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ADB:Manteuffel, Edwin Freiherr von

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Artikel „Manteuffel, Edwin Freiherr von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 176–186, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Manteuffel,_Edwin_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:21 Uhr UTC)
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Manteuffel: Edwin Freiherr von M., königlich preußischer Generalfeldmarschall und kaiserlich deutscher Statthalter der Reichslande Elsaß-Lothringen, ward am 24. Februar 1809 zu Dresden geboren. Sein Vater, damals Geheimer Referendarius im sächsischen Staatsministerium, dann Präsident der Regierung der Niederlausitz in Lübben, kam bei der Abtretung dieses Landestheiles im J. 1815 in den preußischen Staatsdienst und starb [177] 1844 als Oberlandesgerichtspräsident der Provinz Sachsen zu Magdeburg; seine Mutter, eine geborene Gräfin zu Lynar, gab des Sohnes Denkungsart eine streng christliche, gläubige Richtung und nährte in ihm den Sinn für ritterliches, wahrhaft vornehmes Wesen. M. wurde meist von Hauslehrern, eine kurze Zeit auch im Gymnasium „Unserer lieben Frauen“ zu Magdeburg unterrichtet, trat aber schon am 1. Mai 1827 beim Gardedragonerregimente zu Berlin in den Heeresdienst und wurde am 15. Mai 1828 Officier (vgl. H. v. Rohr, Geschichte des 1. Gardedragonerregiments, Berlin 1880). Seinem Fortkommen in der gewählten Laufbahn standen mancherlei Hindernisse im Wege: Eine zarte Körperbeschaffenheit, Kurzsichtigkeit, beschränkte Vermögensverhältnisse und Mangel an Beziehungen zu den maßgebenden Kreisen. Aber seine starke Willenskraft überwand sie. Durch Privatstudien, zu denen ein reger Sinn für die Wissenschaften ihn hinzog, gut vorbereitet, besuchte er von 1833–1836 die Allgemeine Kriegsschule (jetzt Kriegsakademie), wo Fleiß und Befähigung ihm die Anerkennung seiner Lehrer einbrachten. Nach der Rückkehr zur Truppe wurde er Regimentsadjutant und kam damit in eine von ihm vorzüglich ausgefüllte Stellung, die er am 14. Mai 1839 mit der als Adjutant beim Gouverneur von Berlin vertauschte. König Friedrich Wilhelm III. hatte ihn selbst für diese ausgesucht, er war auf den durch Charakter und Geist hervorragenden Officier aufmerksam geworden, gedachte ihn zum Adjutanten eines seiner Söhne zu machen, vorher aber seine Brauchbarkeit für diese Verwendung durch den Gouverneur General v. Müffling (s. A. D. B. XXII, 451) erproben zu lassen. M. war die Veränderung sehr unangenehm, weil er fürchtete, dadurch von seinem Lebensziele, sich zu einem tüchtigen praktischen Reiteroffieier heranzubilden, abgelenkt zu werden. Aber der Wechsel gereichte ihm zum Heile. Denn Müffling, welcher zugleich Präsident des Staatsraths war, wurde sein Lehrer, der ihn nicht nur in militärischen Dingen unterrichtete, sondern ihn auch in Fragen der Gesetzgebung, der Staatsverwaltung und der Politik einführte. Am 18. October 1839 ging des Königs bei Manteuffel’s Berufung zu seiner Stellung gehegte Absicht in Erfüllung, er wurde als Adjutant zur 2. Gardecavalleriebrigade commandirt, an deren Spitze des Königs jüngster Sohn, Prinz Albrecht, stand; ein Jahr später ernannte König Friedrich Wilhelm IV. ihn zum persönlichen Adjutanten dieses Prinzen.

Damit trat er freilich zunächst in ein Verhältniß, welches ihm wenig zusagte, aber zugleich in die Kreise, in denen er berufen war, später eine hervorragende Rolle zu spielen. Die freie Zeit, welche seine Stellung ihm verschaffte, benutzte er zu Studien an der Universität; damals trat er in ein näheres persönliches, demnächst auch durch Briefwechsel belebtes Verhältniß zu Leopold v. Ranke, welches bis zu Manteuffel’s Tode gedauert hat. Auch seine Beförderung ging jetzt rascher von statten als zu Anfang seines Dienstlebens, 1842 wurde er Premierlieutenant und schon 1843 Rittmeister. Im nächsten Jahre verheirathete er sich mit einer Tochter des früheren Kriegsministers und Generaladjutanten v. Witzleben (s. A. D. B. XLIII, 675). Dem frischen politischen Leben, welches nach der Thronbesteigung König Friedrich Wilhelm IV. in ganz Preußen sich entfaltete, blieb M. nicht fern. Er betheiligte sich sogar an einem politischen Kränzchen. Als aber die Befürchtung in ihm aufstieg, daß die Meinungsverschiedenheiten einen Zusammenstoß zwischen Krone und Volk herbeiführen könnten, zog er sich zurück. Um diese Zeit wurde er zuerst in das Getriebe der Diplomatie und das Wirken ihrer Vertreter eingeweiht. Es geschah im J. 1847 während eines mehrmonatigen Aufenthaltes in St. Petersburg, wohin er den Prinzen Albrecht begleitet hatte. Hier trat er auch dem Kaiser Nicolaus I. näher, der Gefallen an ihm fand.

