ADB:Friedrich VIII.

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Artikel „Friedrich VIII.“ von August Sach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 126–134, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_VIII.&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:50 Uhr UTC)
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Friedrich, Herzog von (zu) Schleswig-Holstein, ward als Sohn des Herzogs Christian August und seiner Gemahlin Luise, einer geborenen Gräfin von Daneskiold-Samsoe, am 6. Juli 1829 auf dem Schlosse Augustenburg auf der Insel Alsen geboren. Von kundigen Lehrern unterrichtet und schon in seiner Jugend von dem politischen Kampfe, den sein Vater um das Erbrecht seines Hauses führte, berührt, trat er auch früh den Vorkämpfern des schleswig-holsteinischen Staatsrechtes, wie Falck, Reventlow, Samwer u. a. persönlich näher. Nach Erlaß des offenen Briefes (1846) begleitete er mit seinem jüngeren Bruder Christian seinen hülfesuchenden Vater an die Höfe von Hannover, Berlin und Wien, und auf ihrer Rückreise fand seine erste Begegnung mit dem damaligen Prinzen und der Prinzessin von Preußen auf Schloß Babelsberg statt (1847). Schon ein Jahr später, beim ersten Beginn der schleswig-holsteinischen Erhebung, als der Herzog nach Berlin geeilt war, um die Hülfe Friedrich Wilhelm’s IV. anzurufen, verließ der Erbprinz mit seinem Bruder auf die Weisung des Vaters, der ihre Gefangennahme fürchtete, das Schloß Augustenburg (26. März 1848) und begab sich nach Rendsburg; er sollte die Stätte seiner Geburt niemals wiedersehen. In dem ersten schleswig-holsteinischen Kriege nahm er im Stabe seines Oheims, des Prinzen von Noer, an der Schlacht bei Schleswig theil; dann in dem Hauptquartier Bonin’s beschäftigt, hatte er im folgenden Jahre (April 1849) den ehrenvollen Auftrag, die Flagge und den Wimpel des dänischen Linienschiffes Christian VIII. dem Reichsverweser nach Frankfurt zu überbringen. In der Schlacht bei Fridericia leicht verwundet, kämpfte er mit bei Idstedt und bei Missunde, um dann nach Auslieferung der Herzogthümer an Dänemark durch die beiden deutschen Großmächte mit seinen Eltern in die Verbannung zu gehen. Im Frühling 1851 bezog er mit seinem Bruder die Universität Bonn, wo er bald zu dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen in enge Beziehungen trat, die für sein späteres Leben von großer Bedeutung werden sollten. Die folgenden Jahre verlebten beide Prinzen auf Reisen; sie besuchten nacheinander die Schweiz und Belgien, Frankreich und Italien und knüpften schon damals nähere Verbindungen mit den Höfen in Coburg und Karlsruhe an. Im Februar 1854 trat er bei dem 1. Garderegiment zu Fuß in Potsdam ein; doch schon nach zwei Jahren, nach seiner Vermählung mit der Prinzessin Adelheid von Hohenlohe-Langenburg (Sept. 1856), nahm er seinen Abschied aus dem activen Dienste, behielt aber die Stellung à la suite seines Regiments [127] bei. Anfangs in Primkenau, das sein Vater erworben hatte, wohnend, siedelte er 1857 nach Schloß Dolzig über, wo er der Landwirthschaft und seiner Familie lebte, bis ihn der immer heftiger entbrennende Streit der holsteinischen und schleswigschen Stände und des deutschen Bundes mit Dänemark auf den politischen Kampfplatz rief.

