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ADB:Usedom, Karl Georg Ludwig Guido Graf von

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Artikel „Usedom, Karl Georg Ludwig Guido Graf von“ von E. Berner. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 375–377, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Usedom,_Karl_Georg_Ludwig_Guido_Graf_von&oldid=- (Version vom 12. Dezember 2024, 04:45 Uhr UTC)
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Usedom: Karl Georg Ludwig Guido Graf v. U., geboren am 17. Juli 1805 zu Kartzitz auf Rügen, stammte aus einem alten pommerschen Adelsgeschlechte. Sein Leben war sowol den schönen Künsten und ihrer allseitigen Förderung, wie der Diplomatie gewidmet, und da er vorwiegend als preußischer Gesandter in Italien seine Amtsgeschäfte zu führen hatte, so fand er Muße und Gelegenheit vollauf, die beiden Grundrichtungen seines Geistes zu schöner Harmonie auszubilden. Nach Absolvirung seiner juristischen Studien in [376] Greifswald, Göttingen und Berlin arbeitete er kurze Zeit am Berliner Stadtgericht, sowie bei einem befreundeten Landrath in Westfalen, machte im Frühjahr 1832 eine Reise nach Paris und London, im folgenden Jahre nach Süddeutschland, wo er in den hohenzollernschen Fürstenthümern mütterlicherseits Verwandte hatte. Besonders hielt er sich in Nürnberg und München auf, denn hier fesselte ihn das Studium altdeutscher Geschichte und Kunst, sowie sein Interesse für katholischkirchliche Verhältnisse. Im Mai 1837 wurde er, nachdem er kurz vorher das diplomatische Examen bestanden hatte, zum Legationssecretär in Rom, wo damals Bunsen Gesandter war, ernannt, 1839 auf seinen Antrag wegen schwerer Erkrankung seines Vaters und seiner Gattin in das Auswärtige Amt berufen und nach seiner in demselben Jahre erfolgten Ernennung zum Kammerherrn sowie seiner (1841) Beförderung zum wirklichen Legationsrath 1845, um den Verwaltungsdienst kennen zu lernen, vorläufig im Ministerium des Innern beschäftigt. Von 1845 bis 1848 und wieder von 1849 bis 1854 fungirte er als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am päpstlichen Hofe in Rom, einige Monate auch als solcher am Bundestage, wurde aber während dieser Zeit nach Berlin berufen, um den Frieden mit Dänemark zu unterhandeln und 1850 abzuschließen. Es war sein Verdienst, da Bedingungen, welche die Rechte der Herzogthümer sicher stellten, bei der damaligen politischen Gesammtlage für Preußen nicht durchzusetzen waren, daß eine paix pure et simple, ein „inhaltsloser Friede“, geschlossen ward, welcher wenigstens die Zukunft der Herzogthümer nicht preisgab, indem er sie für jetzt Dänemark gegenüber sich selbst überließ. Nach 1854 lebte U. einstweilen ohne amtliche Verwendung zu finden, als Wirklicher Geheimer Rath, wurde aber 1859 vom Prinz-Regenten wieder in den activen Staatsdienst gezogen und zunächst an den Bundestag in Frankfurt geschickt. Hier löste ihn v. Sydow ab, U. aber, 1860 zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses ernannt – eine Auszeichnung, der im December 1862 seine Erhebung in den Grafenstand folgte – ging, nachdem ihn eine außerordentliche Mission im December 1862 noch einmal nach Rom geführt hatte, 1863 als Gesandter (nach Italien) zuerst nach Turin, dann, dem Hofe folgend nach Florenz. Bei dem Abschluß des preußisch-italienischen Vertrages vom 8. April 1866 hat er sich wesentliche Verdienste erworben. 1869 verließ er aber den diplomatischen Dienst infolge eines Zerwürfnisses mit Bismarck, der ihm vorwarf, die von ihm vorgezeichnete Linie überschritten zu haben. Er vermochte nunmehr, zuerst als Berather des (1871) zum Protector der Museen erhobenen Kronprinzen von Preußen und demnächst (1872) als commissarischer Generaldirector der kgl. Museen seiner eigenen Neigung zur Kunst zu leben und für ihre Förderung in Preußen eine segensreiche Thätigkeit zu entfalten. Im Juni 1879 trat er in den Ruhestand und ist am 22. Januar 1884 in San Remo gestorben.

