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ADB:Westphalen, Ferdinand von

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Artikel „Westphalen, Ferdinand Otto Wilhelm Henning von“ von Friedrich Thimme in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 221–226, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Westphalen,_Ferdinand_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:31 Uhr UTC)
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Westphalen: Ferdinand Otto Wilhelm Henning von W., preußischer Minister des Inneren in der Reactionszeit von 1850–58, wurde geboren zu Lübeck am 23. April 1799 als ältester Sohn des herzogl. braunschweig. Kammerraths, späteren preuß. Geh. Regierungsraths J. L. v. W. Sein Großvater väterlicherseits war Philipp v. W. (s. u. S. 228), der Geheimsecretär und Freund des aus dem Siebenjährigen Kriege bekannten Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg. Seine Schulbildung erhielt der frühzeitig eine ernste Richtung kundgebende Knabe auf dem Gymnasium zu Salzwedel, wo der Vater von 1809–13 westfälischer Unterpräfect war. Das Universitätstriennium absolvirte W. von 1816–19 auf den Universitäten Halle, Göttingen und Berlin. Von seinen Lehrern nennt er Hufeland, Heise, Eichhorn, Heeren und Savigny, unter deren Einfluß er ein entschiedener Anhänger der historischen Schule geworden sei. Im Sommer 1819 trat W. beim kgl. Stadtgericht zu Berlin als Auscultator in den Staatsdienst, vertauschte jedoch bald die Justiz mit der Verwaltung, wo er nach bestandener Prüfung für den höheren Verwaltungsdienst rasch Carrière machte. Von 1826–30 Landrath des Kreises Bitburg im Trierschen, trat er in letzterem Jahre als Regierungsrath bei der Erfurter Regierung ein, ward acht Jahre später Ober-Regierungsrath und Dirigent der Abtheilung des Inneren der Regierung zu Trier und 1843 Regierungs-Vicepräsident zu Liegnitz. Im folgenden Jahre in gleicher Eigenschaft nach Stettin versetzt kehrte er 1849 als Regierungspräsident nach Liegnitz zurück. Die Reconstruction des preußischen Ministeriums nach Graf Brandenburg’s Tod (Nov. 1850) sollte ihn auf einen höheren Schauplatz berufen. Bei Friedrich Wilhelm IV. war eben damals der Entschluß zur Reife gediehen, völlig mit dem „falschen Constitutionalismus“ und der Revolution zu brechen. Der bisherige [222] Minister des Inneren, Otto v. Manteuffel, der dann das Auswärtige nebst dem Präsidium übernahm, erschien dem Könige wegen seiner Antecedentien zur Durchführung dieser Aufgabe nicht geeignet, da er nach dessen eigenem Ausspruche das Land (durch die liberale Communalordnung vom 11. März 1850 etc.) selbst revolutionirt hatte. Auf W. scheint des Königs Augenmerk durch den erst zum Nachfolger Manteuffel’s ausersehenen Magdeburger Oberpräsidenten v. Witzleben gelenkt zu sein. Nachdem W. ein „Colloquium“ mit L. v. Gerlach, dem nächsten Vertrauten des Königs, über Communalordnung und Kammern vortrefflich bestanden hatte, erfolgte unter dem 19. December 1850 die Ernennung Westphalen’s zum Minister des Inneren; auch ward ihm interimistisch die Leitung des Ministeriums für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten übertragen. Der König fand den neuen Minister bei der ersten Audienz „so vortrefflich, wie er es gar nicht erwartet hätte“; er nannte ihn nebst Raumer als seinen Minister, dem er Kraft zutraue, und mit dem er immer vorgehen wolle. In der That hat unter allen Ministern der Reactionszeit keiner in dem Maaße im Geiste des Königs gehandelt als W. Als seine dringendste Aufgabe betrachtete er ganz im Sinne des Königs die Wiederherstellung der ständischen Monarchie. Der erste Schritt auf diesem Wege war ein Circularerlaß Westphalen’s vom 15. Mai 1851, welcher die alten Kreistage wieder berief. Wenige Tage später folgte das bedeutsame Rescript vom 28. Mai, welches den Beschluß Westphalen’s (nicht des Gesammtministeriums) verkündete, die 1848 aufgehobenen Provinzialstände zur einstweiligen Wahrnehmung der Befugnisse der Provinzialversammlungen von neuem zu berufen und zu bevollmächtigen. Den Angriffen, welche diese Maßregeln in beiden Kammern fanden, trat W. schriftlich (durch die Denkschrift vom 16. Januar 1852) und mündlich mit solchem Erfolge entgegen, daß hier wie dort über die von der Opposition eingebrachten Anträge jene Maßregeln für eine Verfassungsverletzung zu erklären, zur Tagesordnung übergegangen wurde.