Als sein Vater durch die Acte vom 30. December 1852 infolge des Drucks der Großmächte unter einer nicht entsprechenden Entschädigung für seine in Beschlag genommenen Güter auf Alsen und im Sundewit sich verpflichtet hatte, für sich und seine Familie der für Dänemark geplanten Thronfolge nicht entgegenzutreten, war dieser für seine Person aus dem Erbfolgestreite ausgeschieden. Fortan hielt es der Erbprinz F. für seine Aufgabe, die Rechte seines Hauses und seines Heimathlandes gegen Dänemark zu vertreten, da er in Uebereinstimmung mit der Anschauung seiner Landsleute und der amtlichen Erklärung des dänischen Staatsministers Oersted in der Acte seines Vaters keinen Verzicht auf staatsrechtliche Erbansprüche seines Hauses anerkennen konnte. Als daher die dänische Regierung von den holsteinischen Ständen die Anerkennung des neuen Thronfolgegesetzes forderte, richtete er am 15. Januar 1859 einen Protest nach Kopenhagen, um sein Erbrecht zu wahren, und trat im Laufe der folgenden Jahre in nähere Verbindung mit den Führern der nationalen schleswig-holsteinischen Bewegung. Aber erst der Tod des Königs Friedrich VII. (15. Nov. 1863) brachte für ihn und Schleswig-Holstein die entscheidende Wendung. Sein Vater unterzeichnete eine Verzichtsurkunde zu seinen Gunsten, und am 16. November 1863 erschien, Schloß Dolzig datirt, seine Proclamation an die Schleswig-Holsteiner, worin er die Erbfolge für sich in Anspruch nahm und zugleich – für die Folgezeit von besonderer Bedeutung – das schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848 anerkannte. Diese Proclamation aber war es vor allem, die der Ungewißheit und Unentschlossenheit in Holstein, das von dänischen Truppen besetzt war, völlig ein Ende machte und allem Volke bei der ungeheuren Aufregung ein festes Ziel vor Augen stellte.

Schon bei seinem Besuche in Berlin bei dem Könige Wilhelm und dem Ministerpräsidenten v. Bismarck (18. Nov. 1863) traten im Keime alle Schwierigkeiten hervor, die der baldigen Durchführung seiner Bestrebungen sich entgegenstellten. Trotz alles Wohlwollens des Königs für ihn und die Sache seines Heimathlandes, war der erste Schritt zu seiner Anerkennung, der Rücktritt Preußens und noch weniger der Oesterreichs von dem Londoner Protokoll nicht zu erwarten. Es blieb dem Herzog nichts übrig, als dem Rathe des Königs zu folgen und sich an die Bundesversammlung zu Frankfurt zu wenden, die ebenso wenig wie die holsteinischen und schleswigschen Stände den Londoner Vertrag anerkannt hatte, und damit zugleich auch auf die Bildung von „Stämmen einiger Infanteriebataillone aus Landeskindern“ auf dem Gebiete befreundeter Bundesfürsten, wie er dem Könige schrieb, Verzicht zu leisten. Die Bundesexecution in Holstein gegen Dänemark, die statt seiner Anerkennung als Herzog durch den Druck der beiden Großmächte erfolgte, die Huldigungen, die ihm Bürger- und Bauernstand einmüthig und die große Mehrheit der Ritterschaft darbrachten, stellten den Herzog vor einen entscheidenden Entschluß. Das ganze Land verlangte sein Kommen, und er mußte trotz der Warnung des Königs Wilhelm dem Rufe folgen. Am 30. December 1863 traf er auf Umwegen in Glückstadt ein und fuhr mit einem Extrazug nach Kiel ab, wo er zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags, von unbeschreiblichem Jubel begrüßt, anlangte.

Des Herzogs Erscheinen im Lande erwies sich von größeren Folgen, als [128] Freund und Feind erwartet hatten; es brachte dem Volke zum vollen Bewußtsein, daß eine Wiederkehr unter dänische Herrschaft fortan selbst beim größten Uebelwollen der Großmächte nicht mehr möglich sei; das Land begann sich fortan mit der Person des Herzogs als der Verkörperung des schleswig-holsteinischen Gedankens völlig zu identificiren; das Landesrecht, für das die damalige politisch allein maßgebende Bevölkerung einen dreijährigen blutigen Krieg ausgefochten hatte, stand und fiel in ihren Augen mit ihm. In diesem Sinne sind alle jene begeisterten Huldigungen und Proclamationen zu verstehen, die dem „Herzog Friedrich VIII.“ dargebracht wurden. Er war bisher dem Lande so gut wie unbekannt gewesen; wer sich jetzt ihm nahte, fand in ihm einen besonnenen, ernsten und doch freundlichen Mann, einen Charakter, wie er dem Wesen des schleswig-holsteinischen Volkes entsprach. Kein Mann von hoher staatsmännischer Begabung, aber ein Mann von Ehre und Gewissen, wußte er binnen kurzem die Herzen seiner Landsleute zu gewinnen; selbst die, die sich damals und später von ihm zurückzogen, haben niemals sein lauteres Wesen anzutasten gewagt.

