ADB:Veter, Jacob
König Ladislaus, durch seine treuen Oesterreicher gewaltsam der Vormundschaft Kaiser Friedrich’s III. entzogen, am 23. September 1452 in Wien einzog, und er gestaltete die Siegesfreude der Hauptstädter zu einem Liede, das die Ereignisse von Eizinger’s Verschwörung an bis zu der Capitulation von Wiener Neustadt zu etwa 25 Strophen im Hildebrandston mit gereimten [655] Caesuren (Rolandston) zusammendrängt und als historische Quelle nicht ganz werthlos scheint. Der Dichter ist ein dürftiger Geist, arm an Worten und an Einfällen, reich an Wiederholungen, dazu ohne Humor und Witz; so ist denn auch sein Lied sehr schwach, um so schwächer, als er den größten Gegner, den Kaiser, glaubt schonen zu müssen. Möglicherweise würde das Lied besser wirken, wenn die Ueberlieferung besser wäre. Ist ihr zu trauen, so hätte V. die ersten Halbverse in drei Typen gebraucht, nicht nur -3- und -4, sondern auch -3; so hätte er die Caesuren nicht ganz regelmäßig gereimt; so wäre er in der Sauberkeit des Reims und des Rhythmus sehr nachlässig gewesen. Schlimmer aber ist ein anderer Umstand, an dem der Herausgeber des Liedes, v. Liliencron, mit Recht Anstoß genommen hat: es finden sich verschiedene Strophen, die als Variationen genau desselben Gedankens nicht wol neben einander gestanden haben können. Ich erkläre mir das, abweichend von Liliencron, so, daß hier eine ausführliche ältere Fassung, die unmittelbar nach dem Siege entstand (Str. 1–13, 18–29), contaminirt wurde mit einer späteren gekürzten Umarbeitung; in ihr werden die diplomatischen Vorbereitungen des Kampfes, die an Interesse verloren hatten, auch bei dem inzwischen erfolgten Sturze Ulrich’s von Cilli peinliche Gedanken erwecken mochten, in 4 Strophen, (Str. 14–17; die erste nennt die Jahreszahl) schnell abgethan, und die alte Schlußstrophe, die unmittelbar an Ladislaus’ Einzug anknüpfte, wurde der Augenblicksbeziehung entkleidet: diese zweite Fassung enthielt also etwa Str. 14 bis 27, 30. V. muß seinen Landsleuten immerhin besser zugesagt haben als uns, wenn so eine zweite Auflage seines Liedes nöthig wurde.
Veter: Jacob V., Dichter des 15. Jahrhunderts, war wol selbst ein Wiener Kind, wie er für Wiener Kinder besondere Vorliebe zeigt, jedenfalls ein Oesterreicher; seines Zeichens, scheint es, ein armer vagirender Lustigmacher: ’er get in chainen weisen Rat, sein Roch ist Narren vol‘, und dem widerspricht der stolze Beiname ’aller Welt Spiegler‘ (vgl. Eulenspiegel) keineswegs. Er war zugegen, als- Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert, gesammelt und erläutert von R. v. Liliencron. Bd. I (Lpz. 1865) Nr. 99, S. 452–460. – Die neueste Darstellung der Ereignisse von 1452 (Brandsch im Gymnasialprogramm von Mediasch 1884) hat Veter’s Lied zu ihrem Schaden ignorirt.