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ADB:Werner (Markgraf der sächsischen Nordmark)

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Artikel „Werner, Markgraf der Nordmark“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 30–32, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werner_(Markgraf_der_s%C3%A4chsischen_Nordmark)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 04:52 Uhr UTC)
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Werner, Markgraf der Nordmark, † 1014, entstammte einem alten vornehmen Geschlechte Nordthüringens, dem der Grafen v. Walbeck, und war der Sohn des Markgrafen Lothar (s. A. D. B. XIX, 257); nach dem Vater seiner Mutter, der Lothringerin Godila, hatte er den Namen Werner erhalten. Schon früh traf Lothar seinetwegen eine Eheberedung mit dem Markgrafen Ekkehard von Meißen, der ihm für den genannten Sohn seine Tochter Liutgard in aller Form versprach. Später scheint letzterer, wol veranlaßt durch die hohe Gunst, in der er beim Kaiser stand, für die Tochter höhere Pläne gehegt zu haben; er [31] löste die Verlobung auf und zog sich dadurch den tödtlichen Haß der Walbecker zu. W. aber suchte mit Gewalt zu seinem Rechte zu kommen. Während Markgraf Ekkehard mit dem Kaiser in Italien und die Aebtissin Mathilde von Quedlinburg, der Liutgard zur Erziehung anvertraut war, auf einer Versammlung in Derenburg weilten, entführte er 998 mit Hülfe seiner Vettern Heinrich und Friedrich, aber wol ohne Wissen des Vaters, die ihm vorenthaltene Braut mit Gewalt aus den Mauern Quedlinburgs und brachte sie vor den nachsetzenden Verfolgern nach Walbeck in Sicherheit. Auf die Frage von Werner’s Vater und einem Vasallen Ekkehard’s erklärte Liutgard, daß sie bei ihrem Verlobten bleiben wollte. Die Fürsten aber setzten auf die Anfrage der Aebtissin einen Tag nach Magdeburg an, wo das Paar – sponsum cum contectali nennt sie Thietmar IV, 26 bezeichnend – seine Schuld bekennen oder verurtheilt werden sollte. Bußfertig und barfuß stellte sich W. hier ein, erbat und erhielt Verzeihung, indem er die Gemahlin zurückgab, die dann Mathilde, wol in guter Absicht für die Liebenden, wieder mit sich fort führte. Als dann Markgraf Ekkehard am 30. April 1002 gestorben war, kehrte Liutgard freiwillig zu ihrem Gatten zurück; im Januar 1003 scheint die Hochzeit gefeiert zu sein. Bald darauf, am 25. Januar 1003, starb Lothar auf einer Reise im Westen von Deutschland. Den Bemühungen seiner Wittwe Godila gelang es, daß König Heinrich II. die Lehen und die Verwaltung der Nordmark, wol schon während seines Aufenthalts in Sachsen um Ostern 1003, gegen Zahlung von 200 Mark Silber auf Lothar’s Sohn W. übertrug. Ein Widersacher von diesem war Dedo von Meißen, der sich mit Dietburg, einer Tochter jenes Markgrafen Dietrich (Grafen v. Haldensleben?) verheirathete, von dem 983 die Nordmark in den Besitz von Werner’s Vater Lothar übergegangen war. Schon im Juni 1009 hatte Dedo in Magdeburg den Kaiser gegen W. einzunehmen versucht. Doch waren die damals erhobenen Klagen nicht zur Entscheidung gekommen, da W. krank war und der Pfalzgraf Burchard deshalb die Hegung des Gerichtes verschoben hatte. Da griff man in der Weise der Zeit zur Selbsthülfe. Auf Dedo’s Anstiften wurde Wolmirstedt, ein Allod der Walbecker, niedergebrannt. Bald darauf lauerte W. bei dem Dorfe Mose unweit Wolmirstedt Dedo auf, überfiel und überwältigte ihn, obwol dieser ihm an Mannschaft weit überlegen war. Dedo selbst fand den Tod in dem Treffen, das wol am 13. November (9. Juli?) 1009 stattfand. Wegen dieser Gewaltthat wurde W. um Weihnachten desselben Jahres von dem Könige in Pöhlde der Nordmark entsetzt, die nun Bernhard, der Sohn jenes 