Der weiteren Ausgestaltung der Provinzial- und Kreisstände stand die Communalordnung vom 11. März 1850, sowie die Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung vom selben Tage im Wege. Anfänglich trug W. Bedenken, erstere aufzuheben, was Gerlach zu der Aeußerung veranlaßte, W. habe mit der Revolution innerlich und gründlich noch nicht gebrochen. In der Sitzung der ersten Kammer vom 3. März 1851 sicherte W. die Ausführung der Communalordnung ausdrücklich zu. Bald überzeugte er sich aber, daß sie ein Hinderniß auf dem eingeschlagenen Wege sei. Schon im October 1851 sprach er die Absicht aus, die Gemeindeordnung nach den Vorschlägen der Provinziallandtage zu modificiren. Unter dem 19. Juni 1852 wurde die Fortführung der Communalordnung durch einen königlichen Erlaß sistirt. Mit Zustimmung der Kammern erfolgte dann durch zwei Gesetze vom 24. Mai 1853 die formelle Aufhebung des Art. 105 der Verfassung und der beiden auf demselben beruhenden Gesetze vom 11. März 1850 und die Wiederherstellung der alten Kreis- und Provinzialverfassungen, zu deren Fortbildung provinzielle Gesetze in Aussicht gestellt wurden. Letzterem Zwecke dienten die Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen (vom 30. Mai 1853), die Städte- und Landgemeindeordnung für Westfalen (19. März 1856), die Landgemeindeordnung für die sechs östlichen Provinzen (14. April 1856) und die Städteordnung für die Rheinprovinz (15. Mai 1856), die sämmtlich als Westphalen’s Werk anzusehen sind. Auch der Wiederherstellung der thatsächlich freilich nie aufgehobenen gutsherrlichen Polizeiverwaltung durch zwei Gesetze vom 14. April 1856 ist in diesem Zusammenhange zu gedenken.

Um aber bei der Umbildung der constitutionellen in eine ständische Monarchie [223] nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, durften Friedrich Wilhelm IV. und sein Minister sich nicht damit begnügen, den Constitutionalismus in der eben gedachten Weise „mit einer ständischen Grundlage zu unterbauen“; vielmehr kam es darauf an, gleichzeitig die constitutionelle Kammerorganisation, um einen Ausdruck Gerlach’s zu gebrauchen, „zu entconstitutionalisiren und ständisch zu machen“. Insbesondere lag dem Könige an einer durchgreifenden Reform der ersten Kammer. Hier trennten sich aber die Wege des Königs und seines Ministers. Während jener das Princip des alleinigen Ernennungsrechts der Krone aufstellte, wünschten W., Gerlach u. s. w. einen größeren Beisatz aus ständischen bezw. corporativen Wahlen hervorgegangener Mitglieder. Als Friedrich Wilhelm IV. sich zur Erreichung seiner Absichten in der Sitzungsperiode von 1851–52 mit der Linken gegen das Ministerium und die Rechte verband, reichte W. im März 1852 ein Abschiedsgesuch ein, das jedoch nicht genehmigt wurde. König und Ministerium vereinigten sich schließlich über einen Gesetzentwurf, der, indem er die Bildung der ersten Kammer einer „königlichen Anordnung“ vorbehielt, die Frage nach der Zusammensetzung derselben offen ließ. Diese Vorlage fiel indessen in der zweiten Kammer. Im folgenden Jahre zeigte sich die Kammer gefügiger, sodaß ein auf gleicher Grundlage beruhendes Gesetz (vom 7. Mai 1853) zu Stande kommen konnte. In Verfolg des letzteren erschien unter dem 12. October 1854 die Verordnung wegen Bildung der ersten Kammer oder des Herrenhauses, die, von W. nach den eigensten Directiven des Königs entworfen, ein Compromiß zwischen den Anschauungen Friedrich Wilhelm’s IV. und seines Ministers darstellt.