Der Herzog und seine Räthe Francke, Samwer, Duplat, die erst wieder mit ihm aus der Verbannung ins Land zurückkehrten, waren sich der Schwierigkeit der Lage voll bewußt. Er sollte jetzt mitten unter den streitenden Mächten seine Stellung suchen und mit dem Einsetzen seiner Person den Volkswillen zur Anerkennung bringen. Es fragte sich, ob er, ohne jegliche militärische Macht zur Seite, allein gestützt auf die begeisterte Zustimmung des deutschen Volkes, diese Aufgabe zu erfüllen vermochte. Sorgfältig vermied er, etwas vorzunehmen, was den Schein einer Regierungshandlung hervorrufen konnte, um den beiden Bundescommissären keine Schwierigkeiten zu bereiten und zugleich auch den beiden Großmächten, die alsbald den Antrag beim Bunde gestellt hatten, ihn aufzufordern, Holstein sofort zu verlassen, jeden Vorwand zum weiteren Einschreiten zu nehmen. Aus dem Briefwechsel mit dem Könige Wilhelm ersieht man, wie sehr er bemüht war, sich dessen Vertrauen zu bewahren; gewisse gegensätzliche Anschauungen machten sich jedoch alsbald geltend. Freilich treten dabei, so weit sich nach den vorliegenden Quellen ein Urteil fällen läßt, auffallende Widersprüche hervor. Während der König nach dem eingehenden Berichte mündlich dem Verhalten des Herzogs und der Bevölkerung hatte Gerechtigkeit widerfahren lassen, warf die schriftliche und für eine historische Betrachtung allein maßgebende Antwort (18. Januar 1864) ihm Mangel an Vorsicht vor, die nöthig sei, um unreine Elemente fern zu halten; des Herzogs Sache wäre in einer anderen Lage, wenn er sich mit conservativen Rathgebern umgeben, des Königs wohlgemeinte Rathschläge befolgt und vermieden hätte, vorzeitig den Charakter eines anerkannten Souveräns in Anspruch zu nehmen und in dieser Eigenschaft selbst den Beistand ausländischer Souveräne (Napoleon’s III.) anzurufen. Die Umgebung des Herzogs und wol auch der Herzog selbst sah in diesem überraschenden Schreiben wol nicht mit Unrecht die Hand des Ministerpräsidenten Bismarck; von vornherein ward das Mißtrauen wach, der Minister suche dem Herzoge das Vertrauen des Königs zu entziehen, und seine doch so gemäßigten Rathgeber zu verdächtigen; sein ganzes Bestreben gehe dahin, die ganze Frage der Erbfolge offen zu lassen, und er arbeite im Geheimen auf eine Einverleibung der Herzogthümer hin. Wir wissen heute genau, wie Bismarck dachte; die verschiedenen Schachzüge, die er that, um sein Ziel zu erreichen, sind uns freilich auch heute noch nicht immer ganz verständlich. Damals trugen die verschiedenen Wendungen seines Verhaltens gegen ihn nicht am wenigsten zu der Verbitterung bei, die nach und nach das Herz des Herzogs erfüllte. Er war von vornherein bereit [129] gewesen, in militärischer, maritimer und commercieller Hinsicht Preußen alle wünschenswerten Vortheile einzuräumen; er dachte in dieser Frage wie alle einsichtigen Schleswig-Holsteiner, deren Führer einst im Frankfurter Parlament der eigentlichen Kaiserpartei angehört hatten; aber mit Rücksicht auf die Mittelstaaten, die, wenigstens zum großen Theil, bereit ihn anzuerkennen, zugleich durch das einseitige Vorgehen der beiden Großmächte in der schleswigschen Frage tief erbittert waren, glaubte er zunächst selbst mit geheimen Anerbietungen zurückhalten zu müssen. Erst die Erklärung der Kieler Professoren (10. Februar 1864) an Bismarck, die Bevölkerung wünsche den engsten Anschluß an Preußen, brachte die Frage in Fluß. Der Herzog suchte und fand die Vermittlung des Kronprinzen; als die Londoner Conferenz gesichert schien, war auch der König bereit zu Verhandlungen „zwischen Fürst und Fürst“ und erklärte fünf Punkte als unerläßliche Vorbedingungen einer Verständigung. Nach vertraulichen Mittheilungen des Kronprinzen richtete dann der Herzog ein officielles Schreiben an den König, in dem er die fünf Forderungen, eine Flottenstation für die preußische Marine, die Besetzung der Bundesfestung Rendsburg, den großen Canal, eine Militärconvention im Sinne der Coburgschen und den Beitritt der Herzogthümer in den Zollverein, zu erfüllen versprach und außerdem den Abschluß einer Marineconvention in Vorschlag brachte (29. April 1864). Das