ADB:Wiebeking, Carl Friedrich von
*): Karl Friedrich von W., Hydrotechniker, Architekt und Geograph, geboren am 25. Juli 1762 zu Wollin, † am 28. Mai 1842 zu München. Die spärlich vorhandenen biographischen Berichte gehen über die Jugendjahre dieses bedeutenden Mannes sehr kurz hinweg, so daß es nicht ganz klar ersichtlich ist, wie er aus seiner pommerschen Heimath an den Rhein kam, und wie er sich die Ausbildung in den Ingenieurwissenschaften verschaffte, die damals noch nicht so leicht zu erlangen war. Von 1788–1790 wirkte er in Düsseldorf als Wasserbaumeister des Großherzogthums Berg, um sodann als großherzoglich hessischer Steuerrath nach Darmstadt überzusiedeln, wo man ihm insbesondere die Inspection über die Rheincorrection anvertraute. Nur drei Jahre war er sodann als k. k. Hofrath für Bauangelegenheiten in Wien thätig, und 1805 wurde er nach München berufen, um als Geh. Finanzreferendar an die Spitze der Generaldirection des gesammten bairischen Wasser-, Brücken- und Straßenbauwesens zu treten. Im J. 1818 trat er in den Ruhestand, setzte aber seine ausgebreitete litterarische Thätigkeit bis unmittelbar vor seinem Tode fort.
WiebekingDer Schwerpunkt seines Wirkens lag unzweifelhaft auf dem Gebiete des Wasserbaues, wenn auch die Gegenwart die Ergebnisse dieser Leistungen nicht immer als solche anerkennen kann, die sich dauernden Bestand in der Wissenschaft erwarben. Namentlich die deutschen Wasserbauingenieure gingen zu sehr eigene Wege, ohne die in Frankreich bereits gewonnenen Errungenschaften so zu berücksichtigen, wie diese es verdient hätten. Dies hindert nicht, daß in einzelnen Fällen die Flußregulirung zu sehr guten Erfolgen führte, und W. [660] insbesondere verlangte die Schaffung hydrotechnischer staatlicher Versuchsanstalten; erst in neuester Zeit ist dieser richtige Gedanke der Verwirklichung näher gebracht worden. In Betracht kommen die folgenden Veröffentlichungen: „Beiträge zum praktischen Wasserbau und zur Maschinenlehre“ (Düsseldorf 1792); „Vorschläge zur Verbesserung des Wasserbaus“ (Darmstadt 1796); „Theoretisch-praktische Wasserbaukunde“ (5 Bände, München 1798–1805; 2. Aufl. 1811 bis 1817); „Abhandlung über die Maßregeln, welche zum Schutze der Stadt St. Petersburg gegen Ueberschwemmungen und zur Anlage von zwo großen Häfen anzuwenden sind“ (deutsch und französisch, St. Petersburg 1833). In diese letztere Kategorie gehören auch Gutachten über die Verbesserung der Hafenverhältnisse von Venedig, Triest, Nieuwendiep (Holland) und Lindau i. B.; als für letztere Stadt 1812 ein neuer – seitdem allerdings gewaltig erweiterter – Hafen angelegt wurde, war W. vorzugsweise betheiligt. So hat er auch die erste größere Isarcorrection in Münchens Nähe durchgeführt. Noch im hohen Alter faßte er seine Ansichten und Erfahrungen in einer selbständigen Schrift zusammen: „Von der Natur und den Eigenschaften der Flüsse“ (Stuttgart 1834).
W. erlebte noch die Zeit, in der König Ludwig I. seine ganze Energie an die Herstellung des seinen Namen tragenden Canales setzte. Das Project fand Wiebeking’s Billigung nicht; er polemisirte gegen den die künstlichen Wasserstraßen befürwortenden Ingenieur v. Pechmann und ließ sogar eine stark verneinende Gegenschrift vom Stapel („Beweis, daß der 1832 auf Staatskosten bekannt gemachte Entwurf zu einem Canal zwischen Donau und Mayn nie zur Ausführung gelangen könne“, München 1834). Ging auch diese Behauptung zu weit, so war doch das Gefühl, dem W. so starken Ausdruck gab, ein richtiges, denn mit den gerade jetzt ihr Recht fordernden Eisenstraßen konnte der Wasserweg die Concurrenz nicht aufnehmen, und für erstere hatte sich der klar blickende Mann schon sehr frühzeitig ausgesprochen („Exposé des travaux de Thomas Telford, ingénieur civil“, München 1802). Bei seinem Landesherrn wird er sich durch sein entschiedenes Auftreten gerade keinen Stein ins Brett gesetzt haben, während er sich vorher dessen philhellenischen Neigungen durch Rathschläge für das Bauwesen des jungen Königreiches Griechenland empfohlen haben mochte. Den Eisenbahnen ist Wiebeking’s zeitlich letzte Publication gewidmet („Supplément à la description de la construction des chemins de fer“, München 1840).