Ueber Usedom’s amtliche Thätigkeit läßt sich Abschließendes heute noch nicht sagen. Bei aller persönlichen Verehrung für König Friedrich Wilhelm III. und IV. war er doch ein bestimmter Gegner ihrer Politik. In dem Unterlassen der zugesagten Einführung der Verfassung, in dem bedingungslosen Anschluß an Oesterreich erblickte er hauptsächlich die Ursachen des Verfalls der preußischen Monarchie, wie ihn das Jahr 1848 in so trauriger Weise darstellt. Provinzialstände sind ihm ein politisch nutzloser Zierrath, den man, ohne den Gang der Staatsmaschine zu beeinflussen, an sie anschrauben oder von ihr wegnehmen könnte, und eine traurige Wahrheit sei es, so drückt er mit seltenem Freimuth sich schon 1849 aus mit Bezug auf den Charakter Friedrich Wilhelm’s IV., daß der Vogelflug schöner Gedanken uns oft auf Höhen führt, die für den gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht ersteigbar sind. Durch und durch eine vornehme, [377] nach classischem Muster gebildete und classischen Idealen nachstrebende Natur sucht und findet er in dem aristotelischen Maßhalten auch für die aufgeregte Zeit, überhaupt für die Beurtheilung politischer Dinge „die Tugend“, den Leitstern, der ihn, auch wenn die positiven Normen zusammenbrechen, sicher führt. Das göttliche Maßhalten, die Sophrosyne ist es, was ihn am Griechenthum entzückt, in dem er dessen weltbelehrende, weltumbildende Kraft, die Basis und Grundbedingung des Höheren erkennt, was sich darauf erbaut. Das Griechenthum hat im Gegensatz zu den kühnen Elementen des Barbarenthums, der Kraft, der Kühnheit, der Kenntnisse das Höhere zu diesem Allen, das Vollendete und die edle Weisheit der Begrenzung aus sich selbst, die Linie, diesseits oder jenseits welcher die Menschen der Unschönheit oder dem Frevel, wo nicht der göttlichen Nemesis verfallen. Um so mehr aber müsse die Gegenwart Maß, Recht, Sitte, Schönheit in politischen Dingen halten, als an uns das Christenthums die Forderungen eines noch viel höheren Gesammtlebens stelle, wir müssen also in Zeiten politischer Kraftexplosion zunächst daran denken, die Kraft zu begrenzen, aus dem rohen Block die Gestalt der neuen Zeit durch Wägen und Messen herauszubilden. Denn nicht solle ihre politische Sturmkraft nach allen Himmelsstrichen ungeordnet treiben, sie solle vielmehr gebändigt und dienstbar der Neuzeit in die Segel wehen. – Ein solches politisches Glaubensbekenntniß, abgelegt am Schlusse des Jahres 1848 in der einzigen uns bekannt gewordenen Denkschrift Usedom’s „Politische Briefe und Charakteristiken aus der deutschen Gegenwart“ (Berlin 1849) zeigt uns in der That einen feinen Kopf, der, wie immer er auch irren mag, sich durch keinen politischen Dogmatismus die unbefangene Würdigung der Gegenwart trüben ließ, dem, wie ihm nachgerühmt wird, die freie vielseitige Beobachtung der menschlichen Natur und der inneren Naturgesetze als die lebendige Quelle staatsmännischer Erkenntniß gilt. So zeugen denn auch diese Briefe selbst da wo sie irren – wie denn ihr Verfasser die Trias in Deutschland lieber sehen will als die Monas, denn je centralisirter die im Grunde auch von ihm gewünschte Einheit werden soll, um so republikanischer würde sie sein – eine besondere Fähigkeit der Abstraction, eine Sicherheit und Ruhe, eine Objectivität des Urtheils, welche das Buch zu einer werthvollen Quelle für die Würdigung der Zeitverhältnisse macht. Charakteristiken aber, wie sie U. von Metternich, von Joh. Jacoby und namentlich von König Friedrich Wilhelm III. und IV. von Preußen sowie von ihren Regierungssystemen entwirft, werden noch heute für den Historiker lehrreich sein. Treffend sagt, soweit wir urtheilen können, der Herausgeber der Briefe, U. gehörte seiner geistigen Abstammung nach in jene Reihe preußischer Staatsmänner, die aus den ersten Decennien des Jahrhunderts, in welche ihre Jugendeindrücke fielen, das politische und sittliche Erbe jener großen Zeit in die Enge und Sprödigkeit späterer Zustände unverkümmert mit hinüber nahmen.

U. war in erster Ehe mit Luise Fischer vermählt, † 1846; in zweiter mit Olympia, der Tochter des großbritannischen Generallieutenants Malcolm, früheren Gouverneurs in Bombay. Die Gräfin Olympia († in München 1886) war eine sehr originelle, an Herz und Geist ausgezeichnete Dame, die nur dem Gatten durch ihre unberechenbaren und undiplomatischen Offenherzigkeiten hie und da die Lage verdarb. U., der inbetreff des diplomatischen Verhandelns selbst gern Metternich als seinen Lehrmeister bezeichnete, hatte sich den point de zèle in vollendeter Weise angeeignet und wußte nie geistvoll anmuthiger zu sprechen, als da, wo ihm darum zu thun war, nichts zu sagen.

E. Berner.