Die gleichfalls von W. und seinem königlichen Herrn angestrebte Reform der zweiten Kammer ist nicht zur Verwirklichung gediehen. Eine auf sechsjährige Legislaturperiode der zweiten Kammer, zweijährige Einberufung der Kammern und zweijährige Feststellung des Staatshaushalts gerichtete Vorlage der Regierung fand nicht die Genehmigung der Kammern. Ein neues, von W. wiederholt in Angriff genommenes Wahlgesetz für die zweite Kammer, das den Modus der Censuswahlen durch ständische Wahlen ersetzen sollte, scheiterte an dem Widerspruche Manteuffel’s, der den restaurirenden Bestrebungen nur widerwillig folgte und bald der erklärte Widersacher Westphalen’s war. Der Antagonismus zwischen dem Premier und dem Minister des Inneren ist von tiefgehender Bedeutung für unsere verfassungspolitischen Verhältnisse gewesen, hat er doch geradezu die heutige Verfassung gerettet! Bekanntlich wollte Friedrich Wilhelm IV. das Werk der Umbauung der constitutionellen in eine ständische Monarchie durch die Verwandlung der Verfassungsurkunde in einen königlichen Freibrief krönen. W. machte sich diesen Gedanken zu eigen und legte ihn einem Programm zu Grunde, das er dem Ministerium im Frühjahr 1852 mit den „weit umfassendsten Anträgen auf Veränderung, eigentlich auf Abschaffung der Constitution“ vorlegte. Manteuffel stellte diesem ein von Rino Quehl concipirtes Programm entgegen, das im wesentlichen auf Bestätigung des bestehenden Zustandes hinauslief. Als der König späterhin die damals vertagte Frage wieder aufgriff und die Minister durch eine Cabinetsordre aufforderte, Vorschläge wegen einer anderen Redaction der Verfassungsurkunde zu machen, fiel Westphalen’s Votum wiederum auf die Ersetzung derselben durch einen auf ganz neuer Grundlage beruhenden Freibrief aus, während Manteuffel nach wie vor von der gänzlichen Umgestaltung der Verfassung abstrahiren und nur nach praktischem Bedürfnisse einen Paragraphen nach dem anderen beseitigen wollte. Die eben zu der Zeit beginnende Krankheit des Königs hat es zu einer Entscheidung zwischen beiden Standpunkten nicht kommen lassen.

Die Gegnerschaft zwischen W. und Manteuffel griff gelegentlich der orientalischen [224] Krisis auch auf das Gebiet der äußeren Politik über. Als der letztere sich im Frühjahre 1854 mehr und mehr der Allianz mit den Westmächten zuneigte, reichte W. dem Könige im März ein gegen den Premier gerichtetes Promemoria ein, in dem er auf das entschiedenste zur ferneren Festhaltung der Neutralität rieth. Friedrich Wilhelm IV. dankte dem Verfasser in einem Handschreiben vom 11. März mit den Worten, sein Promemoria habe ihm das Herz warm gemacht in einem Moment, wo er oft so vieler Mattigkeit und Kälte begegne. An dem Sturze des der antirussischen Allianz offen zustrebenden Kriegsministers v. Bonin, dem W. in dem Conseil vom 15. März offen entgegentrat, und betreffs dessen er „Denunciation über Denunciation“ an Gerlach schickte, war W. wesentlich betheiligt, und noch in späten Lebenstagen hat dieser mit Genugthuung bei dem Gedanken verweilt, an der Erhaltung der Neutralität Preußens im sog. Krimkriege als einer Vorbedingung der späteren großen Erfolge dieser Macht zu seinem Theile mitgewirkt zu haben.

