Zum Inhalt springen

ADB:Walther, Johann

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Walther, Johann“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 110–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walther,_Johann&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 02:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Walther, Hermann
Band 41 (1896), S. 110–113 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Walter in der Wikipedia
Johann Walter in Wikidata
GND-Nummer 118764187
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|110|113|Walther, Johann|Robert Eitner|ADB:Walther, Johann}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118764187}}    

Walther: Johann W., der Freund und Mitarbeiter Luther’s im musikalischen Fache, geboren 1496 zu Cola in Thüringen, † vor dem 24. April 1570 zu Torgau. Er trug auch den Namen Blankenmüller nach einer der Mutter gehörigen Mühle, die Blankmühle genannt wurde. Im J. 1524 treffen wir ihn als Bassist in der Hofcapelle zu Torgau, wo er auch bald darauf noch zum Componisten ernannt und von Luther nach Wittenberg erbeten wurde, um die Einrichtung der kirchlichen Gesänge zu besorgen. Da die Ergebnisse dieser Berathung bereits 1524 in der Herausgabe des Wittenberger Geistlichen Gesangbuches zu Tage traten, so muß die Berufung nach Wittenberg schon ein oder zwei Jahre vor 1524 geschehen sein, denn die Ausgabe umfaßt 43 vier- und fünfstimmige Gesänge (siehe die neue Partiturausgabe im 7. Bande der Publication der Gesellschaft für Musikforschung, Leipzig). Schon 1526 beabsichtigte der Kurfürst Johann Friedrich die Capelle aufzulösen, da er die Gelder zur Rüstung gegen den katholischen Bund gebrauchte. Ein Schreiben Philipp Melanchthon’s an den Kurfürsten vom 20. Juni 1526 machte aber den Entschluß wieder rückgängig (abgedruckt in Monatsh. f. Musikg. 10, 85), jedoch schon 1529 setzte er die Gehälter der Capellmitglieder bedeutend herab und endlich 1530 sah er sich gezwungen, die Capelle ganz aufzulösen. Ehe aber die Capellmitglieder sich zerstreuten, faßte die Bürgerschaft Torgaus den Entschluß, eine Anzahl Mitglieder und besonders W. zu fesseln, indem sie sich zu einer Gesellschaft vereinten, der sie den Namen „Cantoreigesellschaft“ beilegten, um die ihnen lieb gewordene Kirchenmusik zu erhalten. Sie stellte W. die Sänger zur Verfügung, besoldete ihn, und um ihn ganz sicher an Torgau zu fesseln, schuf man an der Schule eine neue Lehrerstelle und setzte ihn dort ein. Man trennte an der Schule das Cantorat vom Organistenamte, übergab das erstere W. und als Lehrgegenstände Gesang, Religion und lateinischen Sprachunterricht bis zur leichteren Lectüre. Der Organist erhielt die Elementargegenstände. Die Einrichtung der Cantoreigesellschaft fand sehr bald in andern Städten Nachahmung, da die deutschen Fürsten überall durch die Kriegsvorbereitungen das Geld für die Capelle zurückbehielten, oder die Bürger erkannten, daß sie sich nur in dieser Weise eine Kirchenmusik schaffen konnten, wie diejenigen Städte sie besaßen, in denen sich eine fürstliche Capelle befand. Luther [111] war über das gänzliche Aufgeben der Capelle in Torgau sehr aufgebracht, denn sie war das Ideal seiner Bestrebungen, den Kirchendienst musikalisch auszuschmücken und zu beleben. Er richtete daher an den Kurfürsten ein sehr energisch abgefaßtes Schreiben, was wenigstens den einen Erfolg hatte, daß derselbe der Cantoreigesellschaft einen jährlichen Zuschuß von 100 Gulden zusagte. Als nun der Herzog Moritz an Stelle des gefangenen Kurfürsten trat, verpflichtete er sich zur Weiterzahlung dieser 100 Gulden jährlich und erst im J. 1548, als er die Hochzeit seines Bruders August ausrichtete, der sich mit einer dänischen Prinzessin vermählen