[178] Eine Wendung in seinem Lebensgange führten die Märztage des Jahres 1848 herbei. Sein mannhaftes Auftreten im Berliner Schlosse, wo neben vielen Würdenträgern die Prinzen mit ihrem Gefolge versammelt waren, der Kleinmuth aber vorherrschte, und die Ergebenheit, die er damals dem König bewies, indem er sich in der Nacht vom 19./20. den getreuen Wächtern beigesellte, die sich bereit hielten, ihr Leben für das des Monarchen einzusetzen, bewogen diesen, das von M. vorgebrachte Gesuch, zum Regimente zurückkehren zu dürfen, abschläglich zu bescheiden und ihn zu seinem Flügeladjutanten zu ernennen. Sehr bald trat M. in ein nahes persönliches Verhältniß zum Könige, der, von seiner treuen Ergebenheit überzeugt, ihm volles Vertrauen schenkte. Damals gehörte M. zu den Felsen in des schwankenden Königs Umgebung, an deren Festigkeit die Brandungen der Revolution zerschellten, das Anstürmen der Umsturzpartei zu nichte wurde; er selbst meinte später, es sei derjenige Zeitabschnitt seines Lebens gewesen, in welchem er den größten Einfluß auf den Gang der Dinge in Preußen und dessen politische Entwicklung geübt habe. Bald benutzte der König ihn auch zu diplomatischen Sendungen. Zuerst im Spätsommer 1848 zum König Oscar von Schweden, als es sich um den Waffenstillstand von Malmö handelte. Das Geschick, welches M. bei dieser Gelegenheit an den Tag gelegt hatte, bewog zur Wiederholung solcher Aufträge. Der nächste führte ihn ein Jahr später nach Kiel, wo er der Statthalterschaft zu verkünden hatte, daß Preußen, von England und von Rußland gedrängt, die Sache Schleswig-Holsteins aufgäbe, die Elbherzogthümer sich selbst überlasse. Sechzehn Jahre darauf hatte er die Genugthuung, mitwirken zu dürfen bei der Tilgung der damals nicht eingelösten Schuld von 1848. Auch die Schmach von Olmütz konnte er nicht abwenden. Sendungen zum Zaren nach Warschau, zu Kaiser Franz Joseph nach Wien und zu König Ernst August von Hannover, die ihm zu diesem Zwecke aufgetragen waren, blieben erfolglos. Für M. persönlich hatten sie den Nutzen, daß sie ihn mit vielen einflußreichen Persönlichkeiten in Berührung brachten. Sein Einfluß auf die Politik wuchs, als sein Vetter Otto v. Manteuffel nach des Grafen Brandenburg Tode an die Spitze des Cabinetts getreten war (Denkwürdigkeiten des Ministerpräsidenten Otto Freiherrn v. Manteuffel, herausgegeben von H. v. Poschinger, Berlin 1901); auch in militärischen Dingen sprach er mit. Trotzdem sehnte er sich nach der Rückkehr in den Truppendienst, und auf sein dringendes Verlangen ernannte ihn der König am 1. October 1853 zum Commandeur des 5. Ulanenregiments in Düsseldorf. M. war inzwischen zum Oberstlieutenant aufgestiegen.

Aber nur eine kleine Weile konnte er sich hier dem Reiterdienste widmen, der ihm so sehr am Herzen lag. Schon im März 1854 rief ihn der König nach Berlin zurück. Die drohende Betheiligung der Westmächte an dem zwischen Rußland und der Pforte ausgebrochenen Kriege war die Veranlassung. Friedrich Wilhelm IV. wollte dieser Betheiligung durch das Zusammengehen der anderen Mächte vorbeugen. Um Oesterreich für den Gedanken zu gewinnen, wurde M. nach Wien entsandt. Aber er konnte seinen Auftrag nicht erfüllen, weil schon am 28. März Frankreich und England an Rußland den Krieg erklärten. Wenige Wochen später führte ihn sein Weg wiederum nach Wien. Er hatte Glückwünsche zu der am 24. April vollzogenen Vermählung des Kaisers zu überbringen, zugleich aber zu erklären, daß Preußen nicht beabsichtige, Oesterreich zu Liebe seine guten Beziehungen zu Rußland zu opfern. Die Art und Weise, in welcher M. sich des heiklen Auftrages entledigt hatte, veranlaßte Franz Joseph, ihm sein lebensgroßes in Oel gemaltes Bild zu schenken. Eine ähnliche Aufgabe hatte er im Juni zu erfüllen, als er nach Petersburg die [179] Mahnung überbrachte, die Donaufürstenthümer zu räumen, damit nicht Preußen genöthigt werde, auf Grund einer gegen Oesterreich übernommenen Verpflichtung diesem zur Erreichung jener Forderung militärischen Beistand zu leisten. Die Sendung führte zum Ziele. Manteuffel’s soldatische Offenheit, seine freimüthige Beredtsamkeit und staatsmännische Einsicht überzeugten den Zaren und bewogen ihn, seine Truppen aus der Walachei und der Moldau zurück zu ziehen. Im October kehrte M. nach Düsseldorf zurück, aber schon im December ging er wieder nach Wien, wo er bis zum März 1855 mit dem Auftrage blieb, Oesterreich von der Theilnahme am Kriege abzuhalten, der es auch schließlich entsagte. Erfolglos blieb dagegen eine Sendung in der Neuenburger Angelegenheit im J. 1856. Düsseldorf und sein Regiment hat er also wenig gesehen. Am 18. December 1856 wurde er, seit 1854 Oberst, zum Commandeur der 3. Cavalleriebrigade in Stettin ernannt.

