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ADB:Wermuth, Christian

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Artikel „Wermuth, Christian“ von Max Berbig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 43–45, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wermuth,_Christian&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 18:16 Uhr UTC)
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Wermuth: Christian W., hervorragender Medailleur des siebzehnten Jahrhunderts. Er wurde am 16. December 1661 in Altenburg geboren, wo sein Vater Hofgürtler war. Dieser siedelte aber 1669 nach Dresden über und widmete sich ganz der Münzschneidekunst. Sein Sohn Christian trat in seine Fußstapfen und wurde ein Schüler der berühmten Stempelschneider Ernst Kaspar Dürr und Pieler. Bereits im J. 1686 fand er Anstellung als Münzeisenschneider in Sondershausen, 1688 aber wurde er fürstl. sachsen-gothaischer Hofmedailleur. Durch seine sogenannte Kaisersuite, d. i. eine Reihe von 214 sehr schönen Medaillen auf sämmtliche Kaiser und deren Hauptthaten, die er in den Jahren 1694–1715 herstellte, erwarb er sich nicht nur großen Beifall, sondern erhielt auch 1699 das kaiserliche Privilegium, in seinem Hause ein Prägewerk zu halten und Münzen zu prägen. Nach dem Tode des berühmten preußischen Hofmedailleurs Faltz in Berlin im J. 1703 erhielt er einen Ruf, dessen Nachfolger zu werden, er schlug jedoch die Stelle aus, bekam aber durch die Gnade des Königs den Titel. Fortan nannte er sich „Kaiserlich privilegirter, auch Königlich Preußischer und Fürstlich Sachsen-Gothaischer Medailleur“. Es wird berichtet, „daß kein Potentat oder großer regierender Herr zu seiner Zeit gelebt, den er nicht mit seiner Kunst zu bedienen geflissen gewesen sei“. In Gotha rief er eine Stempelschneiderschule ins Leben, aus der eine große Zahl bedeutender Künstler hervorging, so Johann Christian Koch aus Großzerbst, Johann Christian Weber aus Wittenberg, später Arnstädtischer Medailleur und Reichsthalerzeichner; Johann Friedrich Hilken aus Nordhausen, später herzoglich schwerinscher Medailleur, Stephan Andreas Reinhardt aus Goslar, später herzoglich braunschweigischer Medailleur, Rudolf Philipp Wahl aus Clausthal, später sachsen-eisenachischer Medailleur, Jerem. [44] Balth. Wilhelmi aus Gotha, später Medailleur in Ilmenau und Joh. Heinrich Voigtländer von Bettmar, Wermuth’s Schwager, später Wappenschneider in Erfurt u. A. m. W. hatte sich am 25. September 1688 in Langelsheim unweit Goslar mit der Tochter des lüneburgischen Amtmanns in Bettmar, Elisabeth Juliane Voigtländer, vermählt, und dieser Ehe entsprossen neun Kinder, fünf Söhne und vier Töchter. Zwei Söhne und eine Tochter starben frühzeitig, zwei Töchter vermählten sich mit Doctoren in Gotha, drei Söhne und eine Tochter aber erwarben sich in der Kunst einen Ruf. Die Söhne Christian Siegmund, Friedrich Wilhelm und Heinrich Friedrich waren Stempelschneider wie der Vater und standen in kursächsischen Diensten, wo sich besonders der zuletzt genannte, Heinrich Friedrich, der Gunst des Hofes erfreute und als Inspector über die Münze in Dresden thätig war. Die älteste Tochter Wermuth’s, Maria Juliana, schnitt auch Stempel in Stahl, war aber besonders als Verfertigerin von Emailbildern berühmt. Sie wurde die Gattin des Secretärs Wachler in Gotha.