Auch Straßen- und Brückenbau fanden bei W. eifrige Pflege, und es ist großentheils sein Werk, daß das Königreich Baiern früher als andere deutsche Staaten ein gutes Landstraßennetz erhielt; die von ihm erbauten Brücken haben allerdings nicht immer die schwere Probe bestanden, auf welche sie von den aus dem Hochgebirge kommenden Strömen gestellt wurden. In Betracht kommen hier die nachstehend verzeichneten Schriften: „Theoretisch-praktische Straßenbaukunde“ (Sulzbach 1808); „Beiträge zur Wasser-, Brücken- und Straßenbaukunde“ (Mannheim 1809); „Beiträge zur Brückenbaukunde“ (Tübingen 1809; 2. Auflage 1812); „Ueber Erfindung wohlfeiler und dauerhafter Brücken“ (s. l. et a.); „Ueber das Staatsbauwesen im Königreiche Bayern“ (München 1831); „Mémoires sur des ponts suspendus en chaines de fer“ (München 1832). Die Kettenbrücken waren damals in Deutschland noch etwas neues, und die Anregung, sie auch auf deutschem Boden heimisch zu machen, hatte W. durch den oben erwähnten Schotten Telford, den Erbauer der Hängebrücke über die Menai-Straße, empfangen.
Auch als Civilarchitekt hat er sehr viel gearbeitet, und zwar beschäftigte er sich nicht nur mit der Baukunst als solcher, sondern auch mit ihrer Geschichte. [661] Umfassende Compendien rühren von ihm her: „Theoretisch-praktische bürgerliche Baukunde“ (4 Bände, München 1821–1825); „Kurzgefaßte Erläuterungen und Grundsätze der Civil-Architectur“ (München 1824). Eine Sonderstellung nimmt ein: „Ueber den Einfluß der Bauwissenschaften für das allgemeine Wohl“ (München 1816–1819); es sind dies vier Reden, welche in der Akademie der Wissenschaften gehalten worden waren. Der Kunstgeschichte gehören an: „Die Cathedralen von Rheims und York nebst genauen Grundrissen und Ansichten“ (deutsch und französisch, München 1825); „Von dem Einfluß, den die Untersuchung und beurtheilende Beschreibung der Baudenkmahle des Alterthums, des Mittelalters und der neueren Zeit auf die Erforschungen im Gebiete der Geschichte haben“ (München 1834). Man ersieht schon aus diesem Buchtitel, daß der Verfasser sich lebhaft für historische Dinge interessirte, was auch anderweit bestätigt wird („Beiträge zur churpfälzischen Staatengeschichte“, Mannheim 1792).
Der Kartographie wurde von W. sehr viel Fleiß zugewendet. Ein aus 35 Karten mit französischem Begleittexte bestehender Atlas des schiffbaren Rheinstromes dient gleichmäßig den Zwecken der Wasserbau- und Erdkunde. Topographische Karten der beiden Großherzogthümer Mecklenburg, die er zeichnete, gab Graf Schmettau 1795 heraus, und auch eine Küstenaufnahme Hinterpommerns wurde von ihm gemacht. Andere große Karten, die er vom Großherzogthum Sachsen-Weimar und von den Netze-Districten unter seiner Leitung anfertigen ließ, scheinen der großen Oeffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden zu sein. Seine für den Rastatter Congreß angefertigte Denkschrift („Mémoire sur la frontière de l’Allemagne et de la France, par le Thalweg du Rhin“) wurde den dortigen Verhandlungen zu Grunde gelegt. Endlich hat er noch mit 75 Jahren eine Karte der Pontinischen Sümpfe, zugleich mit Vorschlägen für deren Austrocknung (München 1837) herausgegeben.
Daß ein Mann von Wiebeking’s Stellung Ehren und Würden in Menge erhielt, läßt sich leicht denken. In der Einleitung zu dem unten genannten Schriftchen erstattet er selbst über seine Auszeichnungen Bericht.
- A. v. Schaden, Gelehrtes München im J. 1834. München 1834. – Poggendorff, Biographisch-litterarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften. 2. Bd., Leipzig 1863, Sp. 1316. – Kreuter, Die wissenschaftlichen Bestrebungen auf dem Gebiete des Wasserbaues und ihre Erfolge. München 1909 (Jahresbericht der Kgl. Technischen Hochschule). – v. Wiebeking, Literarische Anzeige von den hier bezeichneten Schriften und Karten des königlich bayerischen wirklichen Geheimenraths Ritter v. W. München 1837.
[659] *) Zu S. 63.