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ADB:Uhland, Ludwig Josef

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Artikel „Uhland, Ludwig Josef“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 146–148, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Uhland,_Ludwig_Josef&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 18:39 Uhr UTC)
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Uhland: Ludwig Josef U., geb. in Tübingen am 15. Mai 1722, † ebendaselbst am 15. December 1803, evangelischer Theologe, war der Sohn des Kaufmanns Josef U. und der Marie Rosine geb. Schnürlin. Die wohlhabenden Eltern bestimmten ihren begabten, erstgeborenen Sohn nach schwäbischer Sitte für den geistlichen Stand; 1735 kam U. in die Klosterschule zu Denkendorf, wo J. A. Bengel sein Lehrer war, dessen trefflichem Unterrichte er seine gründliche philologische Ausbildung verdankte; 1737 kam er mit seiner Promotion nach Maulbronn, wo der Unterricht des Professors Megerlin im Hebräischen bedeutungsvoll für seine späteren Studien wurde. 1739 bezog er das evangelische Seminar (Stift) in Tübingen; Canz, der die Wolff’sche Philosophie, freilich ziemlich steif, vortrug, war sein philosophischer Hauptlehrer, Pfaff, Weißmann und Klemm seine theologischen. Stets der erste unter seinen Altersgenossen, bestand er 1744 mit Auszeichnung das theologische Examen, blieb aber noch einige Zeit auf der Universität, um seinen Bildungskreis zu erweitern, wie er denn damals Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung hörte. Zwei Jahre nachher wurde er Repetent am Seminar, 1749 nach kurzer Amtsverweserei in der Klosterschule Denkendorf und dem üblichen Stuttgarter Stadtvicariat im November zum Diakonus in Marbach ernannt. In demselben Monat (30.) führte er Gottliebin Stäudlin, Tochter des Landschaftseinnehmers J. J. Stäudlin, als Gattin heim; vier Jahre blieb U. in Marbach; der Gedanke liegt nahe, daß das junge Helferpaar in dem kleinen Landstädtchen auch mit dem ebenso jungen Schiller’schen Ehepaare bekannt war, sichere Beweise lassen sich aber nicht angeben. 1754 wurde er zweiter Diakonus an der Stiftskirche zu Tübingen; seine ihm so theure Vaterstadt – eine größere theologische Reise, wie sie sonst Sitte war, hat er meines Wissens nicht gemacht – blieb von dort an der Ort seines Wirkens, einer unermüdlichen und treuen Thätigkeit. Er war als Prediger wohl etwas trocken, aber als Seelsorger und Lehrer der Jugend war der aufrichtig fromme und gewissenhafte Mann überall geachtet. 1761 wurde er Professor der Geschichte an der Universität; Universal- und württembergische Geschichte, Chronologie und Staatsverfassung waren die Collegien, die er las, 1772 wurde er Ephorus des Stifts und 1776 ging sein Herzenswunsch in Erfüllung, ein theologisches Lehramt zu bekleiden. Herzog Karl Eugen, der ihm persönlich sehr gewogen war, übertrug ihm auf seine Bitte die Stelle eines außerordentlichen Professors der Theologie, 1777 wurde er ordentlicher Professor und dritter Frühprediger, und da Schnurrer die Ephorusstelle am Stifte übernahm, zweiter Superattendent desselben; im gleichen Jahre erhielt er auch die theologische Doctorwürde. Sein Fach war die alt- und neutestamentliche Exegese und bis zum Wintersemester 1802/03 hat er eifrig dieselbe vorgetragen. Besonders über die prophetischen Bücher des Alten Testaments und über die Psalmen las er, vom Neuen Testament über die Briefe an die Römer, Corinther und Hebräer, daneben Erklärung der symbolischen Bücher der lutherischen Kirche, Eherecht, Pastoraltheologie und Liturgik der lutherischen und württembergischen Kirche. Er war ein Mann großer Gelehrsamkeit und ebensolchem Fleiße, aber trocken und sehr weitschweifig; der pedantische, etwas eckige und [147] unbeholfene Gelehrte, der festhielt an der verjährten Art der ausführlichsten Exegese, so daß er drei Stunden bedurfte für die Krüge bei der Hochzeit von Cana und Jahre lang über Jesaia oder die Psalmen vortrug, gewann wenig Einfluß auf die Studenten, wenn sie auch seine ehrwürdige Persönlichkeit achteten. Von den bedeutendsten Hegel und Schelling wird er kaum erwähnt. Theologisch trat er gegen Sartorius, später gegen Storr und Flatt entschieden zurück und seit dem Hereinbrechen der neuen Ideen, besonders auch durch die französische Revolution, kam er der jüngeren Generation gegenüber wegen seiner Sonderbarkeiten, z. B. einer sehr forcirten Stimme, und merklicher Altersschwäche in immer schiefere Stellung, die sich in manchen burschikosen Demonstrationen kundgab. 