Zum Inhalt springen

ADB:Völk, Josef

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Völk, Joseph“ von Wilhelm Vogt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 230–232, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:V%C3%B6lk,_Josef&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 03:39 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Volk, Wilhelm
Nächster>>>
Völkel, Johann
Band 40 (1896), S. 230–232 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Joseph Völk in der Wikipedia
Joseph Völk in Wikidata
GND-Nummer 117449121
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|40|230|232|Völk, Joseph|Wilhelm Vogt|ADB:Völk, Josef}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117449121}}    

Völk: Dr. Joseph V., hervorragender Parlamentarier und mannhafter Vorkämpfer für die Wiederherstellung des deutschen Reiches, wurde am 9. Mai 1819 in Mittelstetten, einem schwäbischen Dorfe bei Augsburg, geboren. Seine Eltern, wackere Bauersleute, erfreuten sich zwar eines reichen Kindersegens, sahen sich aber unter der Ungunst der damaligen wirthschaftlichen Verhältnisse bald ihres Besitzstandes beraubt, so daß ihrem talentvollen Sohne eine kümmerliche Zukunft bevorstand, wenn nicht ein geistlicher Verwandter, sein Herr „Vetter“, sich insofern seiner angenommen hätte, als er für den ersten Unterricht desselben sorgte, sowie dafür, daß er in das Gymnasium von St. Stephan in Augsburg aufgenommen wurde. Mit eisernem Fleiße und bestem Erfolge, aber auch unter harten Entbehrungen durchlief V. das Gymnasium und widmete sich dann dem Studium der Rechtswissenschaft in München, wo er schon als Student, obwohl er sich durch Stundengeben selbst sein Brod verdienen mußte, eine Preisaufgabe über die „Handlöhne in Bayern“ löste. Die harte Schule, in die ihn das Leben von Jugend an nahm, erzog seinen Charakter zu jener mannhaften Festigkeit und Unerschrockenheit, mit der er später jederzeit allen Hindernissen Trotz geboten und das, was er für recht und wahr erkannte, mit unbeugsamem Muthe und einer bezwingenden, volksthümlichen Beredsamkeit verfochten hat. Zuerst in den stürmischen Jahren 1848 und 49 trat er in Landsberg am Lech, wo er die Stelle eines Advocatenconcipienten bekleidete, öffentlich und mit Nachdruck hervor, indem er ohne Rücksicht auf die in Baiern herrschende Strömung in feurigen Worten Recht und Freiheit forderte, landauf und -ab Volksversammlungen für die Reichsverfassung abhielt und Preußen als die berufene Macht Deutschlands Führung zu übernehmen hinstellte. In den maßgebenden Kreisen sah man diese kühne Thätigkeit Völk’s mit sehr ungünstigen Augen an und ließ ihn die Mißstimmung dadurch empfinden, daß man bis zum Jahre 1855 zögerte, ihm eine selbständige Anwaltsstelle zu übertragen. Zuerst in Friedberg bei Augsburg, dann bald in Augsburg zum Advocaten ernannt, wählte ihn der Wahlkreis Günzburg in die zweite bairische Kammer, der er als Abgeordneter wechselnder schwäbischer Wahlkreise bis an sein Ende angehörte. Dem Ministerium von der Pfordten, das er wegen seiner reactionären und undeutschen Politik und seiner Unthätigkeit in Ausbildung der Gesetzgebung schonungslos immer wieder angriff, bereitete er schwere Tage und es darf als ein Verdienst Völk’s und seiner Freunde Dr. Barth, Brater, Buhl, Crämer u. a., mit denen er sich zu einer deutschen Partei zusammenschloß, in Anspruch genommen werden, daß der milde König Max II., weil er „Frieden mit seinem Volke“ haben wollte, das unpopuläre Ministerium 1859 entließ. In den folgenden Jahren beschäftigte ihn neben vielfacher legislatorischer Thätigkeit hauptsächlich