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ADB:Wilhelm (Graf von Schaumburg-Lippe)

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Artikel „Wilhelm, Graf von Schaumburg-Lippe“ von Rudolf Falkmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 202–203, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_(Graf_von_Schaumburg-Lippe)&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 09:34 Uhr UTC)
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Wilhelm, Graf von Schaumburg-Lippe, wurde geboren am 24.Januar 1724 in London, wo sein Vater Albrecht Wolfgang mit seiner Gemahlin geb. Gräfin von Oeynhausen sich derzeit aufhielt. Dort erhielt er seine erste Erziehung und wurde zu seiner weitern Ausbildung auf Reisen geschickt. In Genf, Montpellier, Leyden beschäftigte er sich viel mit Mathematik und Kriegswissenschaft, kehrte dann nach England zurück und begleitete seinen Vater, General der holländischen Truppen, nach den Niederlanden. Schon 1743 nahm er an der Schlacht gegen die Franzosen bei Dettingen (österr. Erbfolgekrieg) theil, suchte nach neuen Kriegsabenteuern in Italien unter dem Fürsten Lobkowitz und nahm dann seinen Aufenthalt in Wien. Ueberall zeichnete er sich aus durch seine Meisterschaft in ritterlichen Uebungen, durch seine Begierde nach Gefahren und Abenteuern, durch Muth und Tollkühnheit, verband aber mit diesem Cavalierleben strenge Sittlichkeit, Ehrenhaftigkeit des Charakters und Verachtung des Luxus. Im J. 1748 zur Regierung seines kleinen Landes berufen, begann er dort mit rücksichtsloser Strenge Reformen in der Landesverwaltung und dem luxuriösen sittenlosen Hofleben. Demnächst finden wir ihn wieder mehrere Jahre lang auf Reisen, immer darauf bedacht, neben reicher Geistesbildung militärische Kenntnisse zu sammeln. Nach Bückeburg zurückgekehrt beschäftigte er sich eifrig mit der Errichtung eines neuen Militärsystems als Muster für größere Staaten, führte in seinem Ländchen allgemeine Wehrpflicht ein und suchte seine Soldaten, darunter ein Artilleriecorps von 300 Mann, zur höchsten militärischen Tüchtigkeit auszubilden, von der sie im 7jähr. Kriege öfter Proben abgelegt haben. Während dieses Krieges nahm er als hannoverischer Feldzeugmeister an zahlreichen Operationen theil, insbesondere an den Schlachten bei Crefeld, Minden, Lutterberg, Wellinghausen, an der Belagerung von Münster, Kassel, Wesel, Marburg, und erwarb sich vorzugsweise durch geschickte Leitung der Artillerie bei Minden (1759) und die unter den schwierigsten Verhältnissen durchgeführte Eroberung von Münster neue Lorbeeren; nur die Belagerung von Kassel mißlang. Als im J. 1762 der Krieg zwischen Portugal und dem mit Frankreich verbündeten Spanien ausbrach, trat er auf den Wunsch des Königs von England und des Ministers Pombal als Generalissimus an die Spitze des portugiesischen Heeres und eines englischen Hülfscorps. In diesem Kriege gelang es ihm nicht nur, durch vorsichtige Operationen die große spanische Invasionsarmee zum Rückzuge zu nöthigen, ein Feldzug, über welchen er später Memoiren schrieb, sondern er erwarb sich ein noch größeres Verdienst um Portugal dadurch, daß er das dortige höchst mangelhafte Militärwesen gründlich organisirte, brauchbare Soldaten und Officiere heranbildete, die Festungen in Vertheidigungsstand setzte u. s. w. Wiewol der König und Minister Pombal seine Verdienste hochschätzten und ihn zu halten suchten, wurde er doch durch Hofintriguen veranlaßt, seinen Abschied zu nehmen. Aber auch nach seiner Abreise diente er der portugiesischen Regierung noch fortwährend als einflußreicher Rathgeber in Militärangelegenheiten und schickte Officiere aus seiner Militärschule dahin. Mit Ehrenbezeugungen überhäuft kehrte er 1764 nach Bückeburg zurück, verheirathete sich im folgenden Jahre mit Marie Eleonore Gräfin von Lippe-Biesterfeld und widmete sich von nun an ganz der Regierung seines Landes. Auch hier trat der schöpferische Geist organisirend auf allen Gebieten auf, suchte Wohlstand, Bildung und Sittlichkeit bei seinen Unterthanen zu verbreiten, förderte Ackerbau und Industrie, Schulen und Armenanstalten. Schon in seiner Jugend Freimaurer bekämpfte er Unwissenheit und Aberglauben, verband mit dem Streben nach Aufklärung tiefe Religiosität. Im Vordergrunde stand ihm stets die Pflege des Militärwesens, besonders der Artillerie, des Minen- und Festungsbaus. Er legte zu Bückeburg eine Stückgießerei an, welche Geschütze für England, [203] Portugal etc. lieferte, erbaute selbst eine kleine Musterfestung, den „Wilhelmstein“ im Steinhuder Meere (vollendet 1764) und errichtete eine vortreffliche Kriegsschule, in welcher tüchtige Officiere, z. B. Scharnhorst, gebildet wurden. Scharnhorst zollt den Militäranstalten des Grafen und seinem Werke L’art de la guerre défensive (nur in wenigen Exemplaren gedruckt) hohes Lob (Schlözer’s Briefwechsel); ja er hat später die Organisation der preußischen Landwehr auf die Ideen seines Lehrers gebaut. Mit seinem eminenten Militärgenie verband W. auch Sinn für Kunst und Wissenschaften, trieb selbst Musik und Zeichenkunst, sprach fünf neuere Sprachen und liebte den Umgang mit Gelehrten. So berief er an seinen Hof den Musiker Chr. Fr. Bach als Capellmeister, den jungen Thomas Abbt, Professor an der Universität Rinteln, der ihm ein vertrauter Freund wurde, und nach dessen frühem Tode Herder als Hofprediger (1771–76), verkehrte auch mit Moses Mendelssohn. W. zeichnete sich stets durch große Uneigennützigkeit aus, nahm auch von England und Portugal niemals Besoldung an, er war ernst, schweigsam und bescheiden, stets furchtlos und tapfer, ein durchaus selbständiger Charakter, originell, excentrisch und abenteuerlich. Während seiner überaus glücklichen Ehe (1765–76) entwickelten sich die zarteren Regungen seines Herzens. Mendelssohn schrieb ihm eine warme Lobrede, nennt ihn „die feinste griechische Seele in einem rauhen westfälischen Körper“; er habe „strengen Ernst von Außen mit weichmüthiger Menschenliebe im Herzen verbunden“ und seine schöne und sanftmüthige Gemahlin „mit fast romanhafter Zärtlichkeit“ geliebt. Durch den frühen Tod der einzigen Tochter und seiner Gemahlin wurde auch sein Leben verkürzt. Er starb am 10. Septbr. 1777 kinderlos und die Landesregierung ging an die Nebenlinie Lippe-Alverdissen über. Er fand seine Ruhestätte neben seiner Gemahlin in der bei dem Jagdschlosse Zum Baum von ihm erbauten waldumgebenen Gruft.

Denkwürdigkeiten des Gr. Wilhelm von Schaumb.-L. 1783. – Varnhagen, Leben des Gr. Wilhelm etc.