Ausbleiben jeder Antwort, die Stellung, die ein Theil der Conservativen in einer Adresse an den König in der schleswig-holsteinischen Frage einnahm, und Andeutungen über eine größere Hinneigung des Königs nach den kriegerischen Erfolgen zu Gunsten einer Annexion, bewogen den Herzog, während der Londoner Conferenz verschiedenen Höfen die Mittheilung zu machen, da selbst bei einer Einverleibung in einen deutschen Staat die Befreiung der Herzogthümer erreicht sei, werde er in einem solchen Falle zwar Protest erheben, aber keine äußersten Schritte thun. Aber gerade diese Wendung, die drohend auftauchte, trieb die bisher mehr oder weniger feindliche Politik Oesterreichs aus Eifersucht gegen Preußens Machterweiterung ins entgegengesetzte Lager und führte zu der bekannten, dem Herzoge günstigen Erklärung auf der Londoner Conferenz (28. Mai 1864). Daran schloß sich eine der merkwürdigsten und noch heute nicht völlig klaren Episoden in den Verhandlungen des Herzogs mit Preußen. Aus verschiedenen Gründen lag es Bismarck daran, ihn nach Berlin zu bringen; er wollte, wie der Kronprinz bemerkt, mit ihm unterhandeln, um zu erfahren, ob er sich auf die „conservative Basis“ stellen werde. Auch der König hatte eingewilligt, ihn als „Erbprinzen“ zu empfangen. Der Herzog ging einer schwierigen Aufgabe entgegen; er sollte sich nicht allein mit dem Könige verständigen, sondern auch mit einem Staatsmann unterhandeln, dem er in keiner Weise gewachsen war. Er erhielt Warnungen, nicht zu sehr auf Oesterreich zu bauen, dessen Sendboten sich bemühten, ihn von einseitigen Verpflichtungen gegen Preußen abzuhalten. Was verhandelt ward, mußte das größte Geheimniß bleiben, der König selbst hatte dies verlangt. Am 1. Juni traf der Herzog in Berlin ein; von seiner Mutter hörte er, wie der König sie besucht habe, um ihr zuerst mitzutheilen, daß ihr Sohn nun sicher zur Regierung gelangen werde; die Verhandlungen mit Bismarck sollten nur zur Erledigung von Förmlichkeiten dienen. Der König empfing ihn freundlich, sprach mit ihm über die Lage auf der Conferenz, über Theilungspläne Schleswigs; bezüglich der Concessionen wollte er unter den augenblicklichen Verhältnissen alles Aufsehen vermieden wissen. Der König sprach mit ihm als einem vollberechtigten Fürsten; der Herzog hatte die Empfindung, in völliger Uebereinstimmung von [130] ihm geschieden zu sein. Abends um 9 Uhr fand dann die dreistündige Unterredung mit Bismarck statt, die in der Folge der mächtige Staatsmann als Waffe in einem Kampfe benutzte, dessen Ausfall dem Herzoge gegenüber nicht zweifelhaft sein konnte. Ueber die Unterredung liegen zwei Berichte vor, die aber in ganz wesentlichen Punkten miteinander in Widerspruch stehen, ein erst nach seinem Tode bekannt gewordenes Dictat des Herzogs am folgenden Tage zu persönlichen Zwecken und ein Bericht Bismarck’s an den König, der ein Jahr später am 2. Juli 1865 im preußischen Staatsanzeiger veröffentlicht ward. Mit Lenz (s. Art. Bismarck, A. D. B. XLVI, S. 678) halte ich die Aufzeichnung des Herzogs aus naheliegenden Gründen für die zuverlässigste Quelle. Die Unterredung trug in keiner Weise einen gereizten oder heftigen Charakter; Bismarck zeigte sich anfangs entgegenkommend und drückte dem Herzoge wiederholt seine persönliche Anerkennung betreffs seiner politischen Grundsätze aus; aber er behandelte ihn nicht als einen erbberechtigten Fürsten, sondern als einen Prätendenten, den man auch durch den Großherzog von Oldenburg ersetzen könne. Er wollte auch keinen Staatsvertrag mit ihm schließen, nur ein schriftliches Uebereinkommen mit dem Kronprinzen solle der Herzog treffen; ohne auf die Forderungen des Königs, die der Herzog bewilligt hatte, einzugehen, erhob er neue Ansprüche, deren Tragweite der Herzog bei ihrer Unbestimmtheit nicht zu übersehen vermochte; auch legte er auf die Geheimhaltung aller Zugeständnisse, die dem Herzog vor allem wegen der Mittelstaaten und Oesterreichs am Herzen lag, kein Gewicht. Der Herzog äußerte sich zurückhaltend, versicherte, er werde halten, was er dem Könige versprochen habe, könne sich aber über die zum Theil erforderliche Zustimmung der Landesvertretung