Zum Inhalt springen

ADB:Goeben, August von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Goeben, August von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 416–421, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Goeben,_August_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:11 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Gobat, Samuel
Band 49 (1904), S. 416–421 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
August Karl von Goeben in der Wikipedia
August Karl von Goeben in Wikidata
GND-Nummer 119317893
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|49|416|421|Goeben, August von|Bernhard von Poten|ADB:Goeben, August von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119317893}}    

Goeben: August Karl Friedrich Christian von G., königlich preußischer General der Infanterie und commandirender General des VIII. Armeecorps, wurde am 10. December 1816 zu Stade geboren, wo damals sein Vater lebte, welcher durch schwere als Officier der Artillerie der Englisch-Deutschen Legion auf der pyrenäischen Halbinsel und bei Quatre-Bras empfangene Wunden für den Soldatenstand unbrauchbar geworden war. Als dieser im J. 1826 eine bis dahin von ihm bekleidete Anstellung beim Zeughause mit einer besseren am Zuchthause zu Celle vertauschte, kam G. nach letzterer Stadt, deren Gymnasium er bis zur Prima besuchte. Ohne viel Fleiß aufzuwenden lernte er gut. Mit sechs Geschwistern wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Eigen war ihm von Kindheit an eine Scheu vor öffentlichem Reden und vor dem Verkehr [417] mit Frauen, nur seiner Gattin hing er später mit Zärtlichkeit an. Da er mit Entschiedenheit erklärte Soldat werden zu wollen und die Beförderungsaussichten in seinem Vaterlande schlecht waren, brachte der Vater ihn in das preußische Heer, für welches der Sohn eine Vorliebe hatte. Am 3. November 1833 trat dieser beim 24. Infanterieregimente zu Neu-Ruppin in den Dienst und wurde am 14. Februar 1835 Officier. Aber nicht für lange Zeit. Eine jugendliche Verirrung, hervorgegangen aus der ihm bis an sein Lebensende eigen gebliebenen Lust am Glückspiele, veranlaßte, daß er schon am 7. Februar 1836 vorläufig den preußischen Dienst verließ. Er wandte sich nach Spanien, wo damals die Kristinos mit den Karlisten um die Thronfolge kämpften und trat auf die Seite der letzteren. Ueber den nun folgenden Abschnitt seines Lebens hat er in einem ebenso lehrreichen wie unterhaltenden Buche berichtet, welches er nach seiner Heimkehr unter dem Titel „Vier Jahre in Spanien: Die Karlisten, ihre Erhebung, ihr Kampf und ihr Untergang“ (Hannover 1841) veröffentlichte. Im Mai 1836 ward er als Secondlieutenant im Generalstabe von Guipuscoa angestellt. Aber schon am 11. Juli gerieth er, in einem Gefechte bei Fuenterrabia verwundet, in Gefangenschaft. Ein Fluchtversuch, den er in der nächsten Nacht wagte, schlug fehl; schon sollte er nach spanischem Kriegsrechte erschossen werden, da rettete ihn die Fürsprache des englischen Oberst de Lacy Evans vom Tode. Nachdem er fast ein Jahr, zuerst in San Sebastian, dann zu Logroño, im Kerker zugebracht hatte, sollte er über die Grenze nach Frankreich geleitet werden, entsprang seinen Wächtern und gelangte zum General Garcia nach Navarra. Zum Premierlieutenant befördert, machte er hier eine Reihe von Gefechten mit, zeichnete sich mehrfach aus, wurde zum Capitän ernannt und wiederholt verwundet, marschirte Ende des Jahres unter Garcia nach dem Innern des Landes, fiel aber schon am 13. Januar 1838 bei Sotoca, wo eine Gewehrkugel ihm den rechten Oberarm zerschmetterte, von neuem in Gefangenschaft. Sie dauerte einundeinhalbes Jahr und brachte ihm schwere Leiden. In Cadix wurde er ausgewechselt und im Juni 1839 nach Valencia eingeschifft. Hier angekommen, bat er Cabrera, der in Arragonien kämpfte, um