ADB:Wilhelm II. (Herzog von Braunschweig-Lüneburg)

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Artikel „Wilhelm II. (Herzog von Braunschweig-Lüneburg)“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 738–741, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_II._(Herzog_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:01 Uhr UTC)
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Wilhelm der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Sohn Wilhelm’s d. Ae. und seiner ersten Gemahlin Cäcilie, Tochter Kurfürst Friedrich’s I. von Brandenburg, wurde um das Jahr 1425 geboren. Von Ereignissen, die in die Lebenszeit seines Vaters fielen – über die man sonst das bei diesem Gesagte vergleiche – ist hier noch nachzutragen, daß er sich mit Elisabeth, der Tochter Graf Botho’s VII. von Stolberg, 1442 verlobte und vor dem 7. Mai 1444 verheirathete. Ferner die Fehde mit der Stadt Einbeck. Als W. mit hessischen Hülfstruppen gegen Hildesheim oder die Grubenhagener Herzöge an Einbeck vorüberzog, ohne daß er gegen die Stadt feindliche Absichten gehabt zu haben scheint, wurde er von deren Bürgern angegriffen; diese erlitten aber unweit ihrer Stadt bei Tackmann’s Graben am 12. Mai 1479 eine vollständige Niederlage; die zahlreichen Gefangenen, die bei dieser Gelegenheit gemacht wurden, kamen erst im December des Jahres gegen ein hohes Lösegeld frei. Nach des Vaters Tode († am 25. Juli 1482) drang der jüngere Sohn, Friedrich, auf eine Landestheilung, obwol die Vornahme einer solchen durchaus [739] nicht in der Absicht des Vaters gelegen hatte. Diese gestand W. denn auch nicht zu, aber man einigte sich schließlich auf eine sogenannte Mutschirung, die in dem Vertrage vom 1. August 1483 festgesetzt wurde. Danach blieben die Landeshoheit und die vornehmsten Regalien gemeinschaftlicher Besitz, aber die Nutzungen aus den Aemtern und fürstlichen Häusern wurden getheilt. Friedrich erhielt als Hauptschloß den Calenberg, W. Neustadt am Rübenberge (so wird doch wol das „Rovenberg“ der Urkunde gedeutet werden müssen), und dazu ein jeder gewisse Städte, Schlösser und Aemter aus den calenbergischen, homburgischen, göttingischen und wolfenbüttelschen Landesdistricten theils halb, theils ganz zugetheilt. Doch waren diese Bestimmungen nur von kurzer Dauer. Als es zwischen dem Bischofe Berthold und der Stadt Hildesheim wegen der Steuern, die jener zur Tilgung der Schulden seiner Vorgänger von den Bürgern erheben wollte, zu ernstlichen Zerwürfnissen kam, schloß W. mit dem Bischofe ein Bündniß, während Friedrich sich von Seiten der Stadt gewinnen ließ. Ein Bruderkrieg schien unvermeidlich, als plötzlich am 10. Decbr. 1484 W. seinen Bruder auf dem Calenberge überfiel und gefangen erst nach Gandersheim, dann nach Hardegsen und schließlich nach Münden fortführte. Er ließ auf dem Calenberge Heinrich von Hardenberg zurück, der dort Friedrich’s Gemahlin, Margarethe geborene Gräfin von Rittberg, die dieser in zweiter Ehe erst am 16. November 1483 heimgeführt hatte, bewachen mußte. W. begründete die Gefangenhaltung seines Bruders mit dessen Geistesschwäche, „nach deme“, sagte er später, „syne leve mit swarer krankheit beladen, und wy syner leve natürlike vormünder syn“. Thatsache ist, daß Friedrich aus Geldern, wohin er 1477 zur Verwaltung des Landes berufen worden war, 1479 wegen einer Schwachheit des Kopfes, die ihn zu weiterer Regierung untüchtig machte, in sein Land zurückgebracht worden war. Später sehen wir ihn allerdings Regierungshandlungen vornehmen, ja den Bruder selbst einen Vertrag mit ihm abschließen. Ob dann das alte Uebel wirklich wieder bei ihm ausbrach und die Maßregel des Bruders berechtigte, oder ob jene Behauptung diesem nur einen bequemen Vorwand für sein Einschreiten bot, müssen wir dahingestellt sein lassen. Die Feindseligkeiten gegen Hildesheim gingen weiter. Der Herzog verlegte der Stadt die Straßen und schnitt sie, so viel er konnte, von allem Verkehre ab. Am 21. Februar 1485 erklärte die Stadt dem Herzoge und dem Bischofe den Krieg. Sie gewann einen Bundesgenossen in dem Grafen Johann von Rittberg, dem Schwager des gefangenen Herzogs Friedrich, der aber von Heinrich, Wilhelm’s jugendlichem Sohne, am 29. Juni 1485 bei Gehrden am Deister vollständig geschlagen und gefangen genommen wurde. Wirksame Hülfe leisteten der Stadt Hildesheim die befreundeten Städte, indem sie vor allem für die Verproviantirung der Bürgerschaft sorgten. Am 13. August 1485 kam dann zu ihren Gunsten ein großes Bündniß zu Stande, das von den Bischöfen von Osnabrück, Paderborn und Minden, den Grafen von Schaumburg und Hoya, den Edelherrn Bernhard zur Lippe und Rudolf von Diepholz, sowie von den Städten Goslar, Magdeburg, Braunschweig, Lüneburg, Hildesheim, Göttingen, Stendal und Hannover abgeschlossen wurde. Man eroberte und zerstörte am 23. September Sarstedt. Im folgenden Jahre wüthete der Krieg weiter; die Goslarer eroberten die Harzburg. Endlich wurde durch den Herzog Boguslaw von Pommern am 29. August 1486 zwischen den Fürsten ein Frieden vermittelt, nach dem u. a. der Graf von Rittberg gegen ein Lösegeld von 1400 Goldgulden frei gelassen, und der Gemahlin Friedrich’s das Schloß Seesen als Leibzucht verschrieben wurde. Erst Ende des Jahres (20. December 1486) kam mit den Städten eine Einigung zu Stande. W. versprach, er wolle seinen Bruder „na rade siner prälaten, rede, manschop und stede siner Lande holden, wy geborlik is“. Die Ansprüche Goslars auf die Harzburg soll [740] Herzog Albrecht von Sachsen entscheiden, der die Burg 1488 den Herzögen zusprach. Herzog Friedrich blieb in Haft bis zu seinem Tode, der am 5. März 1495 erfolgte. Er ist in Münden begraben worden. Seine Wittwe bekam nun Königslutter als Leibzucht angewiesen, später scheint sie Gandersheim und zuletzt Poppenburg besessen zu haben; sie lebte noch im J. 1519, wo ihr Luther bekanntlich seinen Sermon von der Buße widmete.