nicht hinwegsetzen; er bat, Vertrauen in seine Gesinnungen zu setzen und erklärte sich schließlich bereit, nach Ueberlegung der Sache weiter zu verhandeln. Bei objectiver Betrachtung der vorliegenden Berichte kann man in der That schwerlich zu einem anderen Ergebniß kommen, als daß Bismarck von vornherein nicht gewillt war, eine Verständigung zu erzielen; es scheint dabei, daß seine Absicht nicht sowohl darauf hinauslief, den Herzog mit Oesterreich zu entzweien, als darauf, sein Verhältniß zu dem Könige zu trüben. Jedenfalls ist sein Bericht so abgefaßt, daß er den Herzog bei dem Könige in ein übles Licht stellen mußte. Es wird demnach wol richtig sein, was Manteuffel einmal im Jahre 1866 äußerte, „auch wenn der Erbprinz mit Engelzungen geredet hätte, er würde Bismarck doch nicht gewonnen haben“.

Hatte der Herzog auch keine besonders günstigen Eindrücke von den Aeußerungen Bismarck’s empfangen, so war er doch wie aus den Wolken gefallen, als jetzt sich in der preußisch-officiösen Presse ein Sturm gegen ihn erhob, der ihn in den Augen des Volkes bloß stellte. Doch trug er Bedenken, seine Aufzeichnung zu veröffentlichen, um den Streit nicht noch mehr zu verbittern. Nur eine Aeußerung, die ihm zugeschrieben ward, „es wäre für ihn und seine Sache besser gewesen, wenn Preußen sich in die holsteinische Sache gar nicht eingelassen hätte“, ließ er bestreiten und hat sie sein Lebelang bestritten. Nach vertraulichem Schriftwechsel mit dem Kronprinzen entschloß er sich dann noch zu einem officiellen Schritt, um des Königs Anschauungen umzustimmen, der infolge des Bismarck’schen Berichtes annehmen konnte, der Herzog halte nicht mehr an dem Privatübereinkommen fest. Am 20. Juni schrieb er ihm, er sei bereit, alles, was Bismarck als Gegenstand der Verhandlungen bezeichnet habe, zuzugestehen; er werde die Regierung niederlegen, falls die Landesvertretung seine Versprechungen auch nur in einem Punkte nicht genehmigen würde; dann bat er den König, dem Lande die Theilnahme [131] am Kriege zu ermöglichen und preußische Offieiere zur Organisation„ einer schleswig-holsteinischen Armee zu commandiren. Aber die Unterhandlungen kamen seitdem nicht wieder in Fluß; selbst das Anerbieten, Alsen und Sylt als preußische Häfen abzutreten, und eine Denkschrift, worin er dem Könige die Vortheile einer baldigen endlichen Lösung der schleswig-holsteinischen Erbfolge vorlegte, hatten keinen weiteren Erfolg. Nach Abschluß des Wiener Friedens (30. October 1864), der Befreiung der Herzogthümer von dänischer Herrschaft, die ein allmähliches Erlahmen der Begeisterung im deutschen Volke für seine Sache im Gefolge hatte, hatte der Herzog, allein auf die Anhänglichkeit des schleswig-holsteinischen Volkes gestützt, bei der völligen Ohnmacht des deutschen Bundes die schwierige Aufgabe, in dem beginnenden Streite der beiden Großmächte eine bestimmte Stellung einzunehmen. Am 22. Februar 1865 theilte Bismarck nach Wien die bekannten „Februarbedingungen“ mit, deren Erfüllung Preußen von dem zukünftigen Fürsten verlangen müsse; für den Fall, daß die Erfüllung derselben gesichert sei, verhieß er weitere Verhandlungen über die Person des einzusetzenden Fürsten; vorher aber müsse der König das Gutachten der Kronsyndici hören. Mochte Oesterreich, wie zu erwarten war, ablehnen oder nicht, er hielt sich damit alle Wege offen. Schwerlich wird er vorausgesetzt haben, daß der Herzog sich bereit finden werde, auf diese weitgehenden Bedingungen einzugehen, die gänzlich aus dem Rahmen der damaligen Bundesverfassung hinausfielen. Trotzdem erklärte sich der Herzog im wesentlichen damit einverstanden; im Grunde blieb nur ein formeller Unterschied über die Stellung des schleswig-holsteinischen Heeres innerhalb der preußischen Armee bestehen. Da Bismarck nun jede Verhandlung mit dem Vertreter des Herzogs ablehnte, tauchte der Gedanke auf, durch eine Reise des Herzogs nach Berlin auf den König einzuwirken; doch rieth der Kronprinz davon ab; dann dachte man durch die Entlassung von Francke und Samwer eine Wirkung zu erzielen: da trat plötzlich eine ganz unerwartete, auch heute noch nicht völlig erklärbare, mit seinen