Verwendung. Sie wurde ihm geboten. Er konnte sich mit Cabrera nicht befreunden, ging zum Grafen de España nach Catalonien, kehrte aber, als dieser seines Postens enthoben wurde, zu Cabrera zurück. Jetzt wurde das Verhältniß zwischen ihnen besser. G. wurde zum Capitain im Geniecorps ernannt, wodurch er den Rang als Major der Infanterie erhielt, und mit Leitung der Befestigungsarbeiten am Ebro, dann der in Turia und in Neucastilien beauftragt. Am 2. Juni 1840 wurde er Oberstlieutenant im Generalstabe. Aber die Aussichten der Sache, welcher er diente, gestalteten sich immer schlechter. Cabrera, körperlich und geistig gebrochen, suchte eine Zufluchtstätte jenseits der Pyrenäen und am 15. August, als alles verloren war, überschritt auch G., der bis zum Ende ausgehalten hatte, noch zuletzt durch Meuchelmörder verwundet, die französische Grenze. Allein, zu Fuß, krank und ausgehungert langte er in Perpignan an. Da er den Eintritt in die Fremdenlegion verweigerte, wurde er mittelst Zwangspasses nach Straßburg dirigirt und als Bettler erreichte er im September 1840 das väterliche Haus, welches sich jetzt in Hannover befand. Aber reich an Erfahrung, an Wunden und an Ehren, mit dem Bewußtsein, ganz und voll seine Schuldigkeit gethan zu haben, durfte er es betreten. Die ihm zunächst vergönnte Muße benutzte er, das obengenannte Buch zu schreiben. Zugleich bemühte er sich um die Wiederanstellung im preußischen Heere.

Sie wurde ihm auf die Fürsprache des Prinzen von Preußen, seines [418] früheren commandirenden Generals, des Menschenkenners, gewährt. Aber der spanische Oberstlieutenant mußte als Secondlieutenant im 8. Infanterie-(Leib-) Regimente von neuem anfangen. Zugleich verfügte die Cabinetsordre vom 26. Februar 1842, durch welche er dem Regimente aggregirt wurde, seine Commandirung zum Generalstabe, am 1. April 1843 wurde er in diesen versetzt, am 4. April 1844 zum Premierlieutenant und schon am 3. April 1845 zum Hauptmann befördert. Im Herbst 1845 vermählte er sich mit einer Cousine, Fräulein v. Frese, aus dem Bremenschen; die Ehe ist kinderlos geblieben. Das Jahr 1849 brachte ihm von neuem kriegerische Verwendung. Im Mai war er als Generalstabsofficier zu der mobilen Division des Generallieutenants v. Hanneken in Westfalen commandirt, nahm mit dieser am Straßenkampfe in Iserlohn theil, trat, als dem Prinzen von Preußen der Oberbefehl zur Bekämpfung des Aufstandes in der Pfalz und in Baden anvertraut wurde, zu dessen Stabe über, machte in diesem den Feldzug mit, war dann kurze Zeit Compagniechef im 16. Infanterieregimente, wurde bei der Mobilmachung gegen Oesterreich im November 1850 als Major im Generalstabe in den nämlichen Stab zurückversetzt und gehörte ihm, während der Prinz Militärgouverneur am Rhein und in Westfalen war, an, bis er im October 1855 zum Oberstlieutenant und zum Chef des Generalstabes des von General Fürst Radziwill befehligten IV. Armeecorps in Magdeburg ernannt wurde. Als solcher trat er im Mai 1858 zum VIII. Armeecorps in Coblenz über, wurde am 22. November d. J. Oberst und am 21. December 1859 durch einen Befehl des Prinz-Regenten bestimmt, mit mehreren anderen Officieren, unter denen er der älteste war, dem Feldzuge der Spanier gegen Marokko beizuwohnen. Die Verhältnisse hatten sich in der seit 1840 vergangenen Zeit geändert. G. hat über seine Sendung in einem zweibändigen Werke „Reise- und Lagerbriefe aus Spanien und vom spanischen Heere in Marokko“ (Hannover 1863) einen interessanten Bericht erstattet. Militärisch bedeutenden Ereignissen beizuwohnen war den preußischen Officieren nicht vergönnt. Nach vier Monaten langten sie wieder in der Heimath an. Am Krönungstage, dem 18. October 1861, wurde G. Generalmajor, am 29. Januar 1863 Commandeur der 26. Infanteriebrigade in Münster. An ihrer Spitze sollte er bald Lorbeeren pflücken.