4 (5 ?) Mal hatte er das Prorectorat der Universität geführt; im letzten Jahrzehnt seines Lebens blieben ihm aber mancherlei Kränkungen nicht erspart. Er selbst hat, und mit Recht, sein Leben ein glückliches genannt, noch im 80. Jahre konnte er dankend rühmen, daß er Sorge und Furcht nie gekannt habe. Er lebte in glücklichster Ehe mit seiner trefflichen, reichbegabten und gemüthvollen Frau, die ihn mit sechs Söhnen und sechs Töchtern beschenkte, von welchen je vier die Eltern überlebten. Das reiche, tiefe Gemüth der Frau, ihre lebendige Frömmigkeit, ihr treues und verständnißvolles Sorgen für Mann und Kinder zeigt sich in den noch erhaltenen schönen Familienbriefen. In seinen jüngeren Jahren hat U. „der Tugend seiner Stäudlinin“ auch dichterische Spenden dargebracht, nach manchen Seiten hin altmodische, steife, überall von frommen Gefühlen durchdrungene Verse, von welchen aber doch einige echten lyrischen Schwung, wirkliche Poesie zeigen. Auch die Mutter hatte poetische Begabung, als Erbstück der Stäudlin’schen Familie (s. A. D. B. XXXV, 514 ff.); von seinen Großeltern hat der berühmteste ihrer Enkel, der auch des Großvaters Namen trug, der Dichter Ludwig U., diese Anlage ererbt, wie überhaupt in demselben manche von den schönen Eigenschaften derselben: Wahrheitsliebe und Unerschrockenheit, der feste, gerade und doch so feine Sinn, das zarte Gemüth und die herzliche Frömmigkeit, der große Fleiß und die Freude an wissenschaftlicher Arbeit sich bei ihm wiederfinden, allerdings auch das etwas ungelenke Benehmen noch nachklingt. – Einen tiefen Schmerz erfuhr das Elternpaar durch den Tod des vielversprechenden ältesten Sohnes Ludwig Gottlob U., der in Venedig eine Hofmeisterstelle (Bei Reck u. Laminit) bekleidete, auch die deutsche Schule leitete und im September 1777, als er sich anschickte, in die Heimath zurückzukehren, an einem hitzigen Fieber starb. (Im Mai 1775 war er mit Lessing bekannt geworden während dessen Aufenthalt in der Lagunenstadt.) Eine noch schwerere Wunde schlug U. der Tod seiner Frau am 26. April 1793; die im Hause gebliebenen Töchter waren die treuen Pflegerinnen seines durch Kranksein wenig getrübten Alters. Nach kurzer Krankheit starb U. am 15. December 1803. Schriftstellerisch trat U. wenig hervor, nur eine Anzahl Dissertationen und Gelegenheitsschriften über württembergische Geschichte: „De Eberhardo miti“, 1767; „De comitibus Würtemb. Ludovico II. et Hartmanno“, 1772; „De Conrado de Beutelsbach, Alberto de Würtemberg, Wernero de Gruningen“, 1773; „De Francisco I, Galliae rege, et Ulrico, duce, Würt.“, 1776; über biblische Geschichte: „Historia orbis post diluvium“, 1761; „De chronologia sacra“, 1763; „Dissertatio Christum ante aeram vulgarem anno IV exeunte natum esse“, 1775; ebenso theologische: „Ad Paulinum Hebr. 1, 1–31“, 1777; „Annotationes ad Amos“, 1779; „In vaticinia Haggaei“, 1784; „Vaticinium Jesaiae C. 13“, 1800, und andere sind seiner Feder entflossen; keine derselben ist bedeutend.

Urkundliche Mittheilungen über L. Uhland’s Vorfahren Cod. hist., fol. 765 aus der k. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart, dieselben sind sowohl [148] von der Wittwe L. Uhland’s in ihrem Werk über ihren Mann (1865), wie von Rotter in seiner Biographie Uhland’s (Stuttgart 1863) benutzt. – Gedächtnißrede des Herrn L. J. Uhland von G. H. Müller, Tübingen 1803. – Weizsäcker, Lehrer und Unterricht an der evangelisch-theologischen Facultät in Tübingen, Tübingen 1877.