früheren Handlungen in gewissem Widerspruch stehende Wendung in der Bismarck’schen Politik ein. Am 17. April ließ er Oesterreich die Berufung der schleswig-holsteinischen Landesvertretung vorschlagen, um sie über die Zukunft des Landes zu befragen; in weiterem Verfolg der Verhandlungen mit Oesterreich verlangte er, daß der Herzog mit seinen Räthen das Land bis zum Ende der Tagung verlasse. Die letztere Forderung war ohne Zweifel der springende Punkt, um den sich alles drehte und der zu einer größeren Verschärfung des Conflictes führen mußte. Schon mit der zu erwartenden, dem Herzoge ungünstigen Entscheidung der Kronsyndici bekannt, richtete der König (1. Juni 1865) ganz im Sinne der Bismarck’schen Forderung ein vorwurfsvolles Schreiben an den Herzog; er sei ohne seinen Rath nach Holstein gegangen, habe sich mit einer förmlichen Regierung umgeben und mit den Feinden Preußens gemeinschaftliche Sache gemacht; er möge erwägen, wie sich seine gegenwärtige Stellung mit seinen Pflichten als preußischer Unterthan vereinigen lasse. Ohne Willen der allein berechtigten beiden Souveräne eine andere Regierung aufzurichten, sei eine strafbare Handlung, die im Völker- und Staatsrecht ihre besondere Bezeichnung habe (Hochverrath). Nach weiteren Verwarnungen droht dies Schreiben mit ernstem Einschreiten ohne Ansehn der Person und ohne Rücksicht auf den Widerspruch anderer Regierungen und fordert schließlich den Herzog auf, während der Berufung der Stände das Land zu verlassen. Der Herzog sah sich dadurch in einen immer stärkeren Conflict mit dem Könige gedrängt. Nur dann, wenn er sich entschloß, während der genannten Zeit das Land zu räumen, war ein Ausgleich noch denkbar, wenn auch wenig wahrscheinlich. [132] Objectiv und vom preußischen Standpunkte aus beurtheilt, läßt sich die Forderung des Königs begreifen; aber dem Herzog erschien es nach Lage der Verhältnisse als eine sittliche Unmöglichkeit, das Land freiwillig zu verlassen; daß er seinen Abschied aus der preußischen Armee nehmen mußte, war, auch nach Anschauung des Kronprinzen, damit zu einer Nothwendigkeit geworden, wie sehr sich auch dadurch der König gekränkt fühlen konnte. Als letztes Rettungsmittel schlug der Kronprinz die pure Annahme der Februarbedingungen vor. Der Herzog trug Bedenken; die preußische Regierung werde sich auch in dem Falle ihm gegenüber nicht binden und die noch übrigen Differenzen die Ausführung des Abkommens in Frage stellen. In diesem Sinne ist seine Antwort (vom 16. Juli) an den König gehalten; er berief sich zugleich dabei auf die Pflichten, die ihm sein Recht auflege, verwahrte sich gegen den Vorwurf, in Opposition gegen Preußen getreten zu sein und eine Nebenregierung gebildet zu haben; auch würden die einzuberufenden Stände keinen Anlaß zu Conflicten geben. Wenn der König seine Stellung für unvereinbar halte mit den Pflichten eines preußischen Officiers à la suite, bat er in einem besonderen Gesuche um seinen Abschied aus der preußischen Armee, der ihm in der Folge auch am 21. August ertheilt ward. Die darauf durch Bismarck erfolgende Veröffentlichung seines Berichtes an den König über die mit dem Herzog am 1. Juni 1864 gepflogene Unterredung, ließ dieser unbeantwortet, um nicht mit dem preußischen Staatsmann in einen gefährlichen persönlichen Streit zu gerathen; für den Fall seiner Gefangennahme infolge einer seitens des Königs nach Wien gerichteten Aufforderung zu seiner Entfernung bestellte er die Herzogin mit seiner Vertretung. Merkwürdig ist es, wie Bismarck unter diesen Umständen nach Ablehnung der preußischen Forderungen in Wien und angesichts der Gasteiner Verhandlungen ihn durch von der Pfordten auffordern ließ, sich nach Berlin zu begeben, um durch Vermittlung des Kronprinzen das Vertrauen des Königs wieder zu gewinnen. In Kiel sah man darin eine Falle. Nach längeren vertraulichen Berathungen mit Baiern und Oesterreich, gab der Herzog eine ausweichende Antwort; sobald eine Verständigung der beiden Mächte über die zukünftige Stellung des Landes zu Preußen erreicht sei, werde er bereit sein, durch seinen Besuch in Berlin die Verständigung auch in der Personenfrage zu erleichtern.

