumburg in Gegenwart der erzstiftischen Stände in sein Amt ein. Die Ordination der Geistlichen war seine Aufgabe; auch die Einweihung der Kirchen vollzog er, z. B. 1496 der erneuerten Thomaskirche in Leipzig. Von großer Bedeutung war die Ausübung der Gerichtsbarkeit. Die weltliche war zum großen Theile den fürstlichen und städtischen Behörden überlassen. Dagegen wurde die kirchliche von ihm selbst oder den beauftragten Beamten geübt. 1468 unterhandelte er mit dem Erzbischof Johann von Magdeburg wegen des von der Curie geforderten Zehntens der Geistlichkeit. Mehrfach beschäftigte ihn z. B. die rechtliche Stellung der Propstei Penig. 1478 hob er sie auf Bitten des Chemnitzer Abtes Kaspar auf und bestimmte, daß hinfort Weltpriester daselbst eingesetzt werden sollten. Aber 1500 und 1504 lebte die Angelegenheit wieder auf. Auch hatte er die Aufsicht über das Vermögen der Kirchen seines Sprengels zu führen, z. B. Stiftungen, Vererbungen und Verkäufe zu genehmigen. Das Leipziger und Grimmaer Urkundenbuch bieten zahlreiche Beispiele. Der Sitte der Zeit gemäß hatte er kirchliche Werke durch Ertheilung von Ablaß zu unterstützen. 40 Tage gewährte er z. B. 1467 der Frauenkirche in Grimma, 1468 für den infolge der Pest kurz vorher eingeführten Gesang O adoranda Trinitas in den Leipziger Pfarrkirchen, 1498 einem neugestifteten Salve regina in der Nicolaikirche in Grimma; ebensoviel fügte er 1502 hinzu, als der Cardinal Raimund v. Gurk 100 Tage Ablaß für alle diejenigen bewilligt hatte, die zum Zwecke der Heiligsprechung Benno’s von Meißen Opfer spenden würden. Ein Jahrzehnt später machte er in seinem Sprengel die Bulle des Papstes Julius II. bekannt, nach welcher die von Papst Innocenz VIII. behufs Unterstützung eines Thurmbaues in Freiberg verliehenen Ablässe nach Ablauf der früher bezeichneten Frist noch [36] auf weitere 20 Jahre verlängert wurden. Neben der regelmäßigen Visitation der kirchlichen Anstalten wurden Bischof Th. von der Curie besondere Vollmachten zu theil. Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht waren bei dieser vorstellig geworden, daß in ihrem Gebiete mehrere Klöster beiderlei Geschlechts und andere geistliche Anstalten durch schlechte Wirthschaft und übeln Lebenswandel ihrer Vorstände und Mitglieder in ihrem Ansehen, auch durch kostspielige Processe in ihrem Einkommen so geschädigt worden seien, daß sie dringend einer Reform bedürften. Deshalb ertheilte Papst Innocenz VIII. am 12. März 1484 Th. neben dem Bischofe von Meißen die Vollmacht, unter Zuziehung tüchtiger geistlicher Personen alle exemten und nicht exemten Klöster seines Sprengels mit alleiniger Ausnahme der Ritter- und Bettelorden zu visitiren und, wenn nöthig, an Haupt und Gliedern zu reformiren, Personen anstößigen Lebenswandels zu entfernen und durch geeignete andere zu ersetzen, die Klöster, die nur wenige Insassen hätten, zusammenzulegen, Besitzungen und Grundstücke behufs höheren Ertrags zu verkaufen, in zeitlichen oder bleibenden Erbpacht auszuthun. Unter Thilo’s Regierung gründeten die Brüder vom gemeinsamen Leben im J. 1503 eine Niederlassung in Merseburg. Er überließ ihnen die Gotthardcapelle mit einem Hause, verbot ihnen das Betteln und die Beeinträchtigung der Rechte der Pfarrgeistlichkeit.