Aber als er kaum dort angekommen war, berief ihn am 12. Februar 1857 des Königs Vertrauen in die ebenso schwierige und verantwortungsvolle wie einflußreiche Stellung als Chef der Abtheilung für persönliche Angelegenheiten im Kriegsministerium, des Militärcabinetts. Bevor er sie antrat, verkaufte er die Brillanten der Dosen, welche diplomatische Sendungen ihm eingebracht hatten, um Schulden zu bezahlen, die er, da er kein Vermögen besaß, im Laufe seines kostspieligen Dienstlebens und bei geringer haushälterischer Veranlagung gemacht hatte und die der König zu tilgen beabsichtigte. Dann machte er sich an das Werk, welches er auszuführen gedachte, an die Verjüngung des Officiercorps der Armee, ein für ihre Schlagfertigkeit unentbehrliches Werk. Er ging dabei mit Gerechtigkeit und Unparteilichkeit vor, ohne Rücksicht auf die Personen und ihren Anhang. Es konnte daher nicht fehlen, daß er viele Kreise verletzte, sich zahlreiche Gegner und Widersacher schuf. Aber er erreichte, was er sich vorgenommen hatte, um so mehr, als des bald nachher erkrankten Königs Nachfolger, der Prinzregent und spätere König Wilhelm I. ihm, nach anfänglichem Widerstreben, das gleiche Vertrauen entgegenbrachte wie jener und ein größeres Verständniß für die Wichtigkeit des Werkes besaß, als dem Vorgänger innegewohnt hatte. Im J. 1858 ernannte er M. zum Generalmajor, nach seinem Regierungsantritte, am 7. Januar 1861, zum Generaladjutanten, am Krönungstage, dem 18. October 1861, zum Generallieutenant. Dagegen zogen M. seine bekannte conservative und kirchliche Gesinnung, sowie der große Einfluß, den er ausübte, den Haß der Fortschritspartei zu und der Berliner Stadtgerichtsrath Twesten (s. A. D. B. XXXIX, 341) gab ihren Anschauungen in einer Schrift „Was uns noch retten kann“ Ausdruck, deren Spitze sich gegen M. richtete, „einen unheilvollen Mann in einer unheilvollen Stellung“. Die Folge davon war ein am 27. Mai 1861 vollzogener Zweikampf, welcher Twesten einen Schuß in die Hand und einen Sitz im Abgeordnetenhause, seinem Gegner eine dreimonatige Festungsstrafe einbrachte, deren Rest diesem jedoch nach vierzehn Tagen erlassen wurde. Sein Zusammenwirken mit dem Kriegsminister Roon war nicht immer einhellig und ungetrübt. Bei dem Verhältnisse, welches zwischen den von Beiden bekleideten Aemtern bestand, konnte es kaum anders sein. M. war Chef einer Abtheilung in dem von Roon bewalteten Ministerium, also eigentlich sein Untergebener, beanspruchte aber eine ganz unabhängige Stellung, hatte sie thatsächlich inne und die Fragen ihrer Dienstbefugnisse standen in unausgesetzter Berührung. Da aber beide Männer auf ein gemeinsames großes Ziel hinarbeiteten, so richteten die vorkommenden Reibungen einen wesentlichen Schaden nicht an.

Der Krieg gegen Dänemark brachte neue diplomatische Arbeit für den General v. M. Er wurde an die Höfe von Dresden und Hannover entsandt, [180] um die zwischen den in Holstein stehenden sächsisch-hannoverschen Truppen und denen der beiden Großmächte bestehenden Zerwürfnisse auszugleichen, nach Wien, um die Zustimmung zum Einmarsche in Jütland, zu dem von Preußen gewollten Verhalten den Mittelstaaten gegenüber und zu dessen Absichten hinsichtlich Regelung der Besitzfrage gegenüber den augustenburgischen Ansprüchen zu vermitteln. Ueberall hatte er Erfolg. Sein Wunsch, einem Gefechte beizuwohnen, „um seine Nerven zu erproben“, war kurz vorher in Erfüllung gegangen. Am 2. Februar 1864 erhielt er bei Missunde die Feuertaufe. Gleich darauf erwarb er sich das Verdienst, den Oberbefehlshaber Wrangel umzustimmen, der bis dahin seine Einwilligung zum Uebergange über die untere Schlei verweigert hatte. Dann kehrte er auf seinen Posten nach Berlin zurück, von wo aus er die erwähnten Reisen antrat.