Der Vertrag zu Gastein (14. August) führte in den Herzogthümern einen förmlichen Kriegszustand herbei; der Verschärfung des Verhältnisses zwischen Preußen und Oesterreich entsprach das Verhalten des preußischen Gouverneurs v. Manteuffel in Schleswig gegen den Herzog. Ein Besuch desselben bei dem Herzog Karl von Glücksburg in Karlsburg und die dabei stattfindenden Huldigungen führten zu einem scharfen Briefwechsel; der Erlaß der sogenannten Zuchthausverordnung (31. März 1866), sowie der Versuch, den Herzog bei Gelegenheit der Beisetzung des Prinzen v. Noer in Krusendorf gefangen zu nehmen, bezeichneten den Höhepunkt des Conflictes. Schritt für Schritt war der Herzog so mehr und mehr auf die Seite Oesterreichs und der Mittelstaaten gedrängt, als Bismarck die deutsche Frage stellte und mit dem Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland auch die schleswig-holsteinische Frage im preußischen Sinne zu lösen unternahm. Als die preußischen Truppen in Holstein einrückten, verließ der Herzog am 7. Juni 1866 Kiel und Holstein: er sollte den Boden seiner engeren Heimath nimmer wieder betreten. Am 16. war er in Liebenstein und legte am folgenden Tage in einer Proclamation an die Schleswig-Holsteiner die Gründe dar, die sein Verhalten bestimmt hätten; er sei bereit gewesen zu jedem mit den Gesammtinteressen Deutschlands irgend verträglichen Opfer, um das Recht des Landes mit den Wünschen [133] Preußens in Einklang zu bringen; sein ernstliches Bemühen sei daran gescheitert, daß die preußische Regierung keine Verständigung gewollt. Man hat dem Herzog, auch in den Herzogthümern, mehrfach einen Vorwurf daraus gemacht, daß er gewissermaßen im Widerspruch mit seinem bisherigen Verhalten freiwillig das Land flüchtend verlassen habe; selbst der König Wilhelm hatte, nach seinen Aeußerungen zu rechnen, erwartet, daß er nach dem Abzug der Oesterreicher sich unter preußischen Schutz begeben und sich ihm zur Verfügung stellen werde. Für die Entschließung des Herzogs waren wol besonders die persönlichen Drohungen Manteuffel’s maßgebend; er wollte seine Freiheit behalten; in der Erwartung, daß der Kampf längere Zeit hin und her wogen und für eine spätere Verständigung noch Raum gewähren werde, gedachte er den Gang der Ereignisse abzuwarten. Nachdem die Entscheidung gefallen und am 23. August 1866 der Prager Friede geschlossen war, legte er dem Könige (Schreiben vom 31. August) noch einmal die politischen Gründe dar, die seines Erachtens gegen eine Einverleibung der Herzogthümer und für ein bundesstaatliches Verhältniß sprächen. Eine Antwort darauf erfolgte nicht: am 24. December 1866 vollzog der König das Einverleibungsgesetz. Unter dem 2. Januar 1867 entband dann der Herzog seine Landsleute von den Verpflichtungen, die sie ihm gegenüber übernommen hatten, und am 28. Februar legte er in einem Schreiben an den König Protest gegen die Einverleibung ein. Die scharfe Erwiderung des Königs datirt vom 25. März; des Herzogs ausführliche Antwort, um die Anklagen seines Verhaltens zu entkräften, erfolgte am 30. April. Seine Gesinnung liegt in folgenden Worten ausgedrückt: „Aber ich vermag den Standpunkt zu fassen, welcher die Zukunft Deutschlands lediglich auf Preußens militärischer Macht glaubt gründen zu müssen, und wenn es gelingt, auf diesem Wege unser deutsches Vaterland zu seinem dauernden Zustande der Einheit, der Freiheit und der Macht zu führen, dann wird jedes Einzelinteresse sich freudig dem Wohle des Ganzen zum Opfer bringen“.

