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ADB:Wagner, Karl Ernst Albrecht

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Artikel „Wagner, Karl Ernst Albrecht“ von Ernst Gurlt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 529–530, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wagner,_Karl_Ernst_Albrecht&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 02:28 Uhr UTC)
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Wagner: Karl Ernst Albrecht W., Professor der Chirurgie an der Universität zu Königsberg und Geh. Medicinalrath, war am 3. Juni 1827 zu Berlin als ältester Sohn des dortigen Professors der gerichtlichen Medicin und Staatsarzneikunde Wilhelm W. geboren, studirte von 1844 an in Berlin und kurze Zeit auch in Heidelberg, stand an ersterem Orte dem berühmten Anatomen Johannes Müller nahe und wurde 1848 (15. Juli) mit einer unter dessen Leitung gearbeiteten vergleichend-anatomischen Dissertation „De Spatulariarum anatome“ zum Doctor promovirt. Nach Zurücklegung des Staatsexamens im Winter 1848–49, während er gleichzeitig seiner Militärdienstpflicht genügte, rückte er beim Ausbruch des zweiten schleswig-holsteinschen Krieges im Frühjahr 1849 mit seinem Regiment ins Feld und war namentlich längere Zeit im Lazareth zu Kolding mit solchem Eifer thätig, daß er sich sogar Stromeyer’s Anerkennung erwarb. Den darauf folgenden Winter und einen großen Theil des Jahres 1850 brachte er in Gemeinschaft mit mehreren Studienfreunden, auf einer wissenschaftlichen Reise namentlich in Paris und Wien zu. Im December 1850 trat er eine ihm von B. Langenbeck verliehene Stelle als Assistent in dessen chirurgischer Klinik an und eröffnete damit seine chirurgische Laufbahn. Nachdem er einige casuistische Beiträge (Deutsche Klinik, 1851, 52; Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin, 1852) verfaßt, habilitirte er sich mit einer großer Anerkennung sich erfreuenden Schrift: „Ueber den Heilungsproceß nach Resectionen und Exstirpationen der Knochen“ (Berlin 1853, mit 4 Kpft., ins Französische und Englische übersetzt) im J. 1852 (5. August) als Privatdocent der Chirurgie bei der Berliner Universität, jedoch bereits im Herbst 1853 wurde er als Oberarzt an das Städtische Krankenhaus zu Danzig berufen, dessen Direction er zugleich zu übernehmen hatte. Er erwarb sich daselbst bald einen großen und immer steigenden Ruf als Chirurg, so daß, als im J. 1857 der Lehrstuhl der Chirurgie an der Königsberger Universität durch den Rücktritt des bisherigen Inhabers erledigt war, die dortige medicinische Facultät auf den jungen Chirurgen ihr Augenmerk richtete und ihn in ihre Mitte berief. Zu Ostern 1858 trat er seine Professur daselbst an und hielt am 1. Mai seine erste klinische Vorlesung. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten aus der Danziger Zeit führen wir an (in Virchow’s Archiv, 1856, 1857): Ueber operative Behandlung der Neuralgie des N. trigeminus, über die Beziehungen zwischen Meliturie und Carbunkel, über Amblyopie und Amaurose bei der Bright’schen Nierenkrankheit, ferner (Deutsche Klinik, 1856) Drei Fälle von Hydrophobie bei Menschen. – Seine Königsberger Professur übernahm er mit der Habilitationsschrift: „De ratione quadam fracturas ossium deformiter consolidatas violenta extensione sanandi“ (Königsberg 1858, 4°, deutsch in den Königsberger medic. Jahrbüchern, 1859) und bald hatte er sich nicht nur die begeisterte Verehrung seiner Schüler erworben, sondern es fand auch ein so enormer Andrang von Hülfesuchenden bei ihm statt, daß er denselben kaum bewältigen konnte. In seiner Klinik hatte er freilich noch eine Reihe von Jahren mit den überaus ungünstigen Verhältnissen derselben, die erst durch einen Neubau vollständig beseitigt werden