Der Ausgang des Krieges führte zu einer neuen Aenderung in Manteuffel’s Lebenswege. Am 29. Juni 1865 übertrug ihm der König den Oberbefehl der in den Elbherzogthümern befindlichen Truppen und am 22. August dieses Jahres, nachdem am 18. der Gasteiner Vertrag die Besitzfrage zwischen Oesterreich und Preußen geregelt hatte, ernannte er ihn zum Gouverneur des Herzogthums Schleswig unter Belassung in jenem Verhältnisse als Oberbefehlshaber der Truppen und der bei Kiel stationirten Marine; der Stellung im Militärcabinett ward er enthoben, behielt aber seine bisherige Jahreszulage von 800 Thalern (vgl. Politische Generale am preußischen Hofe seit 1848, Berlin 1897). Am 29. August traf M., der bis dahin beim Könige geblieben war, in Schleswig ein. Bismarck, dessen Eintritt in das Cabinett M. gefördert und mit Freuden begrüßt hatte, stand zu ihm in einem gewissen Gegensatze, da M. mit den regierungsfeindlichen Parteien endgültig zu brechen wünschte, er selbst sie zu gewinnen hoffte; er benutzte jetzt die Gelegenheit, den Mann, in dem er einen Nebenbuhler erblicken mußte, in ehrenvoller Weise aus der Nähe des Königs zu entfernen. In seinem neuen Wirkungskreise sah man der Ankunft des Gouverneurs mit ängstlicher Spannung entgegen. Das Mißtrauen, welches daheim die Fortschrittspartei ihm entgegentrug, ward in Schleswig von den weitesten Kreisen getheilt. Man machte sich auf eine Paschawirthschaft gefaßt und glaubte nicht, daß diese auf die Gefühle und die Interessen des Landes irgend welche Rücksicht nehmen würde. Aber des Gouverneurs Auftreten und die persönliche Bekanntschaft mit ihm brachten alsbald einen Umschwung der öffentlichen Meinung zuwege. In der ersten der Ansprachen, mit denen er die Beamten begrüßte, sprach er aus, daß er bei allen von ihm zu treffenden Maßnahmen sich nur von der Rücksicht auf das Wohl des Landes leiten lassen werde, und dieses Versprechen betonte er in allen den Reden, zu denen seine Reisen in die verschiedenen Städte ihm Veranlassung gaben. Aus dieser Zeit stammt das Wort vom „siebenfüßigen Manteuffel“. Des Redens in der Oeffentlichkeit zunächst noch ungewohnt, bald aber ein Meister darin, hatte er, unter Bezugnahme auf die Gerüchte von Rückgabe nördlicher Landestheile an Dänemark, gesagt, „jede sieben Fuß Erde werde ich, bevor sie abgetreten werden, mit meinem Leibe decken“. Mit dem österreichischen Feldmarschalllieutenant v. Gablenz, dem Statthalter in Holstein, unterhielt er das beste Einvernehmen und einen freundschaftlichen Verkehr. Der Erwerb beider Herzogthümer für Preußen aber blieb sein stetes Ziel und die Erreichung schien ihm sicher. Daher sprach er sich am 28. Februar 1866 in einer Ministerberathung, zu welcher König Wilhelm, der selbst den Vorsitz führte, ihn nach Berlin entboten hatte, mit Entschiedenheit für den Krieg mit Oesterreich aus, falls dieses solchem Vorhaben sich nicht fügen würde.

Und dieser blieb nicht lange aus. Am 5. Juni berief Oesterreich einseitig [181] die Holsteinischen Stände zum 11. d. M. nach Itzehoe ein. Darin erblickte Preußen eine Verletzung des in Gastein getroffenen Uebereinkommens. Die Würfel waren gefallen. Am 6. theilte M. Gablenz mit, daß er von neuem Holstein mitbesetzen werde. Darauf verließ Letzterer mit seinen schwachen Kräften das Land, M. überschritt am 7. die Eider, traf am 10. in Itzehoe ein, um den Zusammentritt der Stände zu verhindern und stand am 12. in Altona, bereit die Elbe zu überschreiten. Als am 14. der Ausbruch der Feindseligkeiten unvermeidlich geworden war, ließ er am 15. die Vorhut seines etwa 15 000 Mann starken Corps nach Harburg auf hannoversches Gebiet rücken. Seine Truppen setzten sich von hier in zwei Colonnen auf Celle in Bewegung, er selbst traf schon am 18. Abends, auf der Eisenbahn ihnen voraneilend, in der Landeshauptstadt ein. Hier fand er den von Minden gekommenen mit dem Oberbefehle der gegen die Hannoveraner aufgebotenen Streitkräfte betrauten General Vogel v. Falckenstein (s. A. D. B. XL, 129) mit einer wenig größeren Streitmacht vor. Die Geister platzten sofort heftig aufeinander. M. hielt sich für den selbständigen Befehlshaber seines Corps, mußte sich aber überzeugen, daß er Falckenstein’s Untergebener sei (vgl. v. Jena, General v. Goeben im Feldzuge 1866, Berlin 1904). Er gehorchte schweigend und wurde der persönlichen Berührungen mit jenem bald dadurch überhoben, daß Falckenstein am 20. seinen am 19. nach dem Süden aufgebrochenen Truppen folgte. M. setzte sich am 21. nach derselben Richtung in Bewegung. Am 25. erhielt er in Göttingen aus Berlin den Befehl, sofort 5 Bataillone und 1 Batterie mittels der Eisenbahn über Magdeburg nach Gotha zu entsenden. Es war das Detachement des General v. Flies, welches am 27. den Kern der bei Langensalza kämpfenden Truppen bildete. Als M. mit dem Reste seines Corps den Hannoveranern, denen er geradeswegs gefolgt war, gegenüber anlangte, war die Entscheidung gefallen, die Capitulation zu Stande gekommen. Da erhielt er den von Berlin in Unkenntniß der Sachlage ihm ertheilten Auftrag, unter bestimmten Bedingungen eine Capitulation abzuschließen. Es war ein Auftrag, für dessen Erfüllung der ritterliche, feinfühlende M. wol eine geeignetere Persönlichkeit sein mochte als Falckenstein, aber für diesen, den Vorgesetzten, war es ein empfindlicher Schlag, ein Zeichen der Ungnade an maßgebender Stelle. M. unterzog sich der Aufgabe in höchst gewandter Weise. Er ließ die Capitulation bestehen, erläuterte sie aber, den ihm gewordenen Weisungen entsprechend, durch Zusätze, welche den Hannoveranern weit günstigere Bedingungen gewährten als Falckenstein ihnen zugestanden hatte. Auch in Nebendingen zeigte er Takt und vornehme Denkungsart. Das Verhältniß der beiden Generale wurde dadurch natürlich noch schlechter, als es gewesen war.