Die Zahl der in Wermuth’s Anstalt hergestellten Münzen und Medaillen beträgt weit über 1300. Ueber dieselben sind verschiedene ausführliche Kataloge vorhanden. Seine schönsten Stücke stammen aus den Jahren 1700–1707, sollen aber von Koch herrühren und nur Wermuth’s Namen tragen. Mit seinen Erzeugnissen bezog W. die Leipziger Messen und scheint sehr gute Geschäfte gemacht zu haben, denn man rühmte seinen Reichthum, den er zum Theil zur Anlegung einer werthvollen Münzsammlung, zum Theil zur Vergrößerung seiner ansehnlichen Bibliothek benutzte; auch besaß er in der Mönchelsstraße in Gotha ein stattliches Wohnhaus. Als Nebenbeschäftigung betrieb er den Verlag numismatischer Schriften; so erschien bei ihm „Tentzels Sächsisches Medaillen Cabinet“, dessen letzte Theile er nach Tentzel’s Tode auch selbst bearbeitete. Die Meinungen über Wermuth’s Persönlichkeit und Leistungen sind sehr getheilt. In der Vorrede zum 6. Theile seiner „Sammlung merkwürdiger Medaillen“ sagt Lochner: „Es ist aber Medaillen zu schneiden, an sich und allein, nicht das einzige Werk des Herrn W. gewesen: da er vielmehr noch daneben sich in vielen anderen zumal damit verwandten Wissenschaften ungemein habilitirt. Insonderheit war er in Kennung und Traktirung der Metalle, auch dem ganzen Münzwesen an sich vortrefflich, so daß er den vollkommensten Münzwardein hätte vorstellen können. In der Genealogie und Historia war er allenthalben zu Haus, und durchgehends hatte er eine sehr große Lektur. Er war auch in der philosophia universali ungemein bewandert und hatte eine schöne Wissenschaft von allerhand Medicin, dergleichen daher beständig auf Messen bei ihm anzutreffen war: wie er sich denn mit einem arcano, das podagra zu curieren, flattirte.“ Köhler dagegen fällt im 12. Bande, S. 34 seiner „Münzbelustigungen“ das folgende harte Urtheil über W.: „Die bei dem Schildsfuß stehenden Buchstaben C. W. zeigen den Namen des Medailleurs Christian Wermuth an; daher nicht zu verwundern, daß diese Medaille so monströs aussiehet, indem sie ihren vielen anderen Geschwistern nicht unähnlich sein kann. Es gereichet zu Teutschlands recht sonderbahrer Ehre, daß der sehr späte Tod endlich diesem aller ungeschicktesten Medailleure das Handwerk einmal gelegt hat, welcher diese vortreffliche Kunst die ganze Zeit seines Lebens so sehr mißbrauchet und Teutschland mit sehr übel ausgesonnenen und noch übler geschnittenen Medaillen, darunter sehr viele auch mit hoch verpönten Hohn- und Spottbildern angefüllet sind, zur Unehre der Teutschen Nation recht überschwemmt hat. Wofern sich nicht sowohl vor, als zu seiner Zeit, andere vortreffliche Meister in dieser edlen Kunst in unserem Vaterlande hervorgethan hätten, so würde dieser Schandfleck nicht [45] können vertilget werden: indem die auswärtigen scharfen Beurtheiler der Gebrechen der Teutschen Nation dahero Gelegenheit nehmen würden, mit dem größten Scheine der Wahrheit zu behaupten, daß die Teutschen zu Medaillen gar nicht aufgelegt wären und weder darzu gehörigen Verstand noch Kunst besäßen.“ Dieses Urtheil läßt sich jedoch durchaus nicht rechtfertigen.

Die Münze, die W. 1702 auf sich selbst mit seinem Brustbild im Avers prägte, ist mit drei verschiedenen Reversen vorhanden. Der eine trägt Wermuth’s Wappen. Es ist ein Schild in drei Felder getheilt, zur Rechten ein blaues, zur Linken ein weißes und unter diesen ein rothes Feld. Im blauen sieht man ein grünes Kleeblatt, im weißen den Merkur mit dem Schlangenstab. Das untere rothe Feld hat in der Mitte einen silbernen, darüber und darunter je einen blauen Balken. Auf dem verschlossenen silbernen Helme befindet sich zwischen zwei mit je drei Sternen besetzten Flügeln ein frischer Wermuthstrauch.

Eine eigenartige Liebhaberei Wermuth’s war das oben von Köhler angedeutete Prägen von satirischen Münzen, von denen man mehr als 100 Stück kennt. Oft beleidigte er damit, und besonders August der Starke zürnte ihm deshalb sehr. Wiederholt wurde er auch in langwierige Processe verwickelt, allein das focht ihn nicht an. Er war stolz darauf, durch solche Münzen die Wahrheit sagen zu können und änderte deshalb im höheren Alter seinen Namen mit Bezug darauf oft in Warmuth um. W. starb am 3. December 1739 im Alter von 78 Jahren in Gotha.

Vgl. Vorrede zum Hauptregister in Tentzel’s Sächsischem Medaillen-Cabinet. – Specifikation Wermuthischer Medaillen, 1713. – Blätter für Münzfreunde. Leipzig 1883, Nr. 109–112. – Nagler, Künstlerlexikon, Bd. 21, S. 299. – Lochner, Sammlung merkwürd. Medaillen, Bd. 6. – Köhler, Münzbelustigungen, Bd. 12.