Sie wurde, als der Krieg vom Jahre 1864 gegen Dänemark bevorstand, im Verbande der 13. Division dem I. Armeecorps der verbündeten Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl von Preußen zugetheilt. Während des Aufenthaltes vor den Düppeler Schanzen kamen Goeben’s Truppen zuerst mit dem Feinde in Berührung. Es geschah in mehreren kleinen Gefechten, denen er, so weit er konnte, persönlich beiwohnte, um, ohne die Selbständigkeit der Führer zu beschränken, durch Lehre und Beispiel zu wirken. Die Absicht, eines Anfang April ins Werk zu setzenden Ueberganges nach Alsen, wobei G. die erste Staffel befehligen sollte, mußte des herrschenden Sturmes wegen aufgegeben werden. Diesen Uebergang am 18. d. M. während des Angriffes auf die Düppelstellung auszuführen, war G. anheimgestellt. Seiner „bewährten kaltblütigen Umsicht und Energie“ überließ der Prinz zu entscheiden ob das Unternehmen versucht werden solle oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit des Gelingens ruhig und sorgsam erwägend, stand G. von dem Versuche ab. Als dann am 29. Juni der Gedanke mit Erfolg verwirklicht wurde, hatte er an der Einnahme der Insel vollen Antheil, der ihm durch Verleihung des Ordens pour le mérite gedankt wurde. Nachdem der Friede geschlossen war, kehrte er nach Münster zurück, dort beließ ihn auch seine am 13. Mai 1865 erfolgende Ernennung zum Commandeur der 13. Division, nachdem zuerst bestimmt [419] gewesen war, daß er an die Spitze der 10. in Posen treten solle. Am 18. Juni folgte die zum Generallieutenant.

Mit jener Division zog er 1866 zu Felde; sie war dem Höchstcommandirenden General Vogel v. Falckenstein unmittelbar unterstellt. Am 16. Juni von Minden aufbrechend, besetzte G. zuerst die Stadt Hannover, folgte dann der abgezogenen hannoverschen Armee über Göttingen nach Eisenach und wurde von hier gegen die Baiern entsandt, mit denen er am 3. Juli Fühlung gewann. Am 4. bestand er gegen sie bei Dermbach und bei Roßdorf ein Gefecht, welches er in einer Schrift „Das Gefecht bei Dermbach“ (Darmstadt 1870) dargestellt hat und infolgedessen der Feind zurückging, am 10. vertrieb er diesen im Vereine mit dem Corps Manteuffel aus seiner Stellung an der fränkischen Saale, worüber er in einer anderen Schrift „Das Treffen bei Kissingen“ (Darmstadt, 2., durchgesehene Auflage 1880) berichtet hat. Als darauf die Armee gegen den unteren Main in Marsch gesetzt wurde, bildete die Division Goeben die Vorhut, warf am 12. die Hessen bei Laufach und Waldaschach, am 14. die Oesterreicher und Hessen bei Aschaffenburg und besetzte am 16. Frankfurt. Durch das Hinzutreten nichtpreußischer Truppen wuchs die Division Goeben hier zu einem Verbande von 23 Bataillonen, 14 Escadrons, 43 Geschützen. An die Stelle von Falckenstein trat General Freiherr v. Manteuffel. Als dieser am 21. mit seiner gesammten Macht nach Osten aufbrach, bemächtigte G., der durch den Odenwald vorgegangen war, rasch entschlossen am 24. sich der vom VIII. Bundesarmeecorps vertheidigten Tauberübergänge und nöthigte am 25. den weit stärkeren Gegner durch ein Gefecht bei Gerchsheim zu weiterem Rückzuge. Mit einem ergebnißlosen Versuche die Feste Marienberg bei Würzburg zu beschießen und seinem Einzuge in diese Stadt am 2. August, endete Goeben’s Theilnahme am Feldzuge. Als am 5. d. M. Manteuffel nach Berlin berufen wurde, trat G. an seine Stelle. Neben äußeren Ehren hatte der Antheil seiner Division, den er in der „Allgemeinen Militär-Zeitung“ (1867, Nr. 2, 3, 12, 13) geschildert hat, den hohen Ruf seiner militärischen Tüchtigkeit und das Vertrauen, mit welchem die Armee auf ihn blickte, noch erheblich vermehrt. Nach Beendigung einer Erholungsreise, die mit seiner Gattin zu unternehmen des Königs Freigebigkeit ihn in den Stand gesetzt hatte, kehrte er in seine frühere Stellung in Münster zurück.