Dann begann der Mainfeldzug. Hier griff M. am 10. Juli durch ein Gefecht bei Friedrichshall, Hausen und Waldaschach erfolgreich in die Kämpfe an der fränkischen Saale ein. In Aschaffenburg erhielt er am 19. die Mittheilung, daß er an Stelle des abberufenen Falckenstein zum Oberbefehlshaber der Mainarmee ernannt worden sei. Die vielverbreitete und lange für richtig gehaltene Annahme, daß Manteuffel’s Ränke den König zu dieser auffallenden Maßregel veranlaßt hätten, ist glaubwürdig widerlegt (vergl. v. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland, 3. Bd., S. 258, Berlin 1902). Am 20. traf er in Frankfurt ein, wo das Hauptquartier sich befand, und schon am 21. brach er mit der ihm unterstellten 49 500 Mann starken Mainarmee durch den Odenwald auf, um bei den in baldiger Aussicht stehenden Friedensverhandlungen ein möglichst starkes militärisches Uebergewicht und erkämpfte materielle Vortheile in die Waagschale werfen zu können. Und sein Beginnen war von großem Erfolge begleitet. [182] Ueberall wo gefochten wurde, blieben seine Unterführer Sieger, und am 28. krönte die Uebergabe von Würzburg an M. das Werk. Der Krieg war damit auch auf diesem Schauplatze beendet. Die Verleihung des Ordens pour le mérite gab der Anerkennung seiner Leistungen Ausdruck; ihn, wie Falckenstein und Herwarth geschah, unter die Dotationsempfänger aufzunehmen, verhinderte die Stimme des Parlaments.

Des siegreichen Feldherrn wartete aber bereits eine neue Aufgabe. Es galt den Zaren für die beabsichtigte Umgestaltung der politischen Verhältnisse in Deutschland günstig zu stimmen, ihn namentlich über die bevorstehenden Annexionen zu verständigen, die M. selbst gern abgewendet hätte, deren Nothwendigkeit er jedoch anerkannte. Napoleon’s III. Haltung steigerte die Bedeutung dieser Aufgabe. Sie wurde M. übertragen, der sie mit großem Geschicke und vollständigem Erfolge ausführte. Nachdem er auf die Einladung Alexander’s III.[1] noch den Manövern der russischen Garde beigewohnt hatte, kehrte er nach Berlin zurück, machte im September an der Spitze der Vertreter der Mainarmee den Einzug in die Hauptstadt mit, wurde zum Chef des seit dem 27. Januar 1889 für immerwährende Zeiten den Namen „Freiherr v. Manteuffel“ führenden Rheinischen Dragonerregiments Nr. 5 ernannt – aber vergeblich erwartete er, daß ihm die Stelle als Gouverneur des Herzogthums Schleswig wieder übertragen werden würde. Sie verblieb dem Oberpräsidenten v. Scheel-Plessen, auf den die Geschäfte von M. übergegangen waren, und dieser mußte sich mit der Stellung eines commandirenden Generals des IX. Armeecorps begnügen, wozu er am 1. November ernannt wurde. Scheel-Plessen, der früher sein Untergebener gewesen war, ging ihm nun voran. Ein solcher Wechsel konnte natürlich den ehrgeizigen M. nicht befriedigen. Als einfacher General da zu wirken, wo er die gesammte militärische und bürgerliche Gewalt in seiner Hand vereinigt, fast eine fürstliche Rolle gespielt hatte, schien ihm unerträglich. Er bat um Enthebung von seinem Amte und wurde, in Erfüllung des Wunsches, am 19. Januar 1867 auf ein Jahr beurlaubt. Im J. 1862 hatte der König ihm eine Domherrenstelle des Stiftes Merseburg verliehen, mit welcher die Benutzung einer damals von ihm für jährlich 300 Thaler verrichteten Curie verbunden war. Dort nahm er nun vorerst seinen ständigen Wohnsitz. Aber am 8. August 1868 wurde er in die Armee zurückgerufen. Der commandirende General des I. Armeecorps in Königsberg, Vogel v. Falckenstein, sein alter Antipode, trat in den Ruhestand und M. an dessen Platz. Hier fand ihn der Ausbruch des Krieges gegen Frankreich.