Die einzige Erwerbung, die W. während seiner Regierung gemacht hat, war die Stadt Helmstedt. Ueber diese besaßen die Landeshoheit die Aebte von Werden, die zugleich auch die Aebte des von dort aus gegründeten Ludgeriklosters bei Helmstedt waren. Die aufstrebende Stadt ertrug die geistliche Herrschaft ungern, und es kam daher wiederholt zwischen ihr und dem Abte zu Zwistigkeiten, die schließlich diesen veranlaßten, den unbequemen Besitz aufzugeben. Abt Anton bot die Stadt dem Bischofe von Halberstadt an; aber dieser lehnte sie ab. Darauf dem Herzoge W., der auf seinen Vorschlag einging. Es wurde zwischen beiden am 26. Mai 1490 ein Vertrag geschlossen, nach dem der Herzog die Stadt und alle weltlichen Lehen der Abtei im Sachsenlande als erbliches Mannlehen erhielt; nur das Kloster Ludgeri, das reichsunmittelbar blieb, war mit seinen Gütern und Gerechtsamen von diesem Abkommen ausgeschlossen. Allmählich wurde W. seines Herrscheramtes immer mehr müde. Schon im Anfange des Jahres 1487 schied er seine Söhne Heinrich und Erich aus seiner Haushaltung aus und trat ihnen das Land zwischen Deister und Leine ab, das sie gemeinsam verwalten sollten. Am 22. Juni 1491 gab er ihnen dann auch noch das Land Braunschweig und die Herrschaften Everstein und Homburg. Er behielt sich hier nur den Hof in der Stadt Braunschweig, das Kloster Amelunxborn und die Obrigkeit über die Homburg vor und beschränkte sich im übrigen auf das Land Göttingen, von dem er auch noch einzelne Stücke an seine Söhne abtrat. Diese mußten ihm zur Einlösung verpfändeter Schlösser im Göttingenschen die Summe von 14 000 Gulden und jährlich „to büdelgelde“ 1000 Gulden zahlen und einige andere Verpflichtungen übernehmen. Da Erich meistens außer Landes war, so hat die eigentliche Landesverwaltung in den abgetretenen Gebieten Herzog Heinrich geführt, und es scheint, als wenn er hier als der alleinige Herr betrachtet worden wäre. So erklärt es sich wol, daß W. am 15. März 1495 an seinen Sohn Erich das Land Göttingen abtrat, indem er sich selbst nur für seine Person eine bestimmte Summe zum Lebensunterhalte ausbedang. Um dann aber für die Zukunft allen Zweifel und Zwist zwischen den Brüdern nach Möglichkeit auszuschließen, ordnete er noch am 2. Mai d. J. in Gandersheim eine förmliche Erbtheilung an. Heinrich fiel die Theilung, Erich die Wahl zu. Dieser entschied sich für den Theil, der im wesentlichen die Fürstenthümer Calenberg und Göttingen umfaßte, während Heinrich dann das Fürstenthum Wolfenbüttel bekam. Die Verpflichtungen gegen den Vater scheint Erich sehr lässig erfüllt zu haben; 1498 mußte Heinrich gar einen Streit zwischen den beiden vergleichen. Fern von weltlichen Geschäften verlebte W. die letzten Jahre in stiller Beschaulichkeit; er ist am 7. Juli 1503 auf der Burg Hardegsen gestorben und in der Blasiuskirche zu Münden begraben, wo er Grabstätte und Sarkophag sich schon Jahre vorher selbst hatte in Stand setzen lassen. Seine Wittwe Elisabeth, die Gandersheim als Leibgedinge erhielt) mit Vorliebe auf der Staufenburg weilte und sich um die Wiederaufnahme des Bergbaues Verdienste erworben hat, überlebte ihn noch viele Jahre; sie starb zwischen dem 12. Juni 1520 und 1522 und ist in dem Barfüßerkloster zu Gandersheim bestattet worden. Außer den beiden genannten Söhnen Heinrich (s. A.D.B. XI, 491 f.) und Erich (VI, 203), die beide später zum Unterschiede von ihren Söhnen die Aelteren hießen, hinterließ W. [741] noch eine Tochter Anna, die, 1460 geboren, 1467–81 mit dem Grafen Jobst von Hoya verlobt war, dann aber am 17. Februar 1488 den Landgrafen Wilhelm d. Ae. von Hessen heirathete und am 16. Mai 1520 gestorben ist.