Der Ausbruch des Krieges gegen Frankreich führte ihn auf einen anderen Posten. Am 18. Juli 1870 wurde er zum commandirenden General des VIII. (Rheinischen) Armeecorps, am 26. zum General der Infanterie ernannt. Sein Corps gehörte zur I. Armee des Generals v. Steinmetz, welche den rechten Flügel der deutschen Heere bildete. Bei ihrem ersten größeren Zusammentreffen mit dem Feinde, in der am 6. August geschlagenen Schlacht bei Spicheren, der er, seinen Truppen vorauseilend, von Anfang an beiwohnte und während des Haupttheiles des Kampfes den Oberbefehl führte, half die eine Division seines Corps (die 16. unter General v. Barnekow) wesentlich zum Siege; bei dem zweiten, in der Schlacht bei Colombey-Nouilly am 14., griff er, obgleich zum Beistande aufgefordert, nicht ein. Dieses Versagen seiner Hülfe ist ihm zum Vorwurfe gemacht worden. Nach v. Cardinal[WS 1] „Kritische Tage“, 1. Theil, 1. Band, S. 80 (Berlin 1897) mit Unrecht, weil G. von der Ansicht ausging, daß er, da der Tag schon zu weit vorgerückt war, zu spät kommen würde und daß sich mehr empfehle, wenn es nöthig wäre, am folgenden Morgen mit ausgeruhten Truppen zur Stelle zu sein. An der nächsten Schlacht, der bei Vionville-Mars la Tour, war wiederum nur die genannte Division seines Armeecorps betheiligt. G. erschien nicht auf dem Kampfplatze, [420] weil er glaubte, ihrem Commandeur die Ehre des Tages allein überlassen zu sollen. Um so bedeutender war seine persönliche Antheilnahme zwei Tage darauf an der Schlacht bei Gravelotte-St. Privat, wo das VIII. Corps einen schweren Kampf gegen den linken Flügel des Feindes zu bestehen hatte. Die Einschließung von Metz bot ihm keine Gelegenheit zu besonderer Thätigkeit. Um so mehr ward diese in dem nun folgenden Abschnitte des Krieges in Anspruch genommen. Es war der Feldzug im Norden Frankreichs, während dessen das VIII. Armeecorps dem seit dem 27. October mit dem Oberbefehle über die dorthin entsandte I. Armee betrauten General Freiherrn v. Manteuffel unterstellt war. Zuerst geschah diese Inanspruchnahme in der am 27. November geschlagenen, aus einer Reihe von Einzelgefechten bestehenden Schlacht bei Amiens, infolge deren, nachdem der Feind in der Nacht abgezogen war, G. am 28. Mittags die Stadt in Besitz nahm. Manteuffel trat nun den Vormarsch gegen Rouen an und am 5. December rückte G., dessen Corps dabei die rechte Flügelcolonne gebildet und unterwegs verschiedentlichen Widerstand zu überwinden gehabt hatte, in die Stadt ein. Am 10. wurde er von hier entsandt, um unter günstigen Umständen einen Handstreich auf Le Havre zu versuchen. Da er Grund hatte, die Wahrscheinlichkeit des Gelingens zu bezweifeln, so wandte er sich, den ihm für diesen Fall gewordenen Weisungen entsprechend, nach Dieppe und wurde von hier wieder nach Amiens herangezogen, wo Manteuffel alle seine Streitkräfte vereinigte, um am 23. die an der Hallue stehende Armee des Generals Faidherbe anzugreifen; es gelang ihm freilich nicht, den Feind aus seiner starken Stellung zu vertreiben, am folgenden Tage aber zog dieser ab und begab sich unter den Schutz seiner Festungen; G. folgte ihm bis Bapaume. Am 29. wurde ihm der Befehl über den ganzen rechten Flügel der Armee (die an der Somme stehenden Truppen) übertragen. Ein erneutes Vorgehen des Generals Faidherbe, dessen Hauptzweck der Entsatz der belagerten Festung Péronne war, führte, nachdem einleitende Gefechte stattgefunden hatten, am 3. Januar 1871 zur Schlacht bei Bapaume, in welcher G. die gegen die von ihm eingenommene Stellung gerichteten Angriffe so energisch