M. nahm an diesem zunächst mit seinem Armeecorps im Verbande der I. Armee unter General v. Steinmetz theil (A. v. Schell, Die Operationen der I. Armee unter General v. Steinmetz. Berlin 1872). In der Schlacht von Colombey-Nouilly am 14. August 1870 kam er zum ersten Male ins Gefecht (Cardinal v. Widdern, Kritische Tage. I. Band. Berlin 1897). Sein Armeecorps sehnte sich danach. Mit geringer Befriedigung sah es auf die Rolle hin, die es unter General v. Bonin (s. A. D. B. III, 128) im J. 1866 gespielt hatte, es wünschte die Scharte von Trautenau auszuwetzen. M. hätte ihm an jenem Tage gern schon früher die Gelegenheit geboten, Steinmetz’ strenges Verbot hinderte ihn daran. Als aber der Lärm der Schlacht immer mehr drängte, ging er auf eigene Verantwortung vor; sein Angriff auf des Feindes linken Flügel trug wesentlich zum glücklichen Ausgange des Kampfes bei. An den beiden anderen Schlachten vor Metz war M. nicht betheiligt, sein Armeecorps war auf dem rechten Moselufer geblieben. Hier wurde ihm auch während der nun folgenden Einschließung der Festung in [183] ihrem Osten sein Platz angewiesen und gegen ihn und die ihm zunächst stehende Landwehrdivision Kummer richtete sich hauptsächlich der einzige ernstliche Durchbruchsversuch, welchen Marschall Bazaine unternahm. Er führte zu der am 31. August und am 1. September ausgefochtenen Schlacht von Noisseville und endete mit einem Mißerfolge des Angreifers.

Seine Ostpreußen hatten sich glänzend bewährt. Bald nachher brach er bei einem Sturze mit dem Pferde einen Fuß; aber mit einem Gipsverbande that er seinen Dienst weiter und vom Wagen aus leitete er am 7. October ein anderes Ausfallgefecht. Als die Moselfeste am 27. October gefallen war, wartete Manteuffel’s eine größere Aufgabe. An demselben Tage wurde er an die Spitze der jetzt aus dem I. und VIII. Armeecorps und der 3. Cavalleriedivision bestehenden I. Armee gestellt, welche bestimmt war, die Einschließung von Paris gegen Norden und Nordwesten zu sichern und den dort neuformirten Truppen der Republik entgegen zu treten (Graf Wartensleben, Die Operationen der I. Armee unter General v. Manteuffel. Berlin 1872). Am 7. November brach er von der Mosel auf, am 27. kam es bei Amiens zum ersten bedeutenderen Zusammenstoße, durch welchen der Feind unter General Farre zurückgeworfen wurde und Amiens in die Hand des Siegers fiel. M. überließ die fliehende Armee ihrem Schicksale und wandte sich nach Rouen, wo er am 6. December eintraf. Hier blieb er bis zum 17., dann kehrte er, da von Norden, wo General Faidherbe eine ansehnliche Macht gesammelt hatte, Gefahr drohte, nach Amiens zurück, wo er am 20. anlangte. In der That war Faidherbe auf dem Vormarsche gegen die Stadt begriffen. Am 22. stand dieser 10 km nördlich von da in einer starken Stellung an der Hallue, am 23. wurde er nach hartem Kampfe aus einem Theile derselben hinaus geworfen, auch am 24. wurde noch gekämpft, dann zog der Feind auf Arras ab. An den nächstfolgenden Siegen, die General v. Goeben am 2. Januar 1871 bei Sapignies und am 3. bei Bapaume erfocht, war M. unmittelbar nicht betheiligt. Das Unterlassen einer kräftigen Verfolgung nach den von ihm geschlagenen Schlachten wird seiner Heerführung zum Vorwurfe gemacht.