konnten, zu kämpfen, und diesen, den er sich bei seiner Berufung zur Bedingung gemacht hatte, konnte er erst 1864 mit dem Einweihungsprogramm: Die chirurgische Universitäts-Klinik der Albertus-Universität zu Königsberg in Pr. (4°) eröffnen. [530] Neben seiner klinischen Thätigkeit, der er sich mit vollster Hingebung und nie rastender eifrigster Verfolgung der Fortschritte der Wissenschaft widmete, war er von seinen Schülern und unzähligen Kranken geliebt und verehrt und von seinen Collegen neidlos anerkannt; auch dem Medicinalcollegium der Provinz, dem er als Mitglied angehörte, war er eine wichtige Stütze. Eine Folge des ihm von allen Seiten entgegengebrachten Vertrauens war es, daß ihm im J. 1866 die Würde eines Prorectors der Albertina übertragen wurde. Dasselbe Jahr sah ihn während des deutsch-österreichischen Krieges im Felde als Generalarzt und consultirenden Chirurgen des 1. Armeecorps. Als Anerkennung für seine Thätigkeit auf dem Kriegsschauplatze erhielt er den Titel eines Geheimen Medicinalraths und wurde 1867, bei den in Berlin zur Reorganisation des Militärsanitätswesens abgehaltenen Conferenzen von der betreffenden Commission zum Generalsecetär erwählt, dem die Abfassung der Protocolle zufiel. Von seinen litterarischen Arbeiten in der Zeit von 1860–1868 nennen wir: (Königsberger med. Jahrbücher 1860) Ueber die Bildung falscher Gelenke bei Ankylose des Unterkiefers – Zur Behandlung cavernöser Geschwülste mittelst Galvanokaustik – Zur Behandlung des Querbruchs der Kniescheibe mittelst der Malgaigne’schen Klammer; (Amtlicher Bericht der Gießener Naturforscher-Versammlung, 1865); Ueber Gritti’sche Amputation (Berliner klin. Wochenschrift, 1866, 1868); – Ueber chronische Muskelerkrankungen – Vier Ovariotomieen; (Langenbeck’s Archiv XI) Ueber nervösen Gesichtsschmerz und Neurectomie. Eine für Pitha-Billroth’s Handbuch der Chirurgie übernommene Bearbeitung der chirurgischen Krankheiten des Kopfes, an der er seit 1864 arbeitete, ist leider unvollendet geblieben. – Im J. 1868 hatte er das Unglück, daß er sich eine gefährliche Fingerinfection mit schwerer Bleivergiftung zuzog, infolge deren lange dauernde und wiederholte Curen (in Wiesbaden, Aachen, Cannes) ihn seiner klinischen Thätigkeit für lange Zeit entzogen. Erst im April 1870 kehrte er in voller Gesundheit nach Königsberg zurück, verließ es aber bereits Ende Juli wieder, um beim Ausbrechen des deutsch-französischen Krieges in demselben die gleiche Stellung bei der ersten Armee, wie in dem Kriege von 1866, zu übernehmen. Nach rastloser Thätigkeit während der Cernirung von Metz und in Rouen, beabsichtigte er, sich im Januar 1871 zu der Ostarmee des Generals v. Manteuffel zu begeben, erkrankte aber auf der anstrengenden Reise dorthin schwer am Typhus und verstarb, trotz der hingebendsten Pflege seiner nach Dôle, wohin er gebracht worden war, geeilten Gattin daselbst, am 15. Februar 1871. – Sein Tod verursachte eine allgemeine Trauer. Der Kronprinz, der General v. Manteuffel, der Oberpräsident der Provinz Preußen erließen ehrenvolle Nachrufe; sein Leichenbegängniß in Königsberg, wie ein solches seit langer Zeit daselbst nicht stattgefunden hatte, bezeugte, daß alle Schichten der Bevölkerung tief durchdrungen waren von dem Verluste eines ausgezeichneten Arztes und hervorragenden Universitätslehrers, der es verstanden hatte, sich allseitige Anerkennung als Chirurg und Mensch zu erwerben. Für die Chirurgie ist es sehr zu bedauern, daß seine Lebensdauer eine verhältnißmäßig so kurze war, da bei seinen Anlagen und bei seiner rastlosen, energischen Thätigkeit noch viele Förderung für dieselbe durch ihn bei längerem Leben zu erwarten gewesen wäre.

J. Caspary in v. Langenbeck’s Archiv für klinische Chirurgie. 1871. XII, 1091.