Nach dem Kriege vertauschte der Herzog seinen Aufenthalt Baden mit Gotha, nachdem seine Gemahlin und seine Kinder bereits am 24. Mai Kiel verlassen hatten. Der Tod seines Vaters am 11. März 1869, der ihn in den Besitz von Primkenau brachte, führte wieder die erste Annäherung an den König herbei. Derselbe richtete ein eigenhändiges Beileidsschreiben nach Primkenau, wofür der Herzog am 25. März seinen Dank aussprach. Als er am Kriege 1870 als bairischer Generalmajor à la suite theilnehmen wollte, machte er dem Könige davon Mittheilung, die dieser dankend und mit lebhafter Befriedigung entgegennahm. In Ligny, am 24. August, fand dann die erste persönliche freundschaftliche Begegnung beider statt, die eine spätere Verständigung anbahnte. Die bekannte Aeußerung des Herzogs zu Gustav Freytag in Donchery nach dem Abschlagen des französischen Reiterangriffs: „Eine solche Stunde ändert die Gedanken des Menschen und legt neue Pflichten auf“ deutet eine Wandlung in seinen Anschauungen an. Wol hat er noch länger die Hoffnung festgehalten, noch ein Mal in eine engere Beziehung zu seinem Vaterlande zu treten, aber nachdem die Gewalt der geschichtlichen Thatsachen über seine Ansprüche hinweggeschritten war, sich gänzlich von der Rolle eines Prätendenten fern gehalten. Als dann die Herzogthümer ihren finanziellen Ausgleich mit Preußen geschlossen hatten, ohne ihn zu befragen, ließ er auch den Anspruch fallen, bei einer Verständigung mit Preußen eine Beziehung des herzoglichen Hauses zu Schleswig-Holstein herzustellen. Als daher der König, angesichts der bevorstehenden Verlobung des Prinzen Wilhelm mit Auguste Victoria, der ältesten Tochter des Herzogs, im December 1879, den Wunsch [134] äußerte, der Herzog möge seine und seines Hauses Stellung zu der preußischen Krone klären und befestigen, um jede spätere Trübung zu vermeiden, gab er am 3. Januar 1880 dem Kronprinzen eine Erklärung ab, die endgültig mit der Vergangenheit abrechnete, aber dem Kaiser erst nach dem Tode des Herzogs vorgelegt ward. Der Herzog erlebte die Früchte einer besseren Zeit nicht mehr. Bereits schwer krank während der letzten Verhandlungen, suchte er in Wiesbaden vergebliche Hülfe. Dort verschied er nach zweitägigem Aufenthalt am 14. Januar an einer Herzlähmung. Die treueste Freundschaft, die ihm bei allen Wechselfällen das Kronprinzenpaar bewahrte, hat den schwergeprüften Fürsten bis an sein Grab begleitet; aus seiner eigenen Heimath erwiesen ihm Deputationen bei seiner Bestattung in Primkenau die letzte Ehre, und das Land selbst hat später sein Andenken durch die Errichtung seines Denkmals in Kiel verewigt.

H. v. Sybel, Die Begründung des deutschen Reichs III. – Henrici, Lebenserinnerungen eines Schleswig-Holsteiners. Stuttgart und Leipzig 1897. – Bernhardi’s Tagebücher V. – Staatsarchiv VI. – Herzog Ernst von Coburg-Gotha, Denkwürdigkeiten III. – Schleswig-Holsteins Befreiung; herausgegeben aus dem Nachlaß des Professors Karl Jansen und ergänzt von Karl Samwer. Wiesbaden 1897. – Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein, ein Lebensbild von Karl Samwer. Wiesbaden 1900.