M. verließ jetzt die I. Armee und den Kriegsschauplatz im Norden. Die Bedrohung der deutschen rückwärtigen Verbindungslinien durch die um Besançon unter Bourbaki sich sammelnden feindlichen Streitkräfte veranlaßte die Aufstellung einer zu ihrer Bekämpfung zu bildenden Südarmee. Das Commando wurde seiner Führung anvertraut (Graf Wartensleben, Die Operationen der Südarmee. Berlin 1872), das der I. Armee ging auf General v. Goeben über. Am 7. Januar erhielt M. den Befehl, welcher ihm das neue Amt übertrug; am 10. meldete er sich in Versailles beim Könige, am 13. war er in Châtillon sur Seine, von wo er am 14. mit dem II. und VII. Corps gegen Vesoul aufbrach, um Bourbaki je nach den Umständen in Flanke oder Rücken zu fallen, während das dritte der zur Südarmee gehörenden Corps, das XIV. unter Werder, die Belagerung von Belfort deckte. Als M. die schneebedeckte Côte d’or hinter sich hatte, erfuhr er, daß die Schlacht an der Lisaine die Gefahr einer Störung jener Belagerung abgewendet hatte und daß Bourbaki’s Armee sich zwischen dem Doubs und der Schweizer Grenze auf Besançon zurückzöge. Stets große Ziele verfolgend, beschloß er auf nebensächliche Erfolge zu verzichten, dem geschlagenen Feinde den Weg nach Süden zu verlegen, ihn entweder an oder über die Schweizer Grenze zu drängen. Er verfügte dazu über fast 80 000 Mann, 7000 Pferde, 290 Geschütze. Der Gegner war freilich der Zahl nach stärker, aber die neuformirten französischen Truppen waren an und für sich minderwerthig und entmuthigt durch den bisherigen Verlauf des Krieges. M. durfte daher mit großer Kühnheit vorgehen. Bald wurde der [184] Kreis enger, mit welchem seine siegreich vorgehenden Truppen ihren Gegner einengten, und am 24. entschloß sich Bourbaki zum Marsche auf Pontarlier an die Landesgrenze. Vergebens suchte General Clinchant, der nach Bourbaki’s Selbstmordversuche den Oberbefehl übernommen hatte und auf dem Wege dahin begriffen war, durch Berufung auf den inzwischen in Versailles abgeschlossenen Waffenstillstand seinen Gegner zur Einstellung der Feindseligkeiten zu bewegen, das Uebereinkommen hatte für den Kriegsschauplatz im Südosten keine Gültigkeit, der am 1. Februar vollzogene Uebertritt auf Schweizerboden, wo die Niederlegung der Waffen erfolgte, war der einzig übrig gebliebene Ausweg, wenn nicht Capitulation im freien Felde oder ein Verzweiflungskampf vorgezogen wurde. Damit war der Krieg bis auf den Kampf um Belfort, an dem M. sich nicht betheiligte, zu Ende. Am 10. verlegte er sein Hauptquartier nach Dijon. Hier erhielt er für die Vernichtung der Armee Bourbaki’s das Großkreuz des Ordens vom Eisernen Kreuze.

Nach Abschluß des Präliminarfriedens übernahm er an Stelle des in die Heimath zurückgekehrten Prinz Friedrich Karl das Commando der II. Armee, wohnte am 16. Juni dem Einzuge der siegreichen Truppen in Berlin bei, wo ihm der Orden vom Schwarzen Adler verliehen wurde, und ward am 20. d. M. zum Oberbefehlshaber der auf Grund des am 10. März zu Frankfurt a. M. abgeschlossenen Friedens in Frankreich verbleibenden Occupationsarmee ernannt. Den Obliegenheiten dieser schwierigen Stellung hat er nach jeder Richtung in vollem Maaße genügt. Er verstand nicht nur, ohne sich und dem von ihm vertretenen Deutschen Reiche etwas zu vergeben, ein gutes Einvernehmen mit der französischen Regierung und ihren Behörden zu schaffen und zu erhalten, mit der Bevölkerung auf gutem Fuße zu leben, sondern er sorgte auch in wahrhaft väterlicher Weise um das Wohl und das Behagen der ihm unterstellten Truppen, für deren Ausbildung er daneben unausgesetzt thätig blieb. Mit Thiers, dem Präsidenten der Republik, stand er auf gutem Fuße, seine Beziehungen zur französischen Regierung vermittelte der ihm beigegebene Graf Saint-Vallier, der nachmalige Gesandte in Berlin (Doniol: M. Thiers, le comte de Saint-Valliers et le général de Manteuffel 1871–1873. Paris 1899); den Umtrieben der inneren Politik des Landes blieb er fern. Am 14. September 1871 verlegte er das Hauptquartier von Compiegne, wo er zuerst seinen Sitz gehabt hatte, als mehrere Provinzen von den deutschen Truppen geräumt wurden, nach Nancy, wo er mit seiner Familie im Schlosse des Königs Stanislaus von Polen Wohnung nahm und ein fürstliches Haus machte. Am 16. September 1873 verließ er mit den letzten deutschen Soldaten den Boden Frankreichs, am folgenden Tage wohnte er bei Metz der Taufe des Forts Saint Julien bei, welches auf kaiserlichen Befehl vom 1. d. M. den Namen Fort Manteuffel erhielt. Unter den Kanonen dieser Feste hatte M. den Sieg von Noisseville erfochten. Am 19. d. M. folgte eine weitere Auszeichnung, die Ernennung zum Generalfeldmarschall und bei der Feier des Georgsfestes im J. 1873 verlieh ihm Kaiser Alexander, der ihn dazu nach Petersburg entboten hatte, die höchste russische Auszeichnung, den Sanct Andreasorden.