wollte, entschloß er sich, selbst eine Capelle einzurichten. die vorläufig bei der Hochzeitsfeierlichkeit wirken sollte und ihm dann nach Dresden folgte. Zum behufe der Bildung der Hofcapelle erhielt der Rector Cruciger an der Wittenberger Universität den Auftrag, die Studentenschaft durch Anschlag am schwarzen Brett aufzufordern, der neu zu gründenden Capelle als Sänger beizutreten und sich zur Prüfung bei Johann W. in Torgau zu melden. Am 22. September 1548 unterzeichnete der Kurfürst Moritz die Stiftungsurkunde; am 8. October sang die neugegründete Capelle unter der Direction Walther’s bei den Hochzeitsfeierlichkeiten in Torgau und siedelte dann nach Dresden über. W. war somit zum kurfürstlichen Hofcapellmeister emporgestiegen und der erste in der langen Reihe berühmter Hofcapellmeister in Dresden. – W. hat die Zeit in Torgau fleißig benützt im Sinne Luther’s weiter zu arbeiten. Schon 1525 druckte Peter Schöffer das Wittenberger geistliche Gesangbuch in 2. Ausgabe. Man glaubte seither vielfach, daß es ein Nachdruck sei, dies ist aber ein Irrthum, denn der neue Druck weist vielfache Verbesserungen auf, die nur von W. selbst herrühren können. Siehe die Anmerkungen in der neuen Partiturausgabe in Publication Bd. 7. Im übrigen ist es ein getreuer Abdruck der 1. Ausgabe von 1524. Zwölf Jahre später gab W. das Gesangbuch in neuer vermehrter Ausgabe heraus. Wir erfahren aus dem Titel des Druckes daß ihn der Kurfürst Johann Friedrich I. schon damals zum Sängermeister, d. h. zum Capellmeister der Capelle ernannt hatte. Der Druck von 1537 erschien in Straßburg bei Peter Schöffer und Matthias Apiarius. Er besteht aus 5 Stb., die sich in der Hofbibliothek in Wien complet, in der Staatsbibl. in München ohne Baß und in der Stadtbibl. Augsburg nur im Alt, Tenor und Vagans befinden. Der Inhalt besteht aus 53 Gesängen, ist also um 10 Nummern vermehrt. – Darauf folgte die 4. Auflage 1544 mit 63 Gesängen, die diesmal in Wittenberg selbst bei Georg Rhau erschien. Die 5 Stb. befinden sich in den Bibliotheken zu Berlin, doch fehlen bei einigen Stimmen zu Anfang mehrere Blätter, die aber durch die anderen Exemplare in Zwickau und Hamburg, denen die Vagans fehlt, ersetzt werden können. Die letzte Ausgabe fällt schon in Walther’s Aufenthalt in Dresden, denn sie erschien 1551 bei Rhau in Wittenberg, die deutschen Gesänge bis zu 74 Nummern vermehrt und die lateinischen bis zu 47 Nummern. Die Vorreden bleiben immer dieselben; Exemplare besitzen die Bibliotheken in Berlin und Königsberg i. Pr. complet in 5 Stb., in München fehlen im Tenor Nr. 38 bis 74, in Kassel fehlen im Tenor die letzten zwei Blätter, in Upsala fehlt der Discantus und Leipzig besitzt nur den Bassus ohne Titelblatt. Eine vergleichende alphabetisch geordnete Inhaltsangabe aller fünf Ausgaben findet man Spalte 17 ff. im Vorwort zur neuen Ausgabe von 1524. – Walther’s Schreib- und Ausdrucksweise leidet noch an einer gewissen Härte und Steifheit in der Stimmenführung, die es zu einem Wohlklange selten kommen läßt. Wie bei allen bedeutenden Zeitgenossen liegt aber Kraft und Würde in seinem musikalischen Ausdruck, die dem Gegenstande sehr wohl ansteht und wie bekräftigend den protestantischen Glaubenseifer bezeichnen will, der nicht wankt und weicht. [112] In den beiden letzten Ausgaben finden sich schon Gesänge mit milderem Ausdrucke. So veröffentlicht v. Winterfeld im 1. Bande seines Evangel. Kirchengesanges, S. 4 der Musikbeispiele, Walther’s fünfstimmigen Gesang über eine reizende geistliche Volksmelodie „Joseph, lieber Joseph mein“, mit der Melodie im Discant, der schon das Bestreben kund thut, mehr dem harmonischen Wohlklange zu huldigen; doch es glückt ihm nur zum Theil. Daß er dabei die Melodie durch den 2. Discant. der den 1. Discant fortwährend kreuzt und verdeckt, vollständig dem Zuhörer gegenüber vernichtet, theilt er mit seinen Zeitgenossen, denen die benützte Volksmelodie nicht als Hauptsache galt, wie es heute der Fall ist, sondern denen die gewählte Melodie nur zur Grundlage diente, um zu derselben einen neuen Tonsatz zu erfinden. Deshalb gehen sie auch mit dem sogenannten Cantus firmus ganz willkürlich um, kürzen und verlängern die Noten ganz nach Belieben; und das geschah im geistlichen, wie weltlichen Tonsatze; deshalb hält es heute so schwer, die alten deutschen Volksmelodien aus den vierstimmigen Bearbeitungen zu reconstruiren und gehen die Ansichten der Musikhistoriker darüber weit auseinander. Ein Endurtheil über Walther’s Leistungen ist bis jetzt kaum möglich, da uns die Tonsätze aus seiner späteren Zeit mit Ausnahme einiger weniger völlig unbekannt sind. Kade veröffentlicht zwar im 5. Bande von Ambros’ Musikgeschichte S. 404 ff. zwei Gesänge von 1561 und 1566, doch bieten dieselben keine neuen Gesichtspunkte dar, stehen eher hinter dem obigen, Joseph, lieber Joseph mein, noch zurück. – Ueber Walther’s fernere Lebensumstände ist nur noch wenig zu berichten. Im Herbste 1554 ließ er sich pensioniren und zog nach Torgau, wo er schon seit 1537 ein eigenes Haus in der Stümpferstraße besaß. Seit 1526 war er verheirathet mit Anna, Tochter des Hans Hessen, der beim Kurfürsten Reitschmidt gewesen war. Dieser Ehe entstammt ein Sohn, der ebenfalls den Namen Johann trug, Cantor in Hayn (Großenhain) war und 1551 auf Wunsch des Vaters nach Torgau zog und Kornschreiber wurde. Die späteren Nachkommen lassen sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts verfolgen, doch keiner widmete sich der Musik. Der letzte war ein Tuchmacher. – Walther’s übrige Compositionen bestehen aus einer „Cantio septem vocum“ (Wittenbergae s. a., Georg Rhaw) gegen 1544 componirt, ferner „Ein schöner geistlicher vnd christlicher newer Berckreyen von dem jüngsten tage, vnd ewigem Leben“ (Wittenberg 1552 bei Rhau und in neuer Auflage in Marburg 1555 bei Andres Kolben gedruckt, sowie in Ausgaben 1561 in Nürnberg und zwei anderen ohne Jahr gedruckt); „Magnificat octo tonorum 4, 5 et 6 vocibus“ (Jhenae 1557 bei Christ. Rhodij in 5 Stb.); „Ein newes christliches Lied, dadurch Deutschland zur Buße vermanet, vierstimmig gemacht“ (Wittenberg 1561, bei Rhau’s Erben, 6 Blätter mit gegenüber gestellten Stimmen); „Das christlich Kinderlied D. Martini Lutheri, Erhalt uns Herr etc. Auffs new in sechs Stimmen gesetzt“ (Wittembergk 1566 bei Schwertel, 21 Gesänge). Kade theilt einen Tonsatz im Ambros Bd. 5 daraus mit. – Auch als Dichter lernen wir Walther in seinem „Lob und preis der löblichen Kunst Musica“ (Wittemberg 1538) kennen. Es besteht aus 322 Versen. Ein zweites Gedicht, am Ende seines Lebens entstanden, ist betitelt: „Lob vnd preis der Himlischen Kunst MVSICA: Mit einer herrlichen, schönen Vorrede … Lutheri“ (gezeichnet mit Torgaw am letzten Augusti Anno 1564, gedruckt zu Wittenberg durch Lorentz Schwenck). Exemplar in der Stadtbibliothek zu Breslau. Beschreibung in Emil Bohn’s Katalog. Die übrigen Drucke sind beschrieben, zum Theil mit Register versehen, in den Monatsh. X, 86 ff. Die in neuen Ausgaben erschienenen Gesänge sind in meinem Verzeichniß neuer Ausgaben alter Musikwerke nebst Nachtrag in Monatsh. [113] IX zu finden und 37 Gesänge in alten Sammelwerken sind in meiner Bibliographie verzeichnet.

Allg. musik. Ztg. Lpz. 1863, Nr. 14 u. f. – Taubert, Geschichte der Pflege der Musik in Torgau, Programm 1868 und Der Gymnasial-Singechor in Torgau, Programm 1870. – Kade, Eine feste burgk ist vnser gott. Der neuaufgefundene Luther-Codex vom Jahre 1530. Dresden 1871, nebst den oben bereits verzeichneten Quellen.