die deutsche Frage, die zur Lösung drängte und ungeahnter Weise auf dem Wege über die Schleswig-Holsteinsche Frage zur Lösung kommen sollte. In dem erregten Kampfe, der damals ganz Deutschland, insbesondere auch den Süden gegen die Bismarckische Politik ins Feld führte, stand V. in der ersten Reihe, er legte laut und offen Protest ein gegen die Vergewaltigung des Augustenburgers und des nationalen Rechtes. Als ihn dann aber die Ereignisse belehrten, daß sein starrer Rechtsbegriff weit hinter der hochfliegenden nationalen Auffassung Bismarck’s zurückblieb und nur auf diesem Wege die Nation zur Einigung geführt werden konnte, da gestand er offen und rückhaltlos seinen Irrthum ein und wurde einer der tapfersten Kämpen für die Neugestaltung Deutschlands nach dem Plane des großen preußischen Staatsmannes. Das [231] deutsche Zollparlament bot ihm Gelegenheit, in einer seiner glänzendsten Reden diese Gesinnung auszusprechen und den particularistischen Gelüsten seiner süddeutschen Landsleute entgegenzutreten. „Wir haben – rief er ihnen 1868 zu – dafür zu sorgen, daß das deutsche Einigungswerk nicht stocke.“ Ueber dem großen Ziel solle man den kleinlichen Partei- und Stammesstreit vergessen. Die Existenz des Zollparlaments beweise, „daß man in Deutschland vorwärts will, daß das Ausland in unsere Verhältnisse nichts einzureden hat und nichts einreden darf“. Die Nation gehe unzweifelhaft ihrer Größe entgegen und frohgemuth dürfe er sagen: „Jetzt ist Frühling geworden in Deutschland“. Keine seiner fast zahllosen Reden machte allenthalben in Deutschland einen gleich tiefen Eindruck als diese, die ihm großartige Ovationen, wohin er auch kam, eintrug. Sicherlich gehört er in die erste Reihe derer, die unablässig bemüht waren, die Mainbrücke zwischen Nord und Süd zu bauen. Als im J. 1870 französischer Uebermuth dem deutschen Volke die Waffen in die Hände zwang und infolge dessen im bairischen Landtag die Bündnißfrage zur Erörterung kam, trat er der unter Jörg’s Führung für Neutralität plaidirenden ultramontanen Partei mit dem ganzen Zorne seiner Vaterlandsliebe entgegen: „Wenn uns gesagt worden ist, es handle sich eigentlich nicht um eine deutsche, sondern nur um eine preußische Sache, so möchte ich an das untrügliche Gefühl appelliren, welches in diesen Tagen überall, wo Deutsche sind, und namentlich auch im Auslande, sich kundgiebt. Von London bis Calcutta und bald auch wol von Amerika und weiter herüber ruft man uns zu: „Wahrt den deutschen Namen und die deutsche Ehre“. Der Wirkung seines gewaltigen Wortes war es auch mit zuzuschreiben, daß 47 Abgeordnete von der Rechten unter Sepp’s Führung sich für den Kriegsfall entschieden und damit die Zustimmung zur Theilnahme Baierns am Kriege gaben. Man kann sich denken, mit welchen Gefühlen V. den Siegeszug des deutschen Heeres begleitete, das neben der Siegespalme die Kaiserkrone des wiedervereinten Vaterlandes nach Hause brachte. Natürlich wurde V. von seinen Schwaben im Algäu auch in das deutsche Parlament gewählt, wo er nicht bloß dem Namen nach, sondern mit voller Einsetzung seiner Kraft des Amtes eines Abgeordneten waltete und wie im bairischen Abgeordnetenhaus an den gesetzgeberischen Arbeiten den thätigsten Antheil nahm. Insonderheit spielte er in dem infolge des vatikanischen Concils ausbrechenden Kulturkampf als Gegner des Jesuitismus und Ultramontanismus sowohl in seinem Heimathlande wie im Parlament eine hervorragende Rolle in dem Streite um Gewissens- und Geistesfreiheit. „Wenn von Freiheit, von deutscher Freiheit gesprochen wird, so habe ich die Ansicht, – sagte er am 28. November 1871 