zurückwies, daß Faidherbe wiederum nach Norden abzog; dann wurde G., als Manteuffel am 8. das Commando der Südarmee erhalten hatte, das der Nordarmee übertragen. Die in der Nacht vom 9./10. abgeschlossene Capitulation von Péronne veränderte die Kriegslage. G. vereinigte nun sämmtliche verfügbaren Kräfte (44 Bataillone, 52 Escadrons, 27 Batterien) und führte sie am 17. gegen den nach Osten abmarschirten General Faidherbe vor, fand diesen am 19. in einer Stellung bei St. Quentin und griff ihn mit der seinen Truppen erteilten Weisung an im Gefühle ihrer Ueberlegenheit alles, was sich ihnen entgegenstellen würde, über den Haufen zu werfen, wenn der Gegner aber den Angriff nicht abwarte ihn mit Aufbietung aller Kräfte zu verfolgen. Der erste Theil des Auftrages wurde, freilich nach hartem Kampfe, erfüllt, die Niederlage, die der Feind erlitt, war vollständig; der zweite aber konnte nur so weit zur Ausführung gelangen als es die Festungen gestatteten, hinter welche die geschlagene französische Armee sich zurückzog. Am 28. d. M. wurden die Feindseligkeiten durch den zu Versailles abgeschlossenen Waffenstillstand beendet. Das Großkreuz des Ordens des Eisernen Kreuzes, welches ihm für den Sieg von St. Quentin verliehen wurde, war die werthvollste unter den vielen Auszeichnungen, durch welche seine Dienste anerkannt wurden; wir führen aus ihrer großen Zahl ferner an: Die Dotirung mit einer Summe von 200 000 Thalern aus der französischen Kriegsentschädigung und die am 1. September 1873 geschehene Beilegung des Namens „Fort Goeben“ an das bisherige „Fort Queuleu“ bei Metz, sowie [421] die am 27. Januar 1889 verfügte Benennung „Infanterie-Regiment von Goeben“ des 2. Rheinischen Infanterieregiments Nr. 28. In die Siegesfreude aber mischte sich für G. ein bitterer Schmerz, es war die Besorgniß um die Gesundheit seiner Gattin, die am 12. November 1871 zu Coblenz, wohin er nach Friedensschluß als commandirender General des VIII. Armeecorps zurückgekehrt war, ihren Leiden erlag. Sein ganzes Streben blieb jetzt auf die Ausbildung der ihm unterstellten Truppen und ihrer Führer gerichtet; die Erfolge, welche er dabei erzielte, wie seine gesammten Verdienste erfuhren eine weitere Anerkennung durch die am 4. Juli 1875, dem Jahrestage des Gefechtes bei Dermbach, erfolgte Verleihung des Schwarzen Adlerordens. Im Januar 1878 durfte er zum dritten Male nach Spanien gehen: Kaiser Wilhelm I. entsandte ihn dorthin als seinen Vertreter bei der Feier der Vermählung des König Alfons XIII. Im Gefühle der Abnahme seiner Kräfte bat er im December 1879 um den Abschied, das Gesuch wurde indessen abgelehnt. Seine Gesundheit schien sich wieder zu kräftigen, aber im November 1880 erkrankte er von neuem und am 13. d. M. ist er zu Coblenz gestorben. Ein Mann von höchster geistiger Begabung und ein vorzüglicher Soldat, kühn, entschlossen, dabei kaltblütig und überlegend, selbstlos und bescheiden, warmen Herzens und voll Wohlwollen gegen Jedermann, eine wenig militärische Erscheinung, lang, hager, gebeugt, die Augen hinter einer Brille versteckt, aber ein Führer, zu dem seine Untergebenen mit vollem Vertrauen hinaufblickten.

Lebensbeschreibungen von Generalmajor v. Hänisch (Beiheft zum Militär-Wochenblatte, Berlin 1881), und von G. Zernin (2 Bde., Berlin 1895/97), unter Benutzung der Familienpapiere, sowie ein Auszug (Berlin 1901) aus letzterem Buche, ein Lebensbild und Briefe enthaltend.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Georg Cardinal von Widdern (1841–1920), deutscher Offizier und Militärhistoriker