Seit der Gründung der Universität Leipzig war dem jedesmaligen Bischofe von Merseburg eine neue Würde zugefallen, die eines Kanzlers und päpstlichen Conservators. Diesem stand die Gerichtsbarkeit über Professoren und Studenten zu, die wol zu den Verhandlungen in Merseburg erscheinen mußten. So erließ auch Th. mehrfach Vorladungen, z. B. infolge einer Schlägerei Leipziger Studenten mit Bauern in Lindenau. Die Umständlichkeit dieses Gerichtsverfahrens, die damit zusammenhängenden Kosten und Schwierigkeiten waren jedenfalls die Veranlassung, daß im J. 1496 unter Zustimmung des Herzogs Georg die Gerichtsbarkeit dem jeweiligen Rector der Universität übertragen wurde. Auch bei der gleichzeitigen Reform derselben war der Bischof mehrfach betheiligt. Ebenso stand er bisweilen mit der philosophischen Facultät in Verhandlung und empfahl ihr mehrfach junge Gelehrte zur Aufnahme, ohne immer Gehör zu finden. Daß er in der Zeit des fehdelustigen Ritterthums mit Waffengewalt überfallen wurde, darf uns nicht Wunder nehmen. Einer seiner Vasallen, Wilhelm Rider, belästigte ihn mehrfach und fügte dem Stifte großen Schaden zu. Auch die Grafen von Mansfeld hatten mit ihm Streit. Ungerechte Behandlung seines Dompropstes Johannes Naustadt und seines Dieners wurde ihm vorgeworfen. Der Chronist entschuldigt ihn so: Quod aliquando quicquam commiserit, quod culpandum fuit, homo fuit, et ut homo errare potuit. Im übrigen rühmt er des Bischofs Tüchtigkeit, seine Gewissenhaftigkeit in geistlichen Dingen, seine Gewandtheit in weltlichen Geschäften. Wenn dieser bereits früher sich in seinen Amtshandlungen durch Secretäre, Vicare, Officiale und Weihbischöfe vertreten ließ, so ernannte er 1507 den Magdeburger Dompropst, Fürst Adolph von Anhalt, zu seinem Coadjutor. Er starb 1514. Sein Grabmal befindet sich noch jetzt in der Domkirche.

Cod. dipl. Sax. reg. II, 3, p. 176–316; II, 6, p. 379–407; II, 10, p. 293–370; II, 11, p. 177–376; II, 12, 612. Außerdem wurden Urkunden des Hauptstaatsarchivs und Rathsarchivs in Dresden benutzt. – E. Brotuff, Chronica von den Antiquitäten des kaiserlichen Stiffts, der römischen Burg und Stadt Marsberg an der Salah. Budissin 1556, 2. Buch, 53. Kapitel. – F. A. v. Langenn, Herzog Albrecht der Beherzte. Leipzig 1838. S. 385 ff. – A. Fraustadt, die Einführung der Reformation im Hochstifte Merseburg. Leipzig 1843. S. 12, 18, 20 f. – E. Beyer, das Cisterzienser-Stift und [37] Kloster Alt-Zelle. Dresden 1855. S. 343, 702. – Chr. G. Lorenz, die Stadt Grimma. Leipzig 1856. S. 83, 85, 113 f. – F. W. Hoffmann, Geschichte der Stadt Magdeburg. Neu bearbeitet von G. Hertel und Fr. Hülße. Magdeburg 1885. I, 247, 262, 265. – A. Schmekel, historisch-topographische Beschreibung des Hochstifts Merseburg. Halle 1858. S. 174–185. 114 u. ö. – L. Puttrich, Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen. 2. Abth.: die kgl. preuß. Provinz Sachsen. 1. Bd. (Leipzig 1836–1843), S. 15 ff., 18. Auf Tafel 8 Nr. 3 ist Thilo’s Grabmal mit dem Wappen abgebildet. – Neue Mittheilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschung. I, 2, 22; IV, 1, 136–144, 176–178; IV, 2, 118–131; V, 2, 106; V, 3, 57, 63; VI, 4, 77 ff. – Mittheilungen des kgl. sächs. Alterthumsvereins. 26., 27. Heft S. 205; 28. Heft S. 140. – Jacobs, Geschichte der preußischen Provinz Sachsen. S. 317.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wegeu