983 abgesetzten Markgrafen Dietrich, erhielt. Mehrere Jahre darauf, am 13. November 1012, starb in Wolmirstedt Werner’s Gemahlin Liutgard, die vor ihrem Tode noch den ihr nahestehenden Vetter ihres Gemahls, den Bischof Thietmar von Merseburg, hatte rufen lassen, der ihr die letzte Oelung ertheilte. Hatte die fromme Frau noch einen besänftigenden Einfluß auf den ungestümen Gemahl ausüben können, so kam ein solcher jetzt gänzlich in Fortfall. Wol schon früher hatte er, der Markgrafschaft beraubt, Verbindungen mit dem Polenkönige Boleslaw angeknüpft, die jetzt so offenkundig wurden, daß König Heinrich, während er im Februar 1013 in Magdeburg verweilte, ihn vor sich fordern ließ. Er scheute sich der Ladung zu folgen. Es ward daher die Acht über ihn gesprochen, und seine Güter wurden als die eines Rebellen beschlagnahmt. Doch glückte es ihm, durch Opfer an Gut und Geld die Gnade des Königs und das Heimathsrecht zurück zu erlangen. Aber auch danach kam er nicht zur Ruhe. Nochmals versuchte er mit Gewalt eine Frau sich zu erringen. Es war Reinhilde, Herrin von Beichlingen, die er – ob im Einverständniß mit ihr, oder durch Andere getäuscht, muß dahin gestellt bleiben – trotz ihrem dem Könige gegebenen Versprechen, ohne seine Zustimmung keinen Gatten zu wählen, mit gewaffneter Hand [32] entführte. Das Wagniß ist schon geglückt, als der Hülfruf eines Gefährten ihn in die Burg zurückzieht. Er wird umzingelt und verwundet, leistet aber so mannhaften Widerstand, daß niemand ihn mehr anzugreifen wagt; doch muß er sein Pferd im Stich lassen, um durch einen kühnen Sprung von der Mauer die Freiheit zu gewinnen. Durch einen nachfallenden Stein schwer verletzt, erreicht er noch die Seinigen, die ihn bis Wiehe in das Haus eines königlichen Amtmanns bringen. Dieser meldet dem König den Vorfall, der sogleich drei Edle abschickt, die ihn vor seinen Richterstuhl nach Merseburg schaffen sollen. Da der Kranke den weiten Weg nicht mehr zurücklegen kann, so läßt ihn einer der Drei, der ihm befreundete Graf Wilhelm von Weimar, in ein festes Haus nach Allerstedt unweit Memleben schaffen, um ihn so am Entrinnen zu hindern und besonders vor seinen Feinden zu schützen. Der Spruch der Fürsten machte die Entscheidung der Sache von der Stellungnahme Reinhilde’s abhängig: sei die Entführung ohne ihren Willen geschehen, so habe W. sein Leben verwirkt, im anderen Falle aber sei es das Beste, daß er sie als Ehefrau heimführe. Ein Rechtstag war nach Alstedt schon angesetzt, doch es kam nicht mehr zum Austrage, da W. schon vorher, am 11. November 1014, seinen Wunden erlag. In allen Ehren wurde er zur Linken seiner Gattin in Walbeck beigesetzt, wo auch sein Großvater Lothar 986 die letzte Ruhe gefunden hatte. Jetzt ist dort von den Gräbern keine Spur mehr vorhanden. – Graf W. ist ein charakteristischer Vertreter der Tugenden und der Mängel des Ritterthums jener Zeit. Ohne höhere Ziele, die seinem Wesen einen festen Halt, seinem Leben würdige Aufgaben gesteckt hätten, verschwendete er nutzlos in Fehden und Abenteuern seine Kräfte. Zur Gewaltthat geneigt und stets gern bereit mit dem Schwerte dreinzuschlagen, den Freunden aber in der Noth ein treuer Freund, besaß er die Eigenschaften, die man von einem Ritter der Zeit forderte in so hohem Grade, daß auch der Kaiser und selbst der Sohn jenes Dedo, den er erschlug, seinen frühen Tod aufrichtig beklagten. Nachkommen hat er nicht hinterlassen.

Vgl. besonders die Chronik von Thietmar von Merseburg, dem Vetter Werner’s. – Meibom’s Walbeckische Chronik hg. von Abel (Helmstedt 1749). – v. Raumer’s Regesta historiae Brandenburgensis.Hirsch, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich II., Bd. I. u. II.