Um zu der inneren Politik zurückzukehren, so war Manteuffel keineswegs der einzige Gegner Westphalen’s. Unter seinen Collegen stand nur Raumer im großen und ganzen zu W., sowie der Nachfolger Bonin’s, v. Waldersee. Einen erbitterten Widersacher hatte W. an Quehl, dem Leiter des officiösen Preßbureaus, einer Creatur Manteuffel’s, und zeitweise auch an Hinkeldey, doch fanden die Differenzen mit letzterem ihre Erledigung mit der durch den König selbst bewirkten Ernennung Hinkeldey’s zum General-Polizeidirector. Als W. an die Beseitigung des Ablösungsgesetzes von 1850 heranging, versagten sich ihm sogar die Räthe des eigenen Ministeriums. „Je plains ce pauvre W.“, schrieb Gerlach im August 1853 in sein Tagebuch, „ce n’est que moi qui le protège“. Begreiflich die Klagen Westphalen’s, daß sein Wirken durch den Widerstand, den er in und außerhalb des Ministeriums finde, lahm gelegt werde. Daß W. trotzdem so viele Erfolge erzielt hat, verdankt er nächst der energischen Unterstützung General Gerlach’s den Kammern, deren überwiegende Mehrheit ihm in seinen reactionären Bestrebungen in dem Maße Vorschub leistete, daß Gerlach die Behauptung aufstellen konnte, die Kammern hätten der Regierung mehr aus der Revolution herausgeholfen als die Minister. Freilich hat wol kein preußischer Minister vor und nach W. die Wahlen in dem Maße beeinflußt wie dieser. Ging er doch soweit, die willkürliche Abgrenzung der Wahlbezirke als eine politisch gerechtfertigte Maxime officiell zu begründen. Mittelbar dienten dem Zwecke der Herbeiführung gefügiger Kammermehrheiten die schärfere Handhabung der Preßpolizei, eingeleitet durch das Gesetz vom 12. Mai 1851, das Vorgehen gegen mißliebige Zeitungen und Verleger im Verwaltungswege (Rescript Westphalen’s vom 2. Mai 1852), die schärfere Beaufsichtigung der Beamten (Disciplinargesetze vom 7. Mai 1851 und 21. Juli 1852) u. s. w. Der Maßregelung von Beamten wegen ihrer politischen Haltung im Abgeordnetenhause hat sich W. allerdings widersetzt; nur durch wiederholten Befehl des Königs konnte er vermocht werden, diesem Listen renitenter Beamten einzureichen.

An der Beeinflussung der Wahlen als einem Recht und einer Pflicht der Regierung hielt W. auch fest, als der Prinz von Preußen die Regierung für den erkrankten König in die Hände nahm. Dies führte alsbald zu Differenzen zwischen W. und dem Prinzen, infolge deren ersterer schriftlich und mündlich sein Abschiedsgesuch einreichte. Entscheidend für die Entlassung war die Stellungnahme Westphalen’s gegen die Einsetzung der Regentschaft anstatt der Stellvertretung. Ursprünglich von der Mehrzahl seiner Collegen unterstützt, stand W. in dieser Frage schließlich völlig allein. Unter solchen Umständen war seines Bleibens nicht mehr. Am Vorabend der Uebernahme der Regentschaft gab der [225] Prinz von Preußen in einem „überaus artigen“, die „Entschiedenheit und Offenheit“, mit der W. „seine Ansichten in den schriftlichen und mündlichen Discussionen gegen die eventuelle Einsetzung einer Regentschaft ausgesprochen“ habe, unumwunden anerkennenden Handschreiben demselben seine Entlassung kund. Die officielle Ordre, nach der W. den Rang und Titel eines Staatsministers behielt, ist vom 7. October datirt und von dem Prinzen noch „im allerhöchsten Auftrage Sr. Maj. des Königs“ unterzeichnet. Hierdurch widerlegt sich die weitverbreitete, auch von Sybel (II, 297) vertretene Anschauung, als ob die Entlassung Westphalen’s die erste Maßregel des Prinzen nach der Uebernahme der Regentschaft gewesen sei. Wie wenig der nachmalige König Wilhelm dem entlassenen Minister jene Differenzen nachtrug, beweist die Verleihung einer Domherrnstelle am Brandenburger Domstifte an W. im J. 1859. – W. wandte sich nach seiner Verabschiedung vorwiegend geschichtlichen Arbeiten zu, indem er das nachgelassene Manuscript seines Großvaters über die Feldzüge des Herzogs Ferdinand von Braunschweig der Oeffentlichkeit übergab. Da dasselbe nur die Feldzüge der Jahre 1757 und 1758 umfaßte, so schritt W. demnächst zu einer großen Urkundensammlung aus dem Nachlasse seines Großvaters und dem Kriegsarchiv des Herzogs Ferdinand, welches die Feldzüge des Herzogs in den Jahren 1759–62 in sich begreift. Dieses aus einer fast zehnjährigen Arbeit hervorgegangene Nachtragswerk ward im J. 1869 vollendet. Neben diesen geschichtlichen Arbeiten widmete W. seine Thätigkeit in umfassendem Maße christlichen Vereinen und Anstalten. Erst seine wankenden Gesundheitsumstände zwangen ihn, sich aus diesem Arbeitskreise zurückzuziehen. Am 2. Juli 1876 starb er im Alter von 77 Jahren. Seine Gattin Luise Chassot v. Florencourt und eine Tochter waren ihm in den Tod vorangegangen; die übrigen Kinder, Ferdinand, Regierungsassessor a. D. und Luise, leben gegenwärtig in Berlin.