zu Berlin – die beste Seite des Menschen, seine vorzüglichste, die, wo er am meisten Mensch ist, das ist seine religiöse Seite und die Entfaltung seines religiösen Lebens. Aber von Freiheit muß der nicht sprechen, der diese beste Seite, die Entfaltung des religiösen Lebens, unter den starrsten Absolutismus eines einzelnen Menschen setzt“. In Baiern unterstützte er mit Eifer das nationale und damals noch liberale Ministerium, indem er den Kanzelparagraphen vertheidigte und der freien Forschung und Pflege der Wissenschaften gegenüber den „Dressuranstalten“ der Lyceen das Wort redete. Im Reichstage war er es, der schon 1872 den Antrag auf Erlaß eines Gesetzes über die obligatorische Civilehe und Civilstandsregister stellte, das auch hernach eingeführt wurde. In gleich lebhafter Weise wirkte er an dem Abschlusse der Justizgesetze mit und drang er auf die Abfassung eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuches. Im bairischen Landtag verdankte man seiner kenntnißreichen Verwendung die Errichtung eines obersten Verwaltungsgerichtshofes, wodurch einem fühlbaren Mißstande, der sich vielfach widersprechenden Entscheidung in Verwaltungssachen, [232] erfolgreich begegnet wurde. – V. war von jeher einem unfruchtbaren Doctrinarismus, der auf die praktischen Bedürfnisse keine Rücksicht nimmt, abhold: aus dem Volke stammend und durch seinen bürgerlichen Beruf mit dem Volksleben und seinen Erfordernissen vertraut, leitete ihn, der ein Freund und Schüler des Nationalökonomen List war, auch in den schwerwiegenden Fragen des Erwerbslebens vor allem die Rücksicht auf die durch dasselbe gestellten Forderungen. Den nationalen Wohlstand zu heben und die nationale Production zu schützen galt ihm als ein Hauptsatz gesunder Volkswirthschaft; deshalb war er Schutzzöllner von jeher und deshalb stiftete er mit Gesinnungsgenossen die „freie volkswirthschaftliche Vereinigung der Zweihundertvier“ 1878 im Reichstage und trat für das von Bismarck inaugurirte Zollsystem und seine Wirthschaftspolitik 1879 ein. Ein Tadelsvotum seiner bisherigen politischen Freunde bewog ihn aus der nationalliberalen Partei auszutreten und mit Schauß, Hölder u. a. eine eigene Gruppe zu bilden, die im Wahlkampf 1881 unterlag. Auch der schon schwer kranke V. wurde in seinem von den klerikalen Gegnern längst schwer bedrohten Algäu nicht wiedergewählt, da seine erschütterte Gesundheit ihm die Betheiligung an den Wahlkämpfen verbot und seine Wahl stets nur eine Folge seiner unmittelbar die Wähler packenden Beredsamkeit gewesen war. Am 22. Januar 1882 starb er. V. war ein Volksmann im edelsten Sinne des Wortes. Die Macht der Rede, die ihm eigen war, bezwang die Massen umsomehr, als es ihm nicht darauf ankam ihnen nach dem Sinne zu reden. Seiner Ueberzeugung, die aus einem guten Herzen quoll und von starker Empfindung getragen war, gab er ungescheut je und je Ausdruck; man nannte ihn daher mit Grund „den Mann mit dem besten Herzen“, wozu seine Gegner noch fügten „und mit der bösesten Zunge“. Immer auf das Große und Ganze blickend ging er dem Kleinen und Kleinlichen aus dem Wege. Das Wohl des Vaterlandes stand ihm über Alles, so daß er des eigenen Vortheils vergaß. Nach Titeln und Orden geizte er so wenig, als nach Vermögen und Reichthum, die er als vielgesuchter Vertheidiger sich leicht hätte erwerben können, wenn ihm nicht das Amt eines Volksvertreters als das Höchste erschienen wäre. Heiterkeit und Herzensgüte machten ihn allen werth, mit denen der lebensfrohe Mann verkehrte.

Familienaufzeichnungen. – Zeitungen. – Stenographische Berichte der Landtags- und Reichtagsverhandlungen.