ADB:Wagner, Friedrich Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wagner, Friedrich Wilhelm“ von Leopold Cohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 495–496, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wagner,_Friedrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:10 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 40 (1896), S. 495–496 (Quelle).
Friedrich Wilhelm Wagner (Philologe) bei Wikisource
Friedrich Wilhelm Wagner (Philologe) in der Wikipedia
Friedrich Wilhelm Wagner in Wikidata
GND-Nummer 117095796
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|40|495|496|Wagner, Friedrich Wilhelm|Leopold Cohn|ADB:Wagner, Friedrich Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117095796}}    

Wagner: Friedrich Wilhelm W., Philolog, geboren am 16. August 1814 zu Schlawa bei Gr. Glogau, † am 10. Juni 1857 in Breslau. Seine Eltern siedelten kurz nach seiner Geburt nach Breslau über; dort trat W. im J. 1824 in das Gymnasium zu St. Maria Magdalena ein, wo insbesondere der Unterricht des Prorectors Friedrich Kloßmann ihn ungemein anregte und ihm die Neigung zur Alterthumswissenschaft einflößte. Mit dem Zeugniß der Reife entlassen bezog er zu Ostern 1833 die Universität Breslau, um sich dem Studium der classischen Philologie zu widmen. Neben C. E. Chr. Schneider hörte er den mit jugendlichem Feuereifer damals in Breslau wirkenden Friedrich Ritschl und nahm zwei Jahre lang an den Uebungen des philologischen Seminars theil. Nach vierjährigem Studium erlangte er auf Grund der Dissertation Questionum de Ranis Aristophanis specimen I am 26. Juli 1837 die philosophische Doctorwürde. Kurz darauf, am 6. August desselben Jahres, bestand er das Examen pro facultate docendi und trat zu Michaelis 1837 das Probejahr am Magdalenen-Gymnasium an. Nach Ablauf desselben unterrichtete er noch ein halbes Jahr am Elisabet-Gymnasium, beschloß aber dann, da er die Neigung zu ausschließlich wissenschaftlicher Thätigkeit in sich fühlte, die akademische Laufbahn zu ergreifen und habilitirte sich im December 1838 als Privatdocent an der Universität Breslau mit der Schrift „de Euenis poetis elegiacis eorumque carminibus“ (Vratislaviae 1838), die eine schwierige und bis heut noch nicht gelöste Frage der griechischen Litteraturgeschichte gründlich behandelt. In seinen Collegien las er theils über griechische Litteraturgeschichte, theils erklärte er einzelne Stücke des Aristophanes oder der Tragiker; einige Male las er über griechische Epigraphik, daneben hielt er regelmäßig Uebungen im Lateinschreiben ab. Bald nach seiner Habilitation verfaßte er einen „Grundriß der classischen Bibliographie“ (1840), der ein ausgewähltes Verzeichniß der wichtigsten Ausgaben und Uebersetzungen der griechischen und römischen Schriftsteller und Erläuterungsschriften zu denselben enthält und den Studirenden der classischen Philologie das Studium erleichtern sollte, da die damals vorhandenen Bibliographien von Hoffmann und Schweigger diesem Zwecke nicht entsprachen. Im J. 1845 erfolgte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor. In der damals üblichen Weise trat er sein Amt mit einer Abhandlung an „de Moschionis poetae tragici vita ac fabularum reliquiis“ (Vratislaviae 1846). W. gab darin einen kleinen Ausschnitt aus seinem Haupt- und Lebenswerk, einer Sammlung der Fragmente der griechischen Tragiker mit Untersuchungen über den Inhalt der einzelnen Stücke. Er hatte zuerst nur die Absicht, die Bruchstücke der kleinen Tragiker zu sammeln, erkannte aber bald, daß ohne gründliche Durcharbeitung aller Stücke und Ueberreste der drei großen Tragiker, insbesondere des Euripides, eine fruchtbare Behandlung der übrigen Dichter, von denen nur Bruchstücke vorhanden sind, unausführbar sei. Daher ging er sogleich an die Sammlung der Fragmente der verlorenen Tragödien des Euripides und trug später auch die des Aeschylus und Sophokles nach. Das Werk erschien in 3 Bänden („Poetarum tragicorum graecorum fragmenta ed. Frid. Guil. W.“, 1844–1852). Bd. I, der zuletzt erschien (1852), enthält die Fragmente der verlorenen Stücke des Aeschylus und Sophokles, Bd. II, mit dem das Werk eröffnet wurde (1844), die Fragmente des Euripides, Bd. III (1848) die Bruchstücke der übrigen Tragiker. Der Inhalt des 2. und 3. Bandes wurde in einer [496] zweiten Ausgabe in der Didot’schen Sammlung griechischer Schriftsteller (Paris 1846) wiederholt. Ein vierter Band sollte nach dem Plane des Verfassers eine Historia critica poetarum tragicorum graecorum nach dem Muster der Meineke’schen Historia critica poetarum comicorum bringen; die Ausführung dieser Absicht wurde jedoch durch seinen frühzeitigen Tod verhindert. So verdienstlich das Werk seiner Zeit war und so sehr auch der darauf verwandte Fleiß anerkannt werden muß, so wurde es doch bald überholt durch das gleichnamige Werk von A. Nauck (1856, 2. Auflage 1889), das auf sorgfältigerem Quellenstudium beruhte und in der kritischen Behandlung des Stoffes die Arbeit des Vorgängers bei weitem übertraf. In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte sich W. hauptsächlich mit Plato. Er wurde für die von der Firma Wilh. Engelmann in Leipzig herausgegebene Sammlung von Plato’s Werken (griechisch und deutsch mit kritischen und erklärenden Anmerkungen) als Mitarbeiter gewonnen und gab in dieser Sammlung die Bändchen 15, 16, 17, 18, 20, 22, 23 und 24 (1853–1857) heraus, die den Timäus und Kritias, Parmenides, Gesetze und Epinomis, Theaetet, den Sophisten, den Staatsmann und Philebus enthalten. Die von W. bearbeiteten Bändchen zeichnen sich, wie ein Kritiker in der Zeitschrift für die Alterthumswissenschaft (1855 S. 550 ff.) rühmend hervorhob, vor denen seiner Mitarbeiter an der Engelmannschen Sammlung vortheilhaft aus. Einzelne Stellen der von ihm bearbeiteten Dialoge behandelte er ausführlich in kleinen Aufsätzen in philologischen Zeitschriften (Zeitschrift für die Alterthumswissenschaft 1855 und 1856 und N. Rhein. Museum Bd. XI, XII). Nach längerem körperlichen Leiden erlag er am 10. Juni 1857 einem Lungenschlag; er erreichte nur ein Alter von 43 Jahren.