ADB:Vannius

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Artikel „Vannius“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 482–483, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vannius&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 13:59 Uhr UTC)
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Vannius, Suebenkönig (a. 20–50 n. Chr.). Katwalda, der Nachfolger des Marbod (s. A. D. B. XX, 291), war im J. 20 aus seinem Königreich in Böhmen durch seine westlichen Nachbaren, die Hermunduren, unter Führung des Vibilius vertrieben worden. Die Römer besorgten Beunruhigung ihrer Provinz Noricum durch die Gefolgschaften und Anhänger Marbod’s und Katwalda’s: sie faßten deshalb beide Schaaren zusammen, zogen sie aus Böhmen und verpflanzten sie in ein Gebiet zwischen den Flüssen March bei Preßburg und Gran (oder zwischen Gran und Waag: „Cusus“: bei Komorn). Sie errichteten hier einen kleinen Staat, dem sie den Quaden V. zum König gaben: er war nicht Markomanne wie jene, daher wol nicht in den früheren Kampf verflochten, andrerseits aber als Quade ihr nächster ebenfalls suebischer Stammesvetter. Anfangs beliebt bei den Sueben, ward er – ähnlich Marbod und Italicus, dem Neffen Armin’s (s. A. D. B. XIV, 641), – allmählich verhaßt, als er, wol nach römischem Vorbild, als Selbstherrscher auftrat: noch war für solche Umgestaltung germanischen Königthums nach imperatorischem Muster lange nicht die Zeit gekommen: noch gar mancher von den Römern rechts vom Rhein eingesetzte Germanenkönig ward von dem Volk in Wahrung seiner Freiheit gegen den Herrscher und in Abwehr der römischen Einwirkung in den folgenden Jahrhunderten vertrieben: erst auf altrömischem Boden mit weit überwiegender Provinzialenbevölkerung, über welche mittelst der vielfach beibehaltenen römischen Aemter die überkommene imperatorische Gewalt fort und fort geübt ward, gelang es allmählich, auch die germanischen Reichsangehörigen an ein römisch gestaltetes Königthum zu gewöhnen. Die Feinde des V., seine eigenen Schwestersöhne, Vangio und Sido, scharten sich um den benachbarten Hermundurenkönig, der früher Katwalda vertrieben hatte. Dem lange hin und her wogenden Kampfe sah Rom wieder einmal vergnügt an der Selbstzerfleischung der Germanen zu, verweigerte dem Schützling wiederholt die erbetene Hülfe und versprach nur Zuflucht für den Fall des Erliegens: die Grenztruppen standen beobachtend bereit, angewiesen, keine Partei völlig vernichten, zumal aber römisches Gebiet nicht beunruhigen zu lassen. V. hatte in den 30 Jahren seiner Herrschaft, wol nach dem Vorbild des gewaltigen Marbod, durch Beute und Schatzung einen Hort gehäuft, der damals bereits dem Königthum unentbehrlich war, schon zur Erhaltung der starken Gefolgschaft und der „Leibwache“, die vielleicht von den Römern mit der germanischen Gefolgschaft verwechselt ward. Die Gier nach diesen Schätzen zog zahlreiche Schaaren lugischer und anderer Völkerschaften als Helfer der Hermunduren und der empörten Neffen heran. Andrerseits warb V. mit diesen Schätzen sarmatisch-jazygische Reiter, da es ihm an dieser Waffe gebrach. Vor der Uebermacht in seine Wallburgen zurückweichend, mußte er aus diesen doch zuletzt hervorbrechen, diese Reiter zu retten, die wegen des Futters ihrer Gäule draußen in der Ebene hatten zurückbleiben müssen: er mußte die offene Feldschlacht wagen: er verlor, aber erst nachdem er, durch Brustwunden im Nahkampf empfangen, auch bei den Feinden sich Ruhm errungen. Er flüchtete auf die beobachtend entgegen fahrende römische Donauflotte, die ihn mit vielen Anhängern behufs Ansiedelung nach Pannonien brachte. Vangio und Sido theilten sich in sein Reich, sie traten sofort in tiefste Abhängigkeit von Rom: vielleicht darf man hiernach vermuthen, daß die römische Staatskunst wie bei Marbod’s Sturz auch diesen schon allzu selbständig gewordenen gern durch zwei schon vermöge weiter [483] Machtspaltung minder gefährliche verdrängt sah: auch diese Könige von Imperators Gnaden wurden bald ebenso verhaßt wie sie anfänglich beliebt gewesen waren, vermuthlich gefürchtet wegen imperatorischer Anwandlungen und zugleich verachtet wegen der Knechtschaft (servitium sagt Tacitus) unter Rom. Noch 19 Jahre später wird Sido als König dieser Donausueben genannt, neben ihm Italicus, vermuthlich der Sohn und Nachfolger des Vangio, dem Erziehung in Rom wol denselben Namen wie dem Neffen Armin’s eingetragen hatte. Der kleine künstlich von Rom geschaffene Suebenstaat ist alsbald spurlos untergegangen: wie hätte er sich vollends in den gewaltigen Wogen des Markomannenkrieges in jenen Gegenden, da nach Hunderttausenden zählende Volksheere wider Rom anstürmten, halten können. Desto verkehrter ist es aus diesem Häuflein den nach Millionen zählenden Stamm der Bajuwaren hervorzaubern zu wollen, wie Quitzmann in den unten angeführten Schriften: – eine Gefolgschaft zählte nie mehr als höchstens ein paar Hundert Helme – das ist geschichtlich ebenso unmöglich wie sprachlich die Erklärung des Namens “Baju-vari als Beid-Männer“ Männer aus beiden Gefolgschaften!! wohin war die Dentale im Inlaut gerathen? Die Baju vari sind die Männer aus Baja, d. h. Boia, Bojuhemum, Böhmen.

Quellen und Litteratur: Tacitus, Annalen II, 63; X, 29, 30. – Dahn, Könige der Germanen I, 186. – A. Quitzmann, Die älteste Rechtsauffassung der „Baiwaren“ S. 18 ff. und die darin angeführten andern Schriften desselben Verfassers. Dagegen Dahn, Bausteine I. 1879. S. 316. – Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker II. 1881. S. 102, 113. – Dahn, Deutsche Geschichte, I. A. 1883. S. 389, 402.