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ADB:Thouret, Nikolaus Friedrich

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Artikel „Thouret, Nikol. Friedrich“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 121–123, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thouret,_Nikolaus_Friedrich&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 17:48 Uhr UTC)
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Thouret: Nikol. Friedr. Th., Maler und Baumeister, geboren am 2. Juni 1767 in Ludwigsburg, † am 17. Januar 1845 zu Stuttgart, war der Sohn eines herzoglichen Kammerlakaien. Wie andere Söhne seiner Dienerschaft nahm Herzog Karl Eugen von Württemberg den jungen Th. in seine Militärakademie, später hohe Karlsschule auf, wo er von Ende 1778 bis Anfang 1788 von den Professoren Guibal, Harper und Hetsch zum Maler ausgebildet wurde. Mit dem Titel eines Hofmalers und einem Reisestipendium von 400 fl. [122] aus der Anstalt entlassen, studirte der junge Künstler noch vom Jahre 1788–91 in Paris und vom Jahre 1793–96 in Rom. Hier aber ging er unter dem Einflusse seines Freundes, des bekannten Karlsruher Architekten Friedrich Weinbrenner (1766–1826), zur Baukunst über. Von dem zweiten Nachfolger Herzog Karl’s, Friedrich Eugen, wurde Th. nach seiner Rückkehr zur Leitung des Ausbaues von Schloß Hohenheim verwendet. Hier lernte Goethe bei seinem Stuttgarter Aufenthalte im Spätherbst 1797 die Kunst und die Persönlichkeit des Meisters schätzen und veranlaßte seine Beiziehung zur Wiedereinrichtung des im J. 1774 ausgebrannten Weimarer Residenzschlosses. Zweimal, vom Juni bis October 1798 und wieder vom December 1799 bis Februar 1800, verweilte Th. in Weimar, und leistete dort unter Mitwirkung von anderen Stuttgarter Künstlern nützliche Dienste sowohl im Schlosse als bei einem Umbau des Theaters. Goethe stand, wie seine Tagebücher und Briefe ausweisen, während dieser Zeit mit ihm auch in brieflichem Verkehre. Dagegen scheint sich Th. (vgl. Schöll, Weimars Merkwürdigkeiten sonst und jetzt S. 321 u. Litt. Nachlaß der Frau Karoline v. Wolzogen I, 466) mit dem Geschäftsleiter des Bauwesens, Geh. Rath v. Wolzogen, weniger gut vertragen zu haben; er kam außer Verwendung, ehe der Schloßbau zu Ende geführt war.

Nach dem Tode Herzogs Friedrich Eugen im J. 1797 wurde Th. von dessen Sohn und Nachfolger Herzog (später Kurfürst–König) Friedrich mit dem Auftrag betraut, das dem Ludwigsburger Residenzschlosse gegenüberliegende Parkschlößchen Favorite (1718 durch Paolo Retti vollendet) ganz neu einzurichten, und wurde dafür im J. 1800 durch die Ernennung zum Hofbaumeister belohnt. Seine Kräfte zersplitterten sich aber an allerlei kleineren Aufgaben seines Amtes, Aus- und Umbau der fürstlichen Schlösser und Gartenanlagen zu Stuttgart, Ludwigsburg, Monrepos, Freudenthal, Solitude u. a., Erfindung von Hof- und Jagdfesten, Ausstattung von Opern und ähnlichen Geschäften. Er galt bei Hof als ein Mann, dessen bewegliche Phantasie und unerschöpfliche Arbeitskraft alles möglich zu machen wisse.

Unter König Wilhelm I., dessen Baulust erst später erwachte, schied Th. im J. 1818 aus seiner Hofstellung aus und sollte hauptsächlich als Lehrer im Staatsdienste verwendet werden. Er erhielt in demselben Jahre als Mitglied einer neu eingesetzten königl. Kunstcommission den Titel eines Professors der Baukunst, den ihm Goethe vorgreiflich schon in seinen Tagebüchern und Briefen von 1797 an zu geben pflegte. Den Titel Oberbaurath erhielt er erst im J. 1842. Einen Anfang seiner Lehrthätigkeit bildete die Uebernahme des geometrischen und architektonischen Zeichnens am Gymnasium und der Realschule zu Stuttgart. Seine eigentliche Bestimmung aber sollte eine Professur an der neu zu errichtenden Kunstschule sein, die jedoch erst im J. 1829 zu Stande kam. Th. erhielt neben dem Bildhauer Dannecker, der an die Spitze gestellt wurde, die Function eines stellvertretenden Mitgliedes der Direction. Seine Hauptlehrthätigkeit entwickelte er aber nicht in der Kunstschule, sondern nach damaliger Sitte auf seinem Baubureau, wo er als vielbeschäftigter Staats- und Privatbaumeister junge Techniker heranzog, ohne übrigens „Schule“ zu machen.

Von seinen öffentlichen Bauten sind zu nennen: das dem Grafen v. Zeppelin auf dem alten Ludwigsburger Friedhofe von König Friedrich errichtete Mansoleum (1802–06), das für seine Zeit sehr zweckmäßig angelegte Katharinenhospital in Stuttgart (1820–27), der, freilich nach heutigen Begriffen höchst bescheidene Cursaal in Cannstatt (1825–26) und das von allen seinen Arbeiten künstlerisch am sorgfältigsten durchgeführte neue Badgebäude in Wildbad (1839 bis 47). Die Privatgebäude, deren er in der württembergischen Hauptstadt eine große Anzahl gebaut hat, sind jetzt, wie z. B. der große Bazar in der Königsstraße, [123] meist so stark verändert, daß man sie kaum mehr mit seinem Namen in Verbindung bringen darf. In seinen früheren Bauten zeigt Th. eine ganz der Weinbrenner’schen Schule entsprechende Vorliebe für derbe dorische Formen und überrascht bei seiner phantasievollen Natur durch die große Dürftigkeit der decorativen Ausstattung, welche freilich zum großen Theile durch die ängstliche Sparsamkeit seiner staatlichen und bürgerlichen Bauherren bedingt war. Später, wie bei dem Wildbader Badgebäude, ging er zum romanischen Stil und, zumal in seinen Privathäusern, auch zur italienischen Renaissance über. Zu bedauern bleibt für alle Zeit, daß es dem kenntnißreichen und schaffenslustigen Meister nicht vergönnt sein sollte, seine Kunst an einem großen Theater- der Concertgebäude, worauf seine Gedanken und Studien bis zu seinem Alter unablässig gerichtet waren, zu erproben.

Sein Sohn Paul Th. (geboren 1814, † 1874) hat sich als vorzüglicher Theatermaler in Stuttgart und darüber hinaus einen rühmlichen Namen erworben.

Vgl. den Nekrolog (von K. Grüneisen?) in der Schwäb. Kronik, Jahrg. 1845, S. 122. – Wagner, Gesch. der hohen Karlsschule (Reg.). – Schöll, Weimars Merkwürdigkeiten einst und jetzt S. 304 und 321. – Egle, Beiträge zur Gesch. der neuer. Architektur in Württemberg, in den Sitz.-Protok. d. Vereins f. Baukunde in Stuttgart 1879, Halbj. I, 41. – Wintterlin, Württemb. Künstler in Lebensbildern S. 172 ff.