Ein großer Staatsmann ist W. nicht gewesen, am allerwenigsten ein Staatsmann von schöpferischer Initiative. Seine Bedeutung beruht darin, daß er sich die Ideen Friedrich Wilhelm’s IV. aneignete und sie so viel als möglich in Wirklichkeit überführte. Das Grundprincip seines Handelns war unzweifelhaft sein christlich-monarchischer Standpunkt, nicht aber, wie ihm wol untergeschoben ist, die Tendenz, ein Adelsregiment aufzurichten. Wie sein königlicher Gebieter, so ist auch W. in seinem Wirken und Streben vielfach verkannt worden. Die abfällige Meinung seiner Gegner hat einen Niederschlag in Th. v. Bernhardi’s Erinnerungen gefunden, der so weit geht, Westphalen’s durchaus loyales Auftreten gegen die Einsetzung der Regentschaft als mit unlautern Mitteln kämpfende Intrigue zu deuten. Gegen letztern Vorwurf hat schon der damalige preußische Gesandte in Baden, v. Savigny, im Gespräch mit Bernhardi W. auf das nachdrücklichste als einen Menschen von vollständiger Redlichkeit, der vollkommen consequent seinen Ueberzeugungen treu geblieben sei, in Schutz genommen. Auch das bereits erwähnte Handschreiben des Prinzen von Preußen vom 6. October 1858 erkennt wiederholt „die Offenheit und Gradheit“, mit welcher W. stets seine Ueberzeugung in seiner langen Dienstzeit auszusprechen gewohnt gewesen sei, an. Bei L. v. Gerlach vollends, dessen Denkwürdigkeiten erst die Möglichkeit einer eingehenden und unbefangenen Würdigung Westphalen’s gewähren, erscheint W. nur als der „gute“, der „ehrliche“ W., als ein Mann von „rührender Gutmüthigkeit“ und vollkommener Ueberzeugungstreue. Kurz und treffend charakterisirt O. Meding in seinen kürzlich erschienenen Erinnerungen W. als „persönlich hochehrenwerth, aber politisch völlig retrograde“.

Mittheilungen d. Hrn. Regierungsassessors a. D. F. v. Westphalen in Berlin. – Selbstbiographie Westphalen’s in H. Wagener’s Staats- u. Gesellschaftslexikon XXII. – Zahlreiche Stellen in den Denkwürdigkeiten L. v. [226] Gerlach’s und Th. v. Bernhardi’s, sowie in dem Briefwechsel Gerlach’s mit Bismarck. – Nachruf in der Kreuzzeitung, J. 1876, Nr. 154 und in dem Wochenblatt d. Johanniterordens d. Ballei Brandenburg, J. 1876, Nr. 33. – H. Wagener, Die Politik Friedrich Wilhelm’s IV. (1883). – O. Meding, Erinnerungen a. d. Zeit d. Gährung u. Klärung (1896). – Ernst Herzog von Coburg-Gotha, Erinnerungen II. – Sybel, Begründung des Deutschen Reiches II. – Verhandlungen der ersten und zweiten Kammer 1851–58. – Rönne, Staatsrecht der preußischen Monarchie.