Er war nun ohne dienstliche Verwendung. Es folgte für ihn eine Zeit verhältnißmäßiger Ruhe und Unthätigkeit, die theilweise ausgefüllt wurde durch die Beschäftigung mit einem Grundbesitze, den zu erwerben er durch eine aus der französischen Kriegsentschädigung ihm zugewiesene Dotation von 300 000 Thalern in den Stand gesetzt wurde. Es war das Gut Topper in der Neumark, 54 km östlich von Frankfurt a. O. an der nach Posen führenden Eisenbahn gelegen. Aber der Kauf gereichte ihm nicht zum Segen. Die Mißwirthschaft [185] der Vorbesitzer, die eigene Unkenntniß von Landwirthschaft und Geschäften, ein kostspieliger Bau und Manteuffel’s schon früher erwähnte geringe haushälterische Veranlagung machten den Erwerb alsbald zu einem Gegenstande beständiger Sorge und zu einer Quelle von Geldverlegenheiten. Jetzt ist Topper, welches demnächst, als Majorat mit des Stifters Namen verbunden, sein Andenken bei den Nachkommen erhalten sollte, längst nicht mehr im Besitze der Familie. M. pflegte hier den Sommer zuzubringen, den Winter verlebte er in Berlin, bis ihn, als ein Gesetz vom 4. Juli 1879 den Reichslanden Elsaß-Lothringen eine Selbständigkeit verliehen, für sie die Stellung eines Statthalters und ein eigenes Ministerium geschaffen hatte, das Vertrauen des Kaisers und wol auch der Wunsch Bismarck’s M., den die Zeitungen und die öffentliche Meinung ihm verschiedentlich zum Nachfolger gegeben hatten, wie im J. 1865 auf gute Art aus Berlin zu entfernen, ihn auf den Statthalterposten beriefen. Daneben wurde er zum commandirenden General des in den Reichslanden stehenden XV. Armeecorps ernannt, vereinigte also dort die höchste politische und militärische Gewalt in seiner Hand. Bevor er den Posten antrat, hatte er noch in Warschau, um allen Mißverständnissen vorzubeugen, den Kaiser Alexander über des Deutschen Reiches Stellung zu Oesterreich aufzuklären.

Am 1. October 1879 traf er in Straßburg, seinem künftigen Wohnsitze, ein. Zum dritten Male war ihm eine Stellung beschieden, deren äußerer Glanz über den hinausging, von welchem ein Nichtfürst in der Regel umgeben ist. Manteuffel’s Gemahlin war freilich bald nach seiner Uebersiedlung gestorben, das Hauswesen stand hinfort unter der Leitung seiner unverheiratheten Tochter Isabelle, aber die äußere Form und die Lebenshaltung litten darunter nicht. Manteuffel’s politische Wirksamkeit hat jedoch die Hoffnungen, welche diesseits des Rheins an die Ernennung geknüpft wurden, nicht erfüllt. Er hat das Deutschthum in den Reichslanden nicht gefördert. Die Nachsicht, welche er dem Widerstreben der einheimischen Behörden wie der Geistlichkeit, sich in die Ordnung der Dinge zu fügen, entgegensetzte, verstärkte die Protestpartei und ließ sie das Haupt höher erheben; sein Trachten nach Volksgunst verfehlte den Zweck (vgl. Bertouch, Die deutschen Reichslande unter den Hohenzollern im ersten Vierteljahrhundert des Deutschen Reiches, Basel 1890; Alberta v. Puttkamer, Die Aera Manteuffel, Stuttgart 1904). Manteuffel’s Gesundheit, welche nie stark gewesen war, bereitete ihm mit zunehmendem Alter immer größere Schwierigkeiten, die zu überwinden er seine ganze Willenskraft aufbieten mußte. Im J. 1885 gedachte er sich in Karlsbad zu erholen. Aber nach kurzer Krankheit ist er dort am 17. Juni gestorben, am 21. fand auf dem Friedhofe des Dorfes Topper die Beisetzung statt.

Die Schilderung von Manteuffel’s Lebenslauf läßt seinen Charakter und seine Denkungsweise erkennen. Sie zeigt ihn als einen überzeugungstreuen, ritterlichen Mann von conservativer, strenggläubiger Gesinnung, ehrgeizig und nicht ohne Eitelkeit, mit viel natürlichem Verstande, großem diplomatischem Geschick und gewinnenden Formen, einer nicht gewöhnlichen Bildung, die er sich meist durch Selbststudium angeeignet hatte, von bedeutender Rednergabe, als einen unbedingten Anhänger des preußischen Königthums und eifrigen, strebsamen Soldaten. Wieviel von den kriegerischen Erfolgen seiner Heeresleitung auf Manteuffel’s Rechnung zu setzen ist und wie viel er seinen Rathgebern zu danken hatte, ist nicht zu entscheiden; jedenfalls hat er sie gut gewählt und die für richtig erkannten Entschließungen ohne zu schwanken durchgeführt; der Muth, Verantwortung auf sich zu nehmen, fehlte ihm nicht.

Seine äußere Erscheinung war vornehm, er war schlank gewachsen und [186] etwas mehr als mittelgroß, sein Gesichtsausdruck war ernst und sinnend, sein Auge klar und wohlwollend, der Haarwuchs dicht, über einer hohen Stirn.

Das Leben des Feldmarschall Freiherrn v. Manteuffel, Berlin 1874 (von Hauptmann v. Collas, einem ihm damals zugetheilten Generalstabsofficier). – Desgl. von Karl Heinrich Keck (einem Gymnasialdirector, der ihm seit der Schleswiger Zeit nahe stand), Bielefeld und Leipzig 1890.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 182. Z. 14 v. o. l.: Alexanders II. (statt III). [Bd. 55, S. 901]