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ADB:Weber, Karl Julius

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Artikel „Weber, Karl Julius“ von Max Mendheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 334–339, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Karl_Julius&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 17:41 Uhr UTC)
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Band 41 (1896), S. 334–339 (Quelle).
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Weber: Karl Julius W., Schriftsteller, wurde am 16. April 1767 in dem Hohenloheschen Städtchen Langenburg geboren, wo sein Vater († Ende 1782), „ein rauher Mann von heftigem Temperament“, wie er ihn selbst im Gegensatz zu seiner liebevollen, einsichtigen Mutter († im Februar 1803) charakterisirt, fürstlicher Rentbeamter war. Karl besuchte in der Folge die deutsche und später die lateinische Schule seiner Vaterstadt und machte schon hier ungewöhnliche Fortschritte in den alten Sprachen wie in Geschichte und Geographie. Daneben übte er sich im Zeichnen und Malen; vor allem aber fesselte ihn das Studium von Reisebeschreibungen, deren er soviel las, als er nur irgend habhaft werden konnte. Im Frühjahr 1782 brachte ihn sein Vater sodann auf das Gymnasium zu Oehringen. Auch hier setzte W. seine Privatstudien eifrig fort und legte bereits durch Erwerbung der Werke der damals gelesensten deutschen Dichter und Philosophen den Grund zu seiner späteren großen Büchersammlung, pflegte aber neben seinen unermüdlichen Studien immer auch den geselligen Umgang mit seinen Mitschülern und mit einem von ihm innig und rein geliebten Mädchen, das freilich bald darauf einen andern heirathete. Selbst noch ein Jüngling mußte er als Erstgeborener nach dem frühen Tode des Vaters der Mutter und seinen vier Geschwistern mit Rath und That zur Seite stehen. Im J. 1785 bezog W. sodann die Universität Erlangen, um sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Neben seiner Fachwissenschaft trieb er mit besonderer Liebe, durch Meusel angeregt, Statistik und Litteraturgeschichte, deren Kenntniß er durch fleißige Lectüre deutscher, französischer und englischer Classiker erweiterte. Hatten ihn anfangs besonders Ossian, Shakespeare und Rousseau angezogen, so beschäftigte er sich noch in seiner späteren Studienzeit mit Vorliebe mit den Werken der französischen Encyklopädisten, mit Voltaire, Helvetius, Diderot und anderen, deren Einfluß in seinen eigenen Werken noch allenthalben zu erkennen ist. Von Erlangen kehrte er 1788 nach vollendetem Universitätspensum zunächst nach Langenburg zurück, wo er seine juristischen und anderen Studien emsig fortsetzte und auch durch praktische Thätigkeit in der dortigen Regierungskanzlei unermüdlich erweiterte. Mit dem Entschluß, sich dem akademischen Lehramte zu widmen, verließ W. 1789 die kleinstädtischen, ihm unbehaglichen Verhältnisse seiner Vaterstadt wieder und begab sich nach Göttingen. Da sich ihm jedoch hier zunächst keine Aussicht zur Erreichung seiner Wünsche bot, nahm er auf seines Gönners, des Professors Schlözer, Rath eine ihm unter sehr vortheilhaften Bedingungen angebotene Hauslehrerstelle im Waadtlande an und reiste im Winter 1790 nach dem Orte seiner Bestimmung, dem Landgute Bougy bei Aubonne ab. Er wurde hier mit Wohlwollen in der Familie des Bankiers Delessert aufgenommen, dessen drei Söhne er nun zu unterrichten hatte, und verlebte einige glückliche Jahre in der herrlichen Natur an den Ufern des Genfer Sees. Der Umgang mit interessanten Fremden und Einheimischen, mehrfache Reisen nach Lyon und Paris sowie später durch das ganze südliche Frankreich und den größten Theil der Schweiz bereicherten in hohem Grade seine Welt- und Menschenkenntniß und erweckten lebhaft sein Interesse für den Entwicklungsgang der französischen Revolution. 1792 kehrte W. sodann nach Deutschland zurück und trat als Privatsecretär in die Dienste des regierenden Grafen Christian v. Erbach-Schönberg, der damals kurkölnischer Geheimrath und Statthalter des Deutschmeisterthums in Mergentheim war. W. hatte in dieser Stellung reiche Gelegenheit, seine Kenntnisse in vieler Hinsicht zu erweitern, so besonders durch die ihm zu Gebote stehende Mergentheimer Deutsch-Ordens-Bibliothek, die namentlich schätzbare Werke über die Ritter- und Mönchsorden enthielt, als auch durch die Theilnahme des Grafen als Bevollmächtigten am Rastatter Congreß, wo sich W. insbesondere die Gunst des französischen [335] Gesandten Bonnier erwarb und seine Büchersammlung wieder bedeutend vermehrte. Nach dem Tode des Grafen (29. Mai 1799) wurde er unter dessen Bruder und Nachfolger Karl als gräflicher Hof- und Regierungsrath nach König im Odenwalde versetzt. Wenn er auch mit seinem neuen Herrn leidlich auskam, so trugen doch die mancherlei verdrießlichen Geschäfte, die er hier, besonders in den nun folgenden Kriegsjahren zu übernehmen hatte, nicht unwesentlich dazu bei, daß er im Frühjahr 1802 seine Entlassung aus dem gräflichen Dienste nahm. Er wurde darauf mit dem Titel eines Hofrathes unter günstigen Bedingungen Reiseführer des jungen Erbgrafen von Isenburg-Büdingen, der mit einer jungen Gräfin Erbach in König verlobt war, aber vor seiner Verheirathung noch eine größere zweijährige Reise unternehmen sollte. Welche Verdrießlichkeiten W. auf dieser Reise, die von dem jungen unerfahrenen, aber arroganten und blasirten Grafen nach einem kurzen Besuche von Westfalen, Holland, Hannover, Braunschweig und Magdeburg schon in Berlin durch seine Flucht aus den Händen seines Mentors beendet wurde, auszustehen hatte und wie er nachher noch von den Angehörigen der Familie und des Hofes seines Schützlings chicanirt und um seine ihm verbürgten Rechte betrogen ward, das hat er selbst später mit gerechtem Zorn aber auch voll Spott und Hohn in der Einleitung zu seinem „Demokritos“ ergötzlich geschildert. (Ueber die Reise selbst berichten seine culturgeschichtlich interessanten Briefe, die im Bd. 28, S. 87–160 seiner Sämmtlichen Werke abgedruckt sind.) Alle die Unannehmlichkeiten und Quälereien, die W. nach Abbruch der Reise noch zu erdulden hatte, verleideten ihm natürlich auch, die ihm früher zugesagte Stellung in der büdingischen Regierungskanzlei anzunehmen. Nach mehrjährigem Warten und Unterhandeln ließ er sich schließlich, krank und verdüstert über diese traurige Behandlung, mit einer Summe von 5000 Gulden abfinden. Nachdem er schon im Frühjahr 1803 durch einen Aufenthalt im Kreise seiner Geschwister und Jugendfreunde zu Langenburg, sowie durch eine größere Rheinreise sein Gemüth wieder erheitert hatte, verließ er im April 1804 Büdingen endgültig. Er nahm nun bis zu seinem Tode seinen Aufenthalt im Hause einer seiner Schwestern, die an einen Beamten des Freiherrn von Berlichingen verheirathet war und damals in Jagsthausen lebte. Aber die traurigen Erlebnisse in Büdingen lebten noch fort in seiner Phantasie, und so kam denn nun in den Tagen der Ruhe die Erschütterung seines Gemüthes erst zu vollem Ausbruch. „Er glaubte nicht Subsistenzmittel genug für die Zukunft zu haben: er wurde weltscheu und mißtrauisch gegen die Menschen, sprach oft laut und verwirrt vor sich allein hin und betrachtete sich mit starren Blicken und bizarrem Geberdenspiel im Spiegel.“ Nach einigen Monaten besserte sich jedoch das Uebel und hörte dann bald ganz auf. Als sein Schwager 1809 württembergischer Beamter wurde, siedelte W. mit dessen Familie nach Weikersheim an der Tauber, dann einige Jahre später nach Künzelsau am Kocher und endlich 1830 nach Kupferzell über. In den Jahren 1820–24 war er Abgeordneter des Oberamtes Künzelsau für die württembergische Ständekammer und hielt sich als solcher jährlich einige Monate in Stuttgart auf. Er war aufrichtig constitutionell gesinnt, aber ohne Rednertalent und trat in der Kammer eigentlich nur einmal mit einem Antrag auf Verbot des Nachdrucks hervor, der zwar allgemeine Anerkennung fand, aber sonst keinen Erfolg hatte. (Der von ihm verfaßte und im Mai 1821 vorgetragene „Entwurf des kommissarischen Berichts, den Büchernachdruck betreffend“ sowie ein Auszug aus seinen Berichten an die Oberamtsversammlung zu Künzelsau ist abgedruckt in Bd. 28 seiner Sämmtlichen Werke.) Ueber seine Abgeordnetenstellung äußert sich W. selbst mit folgenden Worten: „Nachgebend den von allen Seiten an mich ergangenen Aufforderungen meiner Mitbürger, übernahm ich eine Rolle, die mit meinen Grundsätzen und [336] mit meinem Charakter nicht ganz im Einklange stand. … Und wie habe ich diese Rolle gespielt? … Mit dem besten Willen und echter Vaterlandsliebe habe ich weniger gethan, als ich wohl hätte thun können, gesprochen ohnehin weniger, als ich leicht hätte sprechen können, worauf es jedoch am wenigsten ankommt, aber das Warum müssen sie mir schenken. … Ich hatte nicht das Glück, das Vertrauen des großes Haufens in der Versammlung zu gewinnen, woran wol meine Persönlichkeit weniger Schuld sein mag, als mein Hofrathscharakter und meine früheren Verhältnisse, mein Umgang mit den höheren Staatsdienern.“ Im übrigen lebte W. während der ganzen Zeit seit seinem Abgange von Büdingen fern von allen öffentlichen Aemtern, zurückgezogen nur sich selbst und seinen Büchern. Dagegen unterbrachen noch fortgesetzt häufige Reisen, theils zu Fuß, theils im Postwagen, die Einförmigkeit seines Lebens. Paris (1806, vgl. darüber seine Berichte in Bd. 29 seiner Sämmtlichen Werke) und Wien, Süddeutschland und Tirol, Schlesien und Böhmen, Nürnberg und Frankfurt a. M., wie überhaupt die Rheingegenden, waren es, die er hauptsächlich, zum Theil wiederholt aufsuchte. Fast von jeder Reise brachte er neue Schätze zur Vollständigung seiner Bibliothek mit, die zuletzt auf nahezu 11 000 Bände anwuchs. Wie fleißig er diese studirt und zum Theil excerpirt hat, bekunden alle die eigenen umfangreichen Werke Weber’s, die er sämmtlich erst während der Zeit seiner Zurückgezogenheit in Angriff nahm.

In den letzten Jahren seines Lebens fühlte er sich dann auch in seiner Umgebung nicht mehr behaglich und war selbst auch für diese kein besonders angenehmer Gesellschafter. „Er wurde mürrisch, mißvergnügt mit der Welt, mißtrauisch, fast cynisch in seinem Anzuge und bis zum Geize sparsam.“ Dabei stellte sich etwa ein Jahr vor seinem Tode ein Unterleibsleiden bei ihm ein; Ende Juni 1832 überfiel ihn ein schleichendes Fieber, bis der Tod am 20. Juli dieses Jahres seinem Leiden ein Ende machte. – Weber’s Temperament war, nach seinem eigenen Dafürhalten, cholerisch-sanguinisch. „Das Cholerische“, sagt sein anonymer Biograph (wol sein Jugendfreund „Sirach“), „sprach sich schon in seinem feurigen Auge, seinem durchdringenden Blick, in der Lebhaftigkeit seiner Bewegungen und Sprache aus … Die Beimischung des sanguinischen Temperaments aber zeigte sich vorzüglich in der meist aufgeweckten Stimmung seines Gemüths, in seiner Neigung zum Lachen, in seiner Hinneigung zu munterer Gesellschaft, auch zu sinnlichen Lebensgenüssen; er liebte Bachus und Venus, doch nicht im Uebermaße.“ Dabei war er „nicht stets offen und empfänglich für die Ansichten und Mittheilungen Anderer, nicht ohne verletzende Ansprüche, Spötterei und Rechthaberei.“ Seine Gestalt war von mittlerer Größe, seine Physiognomie „regelmäßig und ausdrucksvoll … Eine hohe Stirn, eine spitzig auslaufende Nase, ein fein gebildeter, zu spöttischem Lächeln stets bereiter Mund, feurige braune Augen und eine gewöhnlich sehr lebhafte und starke Stimme ließen den kräftigen und feurigen Geist Weber’s leicht errathen.“

Dieser lebhafte, feurige Geist zeigt sich in der That in allen Schriften Weber’s. Daß sie sämmtlich erst in dem letzten Abschnitt seines Lebens geschrieben sind, der selbst nur wenig abwechselungsreich und unter wenig veränderten Verhältnissen verlaufen ist, mag wol die Ursache sein, daß diese Werke im Tone, wie in der Art und Weise der Darstellung, in der ganzen Auffassung des Lebens u. s. w. so viel Gleichartiges haben, dem man überall das Urtheil des gereifteren Mannes anmerkt. Trotzdem unterscheiden sich die ersten beiden Werke, die „Möncherei oder geschichtliche Darstellung der Klosterwelt und ihres Geistes“ (3 Bde. 1818–20) und „Das Ritterwesen und die Templer, Johanniter oder Deutsch-Ordensritter insbesondere“ (3 Bde. 1822–24) immerhin nicht unwesentlich von den späteren, hauptsächlich durch strengere Disponirung des Stoffes. In [337] dem Werke „Das Papstthum und die Päpste“ (3 Bde. 1834 f.) ist zwar die chronologische Behandlung streng gewahrt, ebenso ist in „Deutschland oder die Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen“ (4 Bde. 1826–28) jede Landschaft besonders betrachtet, aber doch zeigt sich schon hierin, wie dann besonders im „Dymokritos oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen“ (5 Bde. 1832–35) mehr als in jenen die losere Anordnung, das freiere Einflechten ihm beim Schreiben selbst einfallender Gedanken und Ansichten, kurz gesagt, die echte Manier des richtigen Feuilletonisten, geistreich, gewandt und interessant, aber ohne strenge Regelmäßigkeit und logische Durcharbeitung. Weber’s erste Veröffentlichung war, wie schon erwähnt, die „Möncherei“. In der Vorrede zu diesem Werke sagt er über die Entstehung desselben: „Schon in früher Jugend hat mich die Klosterwelt Siegwarts und die wirkliche Klosterwelt, deren Inneres ich natürlich nicht durchblicken konnte, angezogen. Diese Jugendbilder erwachten wieder, da ich als junger Mann in Frankreich das gräßliche Trauerspiel le Comte de Comminges neben den lieblichen Dingen Les Visitandines und Les rigueurs du Cloitre aufführen sahe, La Harpe’s und Diderot’s Religieuse nicht zu vergessen. – Nun gerieth ich gar in eine katholische Stadt des Frankenlandes, kam zu Zeiten in Bettelklöster, … und an Festen großer Heiliger ging es in benachbarte reiche Prälaturen … In noch gar viele Klöster und Stifter kam ich späterhin … Unterstützt von einer im Fache der Orden nicht übeln Bibliothek machte ich mich, wenn mir die Geschichte der Revolution und meiner Zeit zum Ekel wurde, an die Geschichte des Mittelalters, des Papst-, Mönchs- und Ritterthums con amore, und aus diesen jugendlichen Entwürfen habe ich, da ich seit 15 Jahren selbst einsam lebe wie ein halber Mönch, ohne Amt, ohne Weib, Kind und Eigenherd, die Möncherei zuerst wieder hervorgesucht und mit neuer Vorliebe überarbeitet.“ W. berichtet hier mit guter Sachkenntniß auf Grund eingehender Studien über den Ursprung und die Verbreitung des Mönchswesens, über dessen Sitten und Regeln, über einzelne Klöster, deren Vorsteher, Mönche und Nonnen. Freilich beschränkt er sich hier so wenig wie in seinen späteren historischen Werken auf die Mittheilung von Thatsachen, auf die Untersuchung von deren Ursachen und Folgen; überall tritt er mit seiner subjectiven Ansicht und Auffassung all der Ereignisse und Persönlichkeiten, mit seinem Spott und Unwillen über die ganze Institution des Klosterwesens stark in den Vordergrund. Bei alledem aber kann das Werk als ein gelungener Beitrag zur Sittengeschichte dieser Einrichtung angesehen werden. Nicht minder gilt dies von seinem folgenden Werke, dem „Ritterwesen“, das wol entschieden als das beste seiner geschichtlichen betrachtet werden darf. Auch hier haben wir überall reiches geschichtliches Material, durchflochten von Betrachtungen, Vergleichen und Urtheilen Weber’s sowie von zahlreichen, bei allen möglichen alten und neuen Schriftstellern aufgelesenen Anekdoten. Er beginnt mit Betrachtungen über den Adel im allgemeinen, kommt dann auf den Ursprung des Ritterwesens und geht darauf auf dieses selbst ein, auf seine Sitten und Gebräuche, seine Ausartung und seinen Verfall. Ausführliche Behandlung ihrer Entstehung, Verfassung und Geschichte erfahren die Orden der Templer, der Johanniter und der Deutschen Ritter. Daran schließen sich 7 Capitel über „Reliquien des Ritterwesens“ (die unmittelbare Reichsritterschaft, die neueren Ritterorden, Wappen, Siegel, Stammbäume u. s. w. Zweikampf, Carousels, Ceremoniell, Etiquette, Titulaturen, Ueberreste in Sitten, Gebräuchen und Sprache) und 2 Kapitel „Allgemeine Betrachtungen über das Ritterwesen und die Ritterzeit“. Außerdem sind den einzelnen Bänden verschiedene interessante Beilagen angehängt. Zwischen diesen beiden ersten Werken veröffentlichte W. unter dem Titel „Der Geist Wilhelm Ludwig Wekhrlins von Wekhrlin junior“ (abgedruckt in Bd. 15 [338] der „Sämmtlichen Werke“) eine Auslese einzelner Stellen aus den Werken dieses Schriftstellers, gewidmet dem Recensenten Nr. CXXIII der Göttinger Gelehrten Anzeigen vom Jahre 1822, der besonders scharf über Weber’s „Möncherei“ hergezogen und deren Verfasser mit dem freimüthigen und satirischen Vielschreiber Wekhrlin verglichen hatte. Der eigentlichen Auslese läßt W. eine satirische Vorrede und eine kurze Lebensbeschreibung Wekhrlin’s vorausgehen.

Seine „Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen“ sind keine Briefe im eigentlichen Sinne: die Ueberschriften könnten statt Brief ebenso gut Capitel lauten. Sie enthalten über Deutschland im allgemeinen und über jedes einzelne Land im besonderen Beschreibungen der Lage, der Grenzen, des Bodens, der Gewässer, des Klimas, der Naturerzeugnisse; Betrachtungen über Handel, Wissenschaften, Künste, Religion, die Bewohner und deren Schicksale, über Verfassung, Sitten, Gebräuche und Sprache in den verschiedenen Ortschaften. Bei den Ländern werden auch die hauptsächlichsten Städte und Stätten, theils kurz, theils eingehend, behandelt, alles im Tone eines Feuilletons, lebendig und anschaulich, mit Einflechtung charakteristischer Anekdoten und Erlebnisse des Verfassers. So erhält man z. B. von Wien und den Wienern ein wohlgetroffenes Bild wie man es so angenehm und gefällig nicht leicht in ähnlicher Weise aus einem anderen Werke erhalten wird. Nirgends trockene Beschreibung. Vielfach kommen auch hier Weber’s eigene Ansichten scharf zum Ausdruck, besonders überall sein Haß gegen die Pfaffen. Sein ungenannter Biograph sagt hierüber: „Die Materialien zu seinem Werke ’Deutschland‘, an dem er mehrere Jahre arbeitete, nahm er zunächst aus seinen genau geführten Reisetagebüchern, die er aber sorgfältig mit anderen Reisebeschreibungen verglich. Der das ganze Werk durchdringende Geist aber ist der Geist scharfer und klarer Beobachtung, vielseitiger, treffender Würdigung der Dinge, leichter und anschaulicher Darstellung, pikanter Auffassungen und Schilderungen“.

Das „Papstthum“ hatte er schon mehrere Jahre vor seinem Tode vollendet, doch erschien es erst in den „Sämmtlichen Werken“ (Bd. 1–3). W. selbst hielt es für ein gelungenes Werk, zu dem er seltene Hilfsmittel benutzen konnte. „Aber“, meint er (Brief von 1829), „haben mir die Ritter und Deutschland schon Feinde gemacht, was würden erst Päpste und Päpstler vermögen? Darum will ich die Ruhe meines Alters nicht mehr stören lassen durch das Erscheinen dieses Werkes“. Diese Geschichte des Papstthums, die mit einer allgemeinen Einleitung über das Christenthum und die „Christianer“ der ersten Jahrhunderte anhebt und bis zu Leo III. reicht ist eine Aneinanderreihung interessanter Cultur- und Zeitbilder, Betrachtungen und Urtheile, aber keine wirkliche historische Darstellung, keine Entwicklung der auf und aus einanderfolgenden Ereignisse und Verhandlungen. Dagegen führt sie gewandt und trefflich in den Charakter der Zeit und der Personen ein, etwa ähnlich wie Freytag’s „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“, ja ähnlich dem Rankeschen Werke über die Päpste, nur daß Ranke knapper berichtet und nicht so zahlreiche Anekdoten und allgemeine Betrachtungen einstreut wie W., der überdies die Hierarchie mit Spott und Hohn überschüttet, aber sich doch auch in ernstem, aus der Tiefe des Gemüths kommenden Zorneswort gegen sie wendet.

Trotz der ungeheuren Menge interessanter Einzelheiten, die W. in den bisher genannten Werken aufgespeichert hat, sind diese doch alle heute nahezu vergessen. Lebendig aber wie die immer neuen Auflagen und Ausgaben beweisen, hat sich sein „Demokritos“ (die Schreibung „Dymokritos“ soll auf einem Druckfehler beruhen) erhalten, ein Buch, das noch immerfort so Manchem in einer einsamer Stunde die Langeweile vertreibt und den Trübsinn verscheucht. W. hatte dieses Werk bald nach seinem Eintritte in seine Zurückgezogenheit [339] angefangen und daran, mit öfteren Unterbrechungen bis zu seinem Tode fortgearbeitet. In einem Briefe schreibt er darüber: „Ich emancipire demnächst noch meinen Erstgeborenen Dymokritos, bereits vor vielen Jahren in Schmerzen geboren und bis jetzt tüchtig gehobelt, so daß wenigstens das nonum prematur in annum dreifach beobachtet ist. Dieses Kind der Liebe ist kein frivoler Witzling, sondern ein recht wackerer Anthropolog in der weitesten Bedeutung, aber in humoristischer Manier“. Was ist es nun, was gerade diesem Werke eine so weite und andauernde Verbreitung verschafft hat? Nun, sowohl Form wie Inhalt. Den Hauptgegenstand sollte nach dem ursprünglichen Plane Weber’s das Lächerliche in Theorie und Praxis, in ästhetischer, litterarischer, sittlicher und religiöser Beziehung ausmachen; der Inhalt wurde aber dann immer mehr erweitert und umfaßte schließlich die verschiedensten mit dem Menschen zusammenhängenden Gegenstände. Eine Sammlung von Feuilletons im eigentlichsten Sinne dieses Begriffes bildet das Ganze. Geistreich, wenn auch oft gesucht, schwatzhaft, voll treffender Wahrheiten in heiterer Form, zeugt es von reicher Belesenheit seines Verfassers, dessen eigene Ansichten, der Aufklärungszeit entsprechend, in Religion und Politik einen gemäßigten Freisinn verrathend, mit oft stark frivolen, ja bis zur Zote gehenden Anekdoten, mit erfahrungsreicher Lebensweisheit und guten Lehren abwechseln. Dabei stehen die einzelnen Sätze und Gedanken oft unvermittelt, ohne directen Zusammenhang nebeneinander. Er sagt, was ihm gerade einfällt; es ist keine eigentliche logische Folge, kein Weiterführen der Gedanken vorhanden, mehr ein Springen von einem zum andern. Daher kann man auch bei jedem beliebigen Satze mit dem Lesen anfangen und aufhören ohne etwas zu vermissen, wenngleich die einzelnen, das Denken anregenden Aussprüche immer wieder zum Weiterlesen reizen werden. Bei alledem aber ist die Sprache fast überall einfach und klar und weist nur hie und da kleine grammatische oder stilistische Schnitzer auf. Jeder kann und wird das Buch immer wieder gern einmal zur Hand nehmen; kurzum es erfüllt trefflich den Zweck, den W. damit im Auge hatte und den er mit folgenden Worten kennzeichnet: „Wenn dieser mein Dymokrit denen, die nach mir kommen, ein Lächeln zu entlocken, oder eine trübe Stunde aufzuheitern vermag, so habe ich den Zoll entrichtet, den ich Büchern, die mein einziges häusliches Glück ausmachten, und ihren Verfassern, die längst vor mir dahin gegangen sind, schuldig zu sein glaubte“ (Theil 1, Cap. 40). – Eine Ausgabe seiner sämmtlichen Werke, sowol der schon veröffentlichten als der noch zurückgehaltenen, erschien (Stuttgart 1834–45) in 30 Bänden.

Eine ausführliche Lebensbeschreibung Weber’s enthält Bd. 1 seiner „Sämmtlichen Werke“; Ergänzungen dazu liefern viele Stellen der einzelnen Schriften, besonders die Einleitung zum Demokrit und die Reiseberichte aus Paris und Italien; vgl. ferner den „Neuen Nekrolog“ Bd. 10, S. 565–66 und 899–903 und Brockhaus’ „Zeitgenossen“